Europa steckt in einem Dilemma. Die Flüchtlingskrise muss gelöst werden, das geht aber nicht ohne Russland. Dasselbe Bild im Kampf gegen den Terror des Islamischen Staates. Der Schlüssel zur Lösung zentraler Probleme liegt im Kreml.
Also melden sich die Realpolitiker zu Wort: Sie wollen, dass die Sanktionen des Westens gegen Russland aufgehoben werden.
Die Sanktionen haben nicht mit Syrien zu tun
Diese Forderung ist nachzuvollziehen – aber falsch! Die Sanktionen haben nichts mit Syrien oder dem Terror zu tun. Die Sanktionen wurden verhängt, weil Russland in Europa einen Krieg vom Zaun gebrochen hat, weil damit eine Friedensordnung zerstört wurde, die dem Kontinent die vergangenen Jahrzehnte Ruhe und Aufschwung gebracht hat.
Hier zur Erinnerung ein Auszug aus: Link zum Statement
THE HAGUE DECLARATION following the G7 meeting on 24 March 2014
Today, we reaffirm that Russia’s actions will have significant consequences. This clear violation of international law is a serious challenge to the rule of law around the world and should be a concern for all nations. In response to Russia’s violation of Ukraine’s sovereignty and territorial integrity, and to demonstrate our determination to respond to these illegal actions, individually and collectively we have imposed a variety of sanctions against Russia and those individuals and entities responsible. We remain ready to intensify actions including coordinated sectoral sanctions that will have an increasingly significant impact on the Russian economy, if Russia continues to escalate this situation.
Russland als Partner
Noch einmal: Niemand kann etwas dagegen einwenden, dass Russland wieder als Verhandlungspartner in die internationale Staatenwelt zurückkehrt. In diesem Sinne hat auch Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier hat eine Rückkehr Russlands zur Runde der G7-Staaten in Aussicht gestellt, die dann wieder G8 wären. In einem Interview in „Bild am Sonntag“ sagt er: „Unser Interesse war es nie, Russland zu isolieren oder aus den G8 wieder dauerhaft eine G7 zu machen.“ Dann ein ganz wichtiger Satz: „Zu dieser Entscheidung ist es nach dem Vertrauensbruch in der Ukraine beginnend mit der Annexion der Krim gekommen.“
In dasselbe Horn stößt auch EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Er hatte Russlands Präsident Wladimir Putin in einem Brief eine engere Zusammenarbeit angeboten. Konkret schlug er eine Kooperation der EU mit der von Russland angeführten Eurasischen Union vor. Allerdings hatte er dies ebenfalls von Fortschritten im Ukraine-Konflikt abhängig gemacht.
Die Ukraine als Nebensache
Allerdings entsteht der Eindruck, dass im Rahmen der Lösung des Syrienkonflikts der Krieg in der Ukraine längst zur Nebensache geworden und die Krim vom Westen längst abgeschrieben ist.
Aber all jene, die nun dem russischen Präsidenten Wladimir Putin ihr Vertrauen schenken und für ein Bündnis mit Russland im Syrienkonflikt plädieren – und bereit sind, dafür die Sanktionen aufzuheben – sollten sich einige Fragen stellen.
- Gibt es eine gemeinsame Strategie in Syrien? Noch immer fehlt die Koordination der Angriffe und Russland wird wohl nicht bereit sein, sich unter das Oberkommando der westlichen Alliierten stellen zu lassen. Daraus folgt die zweite Frage.
- Wie groß sind die Gemeinsamkeiten mit den Zielen Russlands? Als die ersten russischen Angriffe geflogen wurden, war schnell klar, dass es dem Kreml nicht darum geht, den IS zu bekämpfen. Ziel ist, das System Assad zu stabilisieren.
- Ist der Westen bereit, ein System zu stabilisieren, das für den Tod von inzwischen über 250.000 Menschen verantwortlich ist? Die stark gesunkene Glaubwürdigkeit würde – gelinde gesagt – ziemlich noch weiter leiden.
- Kann der Westen Putin vertrauen? Der Kreml-Herrscher hat so ziemlich alle Zusagen gebrochen, die er in Sachen Ukraine einst gegeben hat. Anders gesagt: er hat den westlichen Politikern direkt ins Gesicht gelogen! Putin hat seine Unberechenbarkeit zur politischen Taktik erhoben. Was sind die Zusagen dieses Mannes im Syrienkonflikt wert? Sollte sich der Westen unter diesen Umständen auf nebulöse Versprechen Moskaus verlassen?