Kein Pole soll sagen, er sei überrascht. Jaroslaw Kaczynski ist einst abgewählt worden, weil er und sein Bruder Lech das Land mit ihrem missionarischen Politikstil das Land tief gespalten haben. Kaczynski scheint die Lektion sehr gründlich gelernt zu haben: nach dem Sieg seiner Partei PiS bei den Parlamentswahlen vor einigen Wochen will er Polen nun im Schnelldurchlauf nach seinen Ideen umbauen.
Umbau des Staates
Für den Angriff auf die Unabhängigkeit der Justiz hat er sich nur wenige Tage Zeit gelassen. Danach nahm die neue nationalkonservative Regierung die Medien ins Visier. Nun haben Beamte des Verteidigungsministeriums ein Spionageabwehrzentrum der Nato in Warschau gestürmt. Kurz nach Mitternacht sind die Beamten in das polnisch-slowakische Zentrum eingedrungen.
Außenminister Witold Waszczykowski sagte am Morgen im Radio, dass die in dem Zentrum beschäftigten polnischen Beamten ihre Berechtigung verloren hätten, Zugang zu vertraulichen Dokumenten zu bekommen. „Sie sollen durch andere ersetzt werden, die solche Rechte haben.“
Macierewicz – ein radikaler Hardliner
Für alle, die sich nicht erinnern: Verteidigungsminister Antoni Macierewicz gilt als radikaler Hardliner der international kritisierten Regierung. Er hatte das Amt bereits in den neunziger Jahren inne und tauschte in dieser Zeit in großem Umfang Personal des Militärgeheimdienstes aus. Schon damals war er nicht mit Samthandschuhen ans Werk gegangen.
Jacek Sasin, Vertreter der neuen Regierungspartei „Recht und Gerechtigkeit“, versucht allerdings zu beschwichtigen: „Wir haben es mit einer gewissen Hysterie zu tun. Hier geht es um normale Änderungen, die eine Konsequenz der Parlamentswahlen sind. Ich betone, es ist ein ganz normaler Machtwechsel, um den es sich handelt.“
Ein normaler Machtwechsel?
Hysterie? Eine normale Änderung? Ein ganz normaler Machtwechsel? Ganz und gar nicht! Die polnische Regierung hat zum wiederholten Male gezeigt, welchen Wert sie Demokratie und Rechtsstaat beimisst – einen erschreckend geringen! Dabei nimmt sich Kaczynski andere mächtige Männer zum Vorbild: Putin, Orban und Erdogan. Sie alle brechen internationales Recht und Gesetz – ohne wirkliche Konsequenzen dafür fürchten zu müssen. Im Gegenteil: ihre rücksichtslose Dreistigkeit zahlt sich angesichts der Flüchtlingskrise aus. Russland, Ungarn und die Türkei sind für die Europäische Union wieder zu wichtigen Gesprächspartnern geworden. Jetzt rächt es sich, dass Brüssel weder in der Außenpolitik noch in der Politik gegenüber den eigenen Mitgliedern keine konsequente Linie an den Tag legt.
Jaroslaw Kaczynski scheint darauf zu bauen, dass die EU auch gegenüber den politischen Amokläufern in Warschau beide Augen zudrückt. Wirft Brüssel auch in diesem Fall seine Grundsätze über Bord, ist das Ende der EU endgültig eingeläutet.