Die EU belohnt Ankara

Der Beitritt der Türkei zur EU steht nicht unmittelbar bevor! Hysterie ist also fehl am Platze. Allerdings muss es zu denken geben, dass Brüssel ausgerechnet jetzt ein neues Verhandlungskapitel öffnet und so bei den Beitrittsverhandlungen aufs Tempo drückt.

15.04.22-türkei

Davutoglu sieht sein Land als Teil der europäischen Familie

Ein symbolischer Schritt

Allerdings ist es ein eher symbolischer Schritt. Verhandelt werden sollen die Fragen um die „Wirtschafts- und Währungspolitik“ – ziemlich unverfängliche Themen also. Dabei geht es etwa um die Unabhängigkeit der Zentralbank. Das ist auch in der EU während der Euro-Krise eine brisante Frage.

Allerdings muss sich die EU fragen lassen, für welche Werte sie steht: Demokratie? Menschenrechte? Freiheit?

Das alles sind Werte, die im Moment in der Türkei mit Füßen getreten werden. Die Regierung unter Präsidenten Recep Tayyip Erdogan schränkt die Presse- und Meinungsfreiheit ein. Sie greift immer wieder in die Unabhängigkeit von Polizei und Justiz ein. Und: Seit langem wird dort die kurdische Minderheit unterdrückt.

Ein verlogener/realpolitischer Schritt

Insofern ist die Öffnung des 15. von 35 Kapiteln reichlich verlogen – man könnte es auch Realpolitik nennen. Denn Brüssel stellt seine immer wieder hoch gehaltenen Forderungen hintan, weil die Türkei eine zentrale Rolle in der Flüchtlingskrise spielt. Über die Türkei strömen Menschen aus Syrien und dem Irak weiter über die Balkanroute nach Westeuropa. Der Deal ist also offensichtlich: Annäherung an die EU gegen Kooperation in Flüchtlingskrise.

Angetrieben werden die Verhandlungen vor allem von Kommissionschef Jean-Claude Juncker. Er hat der türkischen Regierung zugesichert, dass Anfang des nächsten Jahres fünf weitere Kapitel eröffnet werden. Dabei soll es um Energie, Bildung und Kultur gehen, aber auch um Außen- und Verteidigungspolitik, Justiz und grundlegende Rechte.

Neues Selbstbewusstsein in Ankara

Ausgestattet mit einem neuen Selbstbewusstsein hat der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu vor wenigen Wochen bei den Verhandlungen angesichts der Flüchtlingskrise seinen Brüssel Gesprächspartner mit auf den Weg gegeben, die Türkei sei eine europäische Nation: „Wir möchten Mitglied der europäischen Familie sein.“

Genau das kann die Türkei beweisen, wenn über Fragen wie Justiz oder Meinungsfreiheit geht. Die EU muss dann zu ihren Werten stehen – es darf wegen der Flüchtlingskrise keine Lex Türkei geben!

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