EU-Geld für die EU-Hasser

Im Europaparlament (EP) wird es künftig eine Fraktion aus Rechtsextremen und Rechtspopulisten geben: Die Parteichefin der rechtsextremen Front National (FN) aus Frankreich, Marine Le Pen, verkündete in Brüssel die Gründung der Fraktion „Europa der Nationen und der Freiheiten“ im EP. Damit gelang den Rechtsextremen im EP nach über einem Jahr die Bildung einer Fraktion, für die ihnen bisher noch Abgeordnete aus zwei Ländern gefehlt hatten. Das Ziel dieses Schrittes ist klar: der Fraktionsstatus bedeutet mehr Rechte im Parlament und sichert Gelder.

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„Eine fantastische Nachricht“

„Die Bildung einer Fraktion im Europaparlament ist gelungen. Das ist eine fantastische Nachricht und ein historischer Moment“, hatte der Chef der niederländischen Partei für die Freiheit (PVV), Geert Wilders, bereits am Montagabend getwittert. Neben seiner Partei sind auch die Lega Nord aus Italien, die FPÖ aus Österreich und der Vlaams Belang aus Belgien zusammen mit der FN in der Fraktion vertreten. Diese fünf Gruppen, die gegen Zuwanderung und den Euro sind, hatten im EP bereits eng zusammengearbeitet. Nun kommen noch drei Abgeordnete aus Polen und Großbritannien dazu. Es handelt sich laut Le Pen um eine Europaabgeordnete, die von der EU-feindlichen britischen Ukip ausgeschlossen wurde, sowie um zwei polnische Abgeordnete, die mit der rechtsextremen polnischen KNP „klar gebrochen“ haben.

Im ersten Anlauf gescheitert

Im vergangenen Jahr war die französische Rechtspopulistin mit ihrem Plan noch gescheitert, weil es Le Pen nicht gelang, Parlamentarier aus genügend EU-Ländern zu gewinnen. Zur Bildung einer Fraktion im Europaparlament sind 25 Abgeordnete nötig, die in mindestens sieben Mitgliedstaaten gewählt sind. Damals wollten die niederländischen Rechtspopulisten der Partij voor de Vrijheid (PPV), die italienische Lega Nord, die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) und die fremdenfeindliche belgische Partei Vlaams Belang mitmachen. Die Front National war bei der Europawahl in Frankreich stärkste Partei geworden und stellt derzeit 23 Abgeordnete.

Le Pens Front National war bei der Europawahl Ende Mai mit rund 25 Prozent stärkste Partei in Frankreich geworden und konnte 23 Abgeordnete in die europäische Volksvertretung schicken. Unter ihnen sind Parteichefin Le Pen und ihr Vater, der Front-National-Gründer Jean-Marie Le Pen.

Eine neue gefährliche Qualität

In einem Interview mit dem Internetportal EurActiv hatte der EU-Abgeordnete Jan Philipp Albrecht vor einer „Professionalisierung“ und einer „neuen und gefährlichen Qualität des europäischen Rechtsextremismus“ – auch im Europaparlament. Von den „großen Parteien“ verlangte der Grünen-Politiker, „sich gegen die menschenverachtenden Inhalte der [rechtsradikalen] Parteien entgegenzustellen und alternative Konzepte zu entwickeln“. Hier der Link zu dem Interview) 

Begrenzte Hilfe: Artikel 2

Es gibt praktisch keinen Weg, anti-europäische Parteien wie den FN und seine Verbündeten daran zu hindern, EU-Mittel durch die Gründung einer Partei zu bekommen. Die einzige Möglichkeit, die den Zugang zu Mitteln des Parlaments einschränkt, ist ein Paragraph von Artikel 2 des Vertrags von Lissabon. Demnach müssen neue Parteien „die Europäischen Werte respektieren“. Der Artikel legt die Förderung des Friedens, Europäischer Werte und dem Wohl seiner Völker als EU-Ziele fest.

Hier noch der Kommentar zu  dem Thema von Christopher Ziedler, dem Brüssel-Korrespondent der Stuttgarter Zeitung:

Rechter Coup

An düsteren Szenarien, die Zukunft der EU betreffend, mangelt es dieser Tage nicht. Welche Folgen hätte ein Austritt Griechenlands aus der Eurozone? Was würde es bedeuten, wenn die Briten der Gemeinschaft den Rücken kehren? Und ist die Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten schon  so auf den Hund gekommen, dass sie  nicht mal  40000 Bootsflüchtlinge per Quote unter sich verteilen können? Ein Horrorszenario   wird in der Debatte  dagegen – leider zu Unrecht – unterschätzt: Überlebt die EU, falls  die Rechtsextremistin Marine Le Pen  2017 im Gründungsland Frankreich Staatspräsidentin wird? Nein – lautet die Antwort  unisono.  Um nicht noch mehr  Franzosen gegen die EU aufzubringen und in Le Pens Arme zu treiben, wurde zuletzt schon der Stabilitätspakt für Paris gedehnt und eine Euroreform mit Zustimmung von Kanzlerin  Merkel auf die Zeit nach der Wahl verschoben.

Die Frau, die verhindert werden soll, ficht das nicht. Sie hat stattdessen  mit der Gründung einer Fraktion gerade einen Coup gelandet, der dem Front National  öffentliches Geld für seine  Parteistrukturen,  Einfluss im Europaparlament  und mehr mediale Präsenz sichert. Die Französin ist eloquent und gewieft genug, um daraus im Vorfeld der Wahl politisches Kapital zu schlagen. Es  ist  – wieder einmal – ein schlechter Tag für Europa.

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