Sigmar Gabriel will die Ukraine-Sanktionen gegen Russland lockern. Der Grund: Moskau soll zur Zusammenarbeit in Syrien bewegt werden. Es ist aber ein fundamentaler Fehler, diese beiden Kriege miteinander in Verbidnung zu bringen.
Ein syrisches Flüchtlingskind im Libanon
Der Fehler des Sigmar Gabriel
Eine Reise kann einen Menschen verändern. Sigmar Gabriel hat die Not der Syrienflüchtlinge bei seinem Besuch in einem Lager jüngst mit eigenen Augen gesehen. Das Leid der Menschen hat ihn gerührt. Das ist gut, denn die Welt regiert von eiskalten Realpolitikern ist am Ende keine lebenswerte Welt mehr. Nun macht der deutsche Vizekanzler aber einen entscheidenden Fehler – er wirft seine Gefühle und die Realpolitik in einen Topf – und dabei ist nichts Gutes herausgekommen.
Gabriel hat ein Ende der Russland-Sanktionen ins Gespräch gebracht, weil man Moskau zur Beendigung des Krieges in Syrien brauche. Zum einen hat er Recht: ohne den Kreml geht in Syrien wenig – das haben die vergangenen vier Jahre gezeigt, in denen der russische Präsident Wladimir Putin jede Friedensinitiative im Keim erstickt hat, weil er das Regime um Bashar al-Assad halten will. Aber den Krieg in Syrien mit dem Krieg in der Ukraine zu verknüpfen ist gefährlich – und reichlich Geschichtsvergessen.
Die Ukraine ist Gabriel gleichgültig
Gabriel will die Ukraine einfach fallen lassen, das Land mitten in Europa ist dem Vizekanzler offenbar ziemlich gleichgültig. Das ist ein Schlag nicht nur ins Gesicht der Ukrainer, sondern auch der Osteuropäer, die – zu Recht – fürchten, dass Russland versucht, ihre Regierungen zu destabilisieren. Dass das auch ein Angriff auf den Zusammenhalt in der Europäischen Union ist, scheint Gabriel ebenfalls verdrängt zu haben.
An dieser Stelle noch einmal zur Erinnerung: Russland führt einen Stellvertreterkrieg in der Ukraine, unterläuft die Abmachungen der Minsker Vereinbarung und hat völkerrechtswidrig die Krim annektiert und hat damit eine Friedensordnung umgestoßen, die Europa viele Jahrzehnte relative Ruhe gebracht hat.
Der Kampf gegen den IS
Gabriel argumentiert weiter, dass man Russland nicht für den Kampf gegen die Terroristen des IS gewinnen könne, wenn man dem Kreml nicht etwas anbiete. Da verkennt der Vize-Kanzler die Fakten: in diesem Fall ging das Angebot eindeutig von der russischen Seite aus. Denn der IS ist für Russland eine weitaus größere Bedrohung als für den Westen. Putin will seine Militärbasis in Syrien nicht verlieren, die ihm den Einfluss im Mittelmeer und dem Nahen Osten sichert. Zudem will Putin das Ausdehnen des IS auf die Staaten im Kaukasus vermeiden, die eine Brutstätte des Terrorismus sind, der Moskau direkt bedroht. Weiter will Putin endlich wieder im Konzert der Großen mitspielen, da erscheint ihm der Kampf gegen den Terror der richtige Hebel.
Und noch einen Punkt verkennt Sigmar Gabriel. Er glaubt zu wissen, dass wenn Russland seine militärischen Aktivitäten in Syrien ausdehne, werde der Konflikt eskalieren und noch mehr Flüchtlinge werden in Richtung Europa strömen. Das verkennt die Tatsache, dass Russland in Syrien mit dem Ausbau seiner Militärbasen bereits vom Kulissenschieber zum Akteur geworden ist.
Die Frage zentrale dabei ist: Weshalb verlassen die Menschen ihre Heimat. Nicht, weil der IS sie bedroht! Die Islamisten herrschen vor allem über menschenleere Gebiete. Die Syrer flüchten, weil Bashar al-Assad das eigene Volk in Städten und Dörfern bombardieren lässt und seine Polizei gnadenlos Jagd auf die Gegner des Regimes macht. Der weitaus größte Teil der 250.000 Toten in diesem Krieg geht auf das Konto des Regimes!
Das Kalkül Gabriels
Das Kalkül Gabriels ist offensichtlich. Der Westen soll mit Putin im Fall von Syrien zusammenarbeiten – darauf hoffend, dass Moskau Assad irgendwann schon fallenlassen werde. Das aber ist eine naive Hoffnung. In einem Interview mit dem US-Sender CBS hat Putin deutlich gemacht, dass er noch immer an dem Regime festhält. Sein Argument: nach dem Sturz des Diktators Gaddafi in Libyen sei das Land in Anarchie zerfallen. Putin hat nicht vergessen, dass der Westen im Fall von Libyen die vorher getroffenen Abmachungen sehr frei interpretiert hat und bei dem Bombardement nicht nur die Bevölkerung schützte, sondern damit auch den Gegnern des Regimes zum Sieg verhalf. Es ist so etwas wie die späte Genugtuung Putins, dass Libyen nun nicht zur Ruhe kommt und der Westen auf keinen Fall dasselbe Szenario im Fall von Syrien riskieren will. Das kann aber nicht heißen, dem kühl kalkulierenden Putin politische Geschenke zu machen. Er wird seine Politik deswegen nicht ändern.
Gabriels feines Gespür
Natürlich fordert Gabriel die Aufhebung der Sanktionen nicht nur, um das Leid der Menschen in Syrien zu lindern. Er hat ein feines Gespür für Stimmungen im eigenen Volk – und die droht in Deutschland langsam zu kippen. Wurden die Flüchtlinge anfangs noch willkommen geheißen, wächst bei immer mehr Deutschen angesichts der steigenden Zahlen die Angst, dass unser eigenes Land überfordert werden könnte. Auch die Furcht, dass die Konflikte aus den muslimischen Ländern hierher transportiert werden könnten, ist nicht unbegründet.
Zudem ist Gabriel deutscher Wirtschaftsminister! Der Ärger über die Russlandsanktionen wird auch in Gabriels eigener Partei immer größer. Da käme ihm ein Vorwand, das Embargo zumindest in Teilen abzubauen gerade recht.
Niemand will Sanktionen
Tatsache ist: alle in Europa würden die Sanktionen gerne weg haben, je früher desto besser. Doch darf nicht vergessen werden, warum Russland mit ihnen belegt wurde: Grund ist ein Krieg in Europa, der Bruch des Völkerrechts und das Ignorieren von Regeln, die dem Kontinent bis jetzt den Frieden beschert haben. Das Beispiel Libyen zeigt, dass Wladimir Putin nicht so schnell vergisst, der Westen sollte das im Fall der Ukraine auch nicht tun!
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