In Russland hat die Staatsanwaltschaft Anklage gegen die Verdächtigen im Mordfall des bekannten russischen Oppositionspolitikers Boris Nemzow erhoben. Die fünf Tschetschenen sollen in das Verbrechen verwickelt sein, doch ist der Auftraggeber nach wie vor unbekannt.
In der Nähe des Kremls erschossen
Der 55-jährige Nemzow war am 27. Februar auf einer Brücke im Zentrum von Moskau, unweit des Kremls, erschossen worden. Der ehemalige Vize-Ministerpräsident unter Präsident Boris Jelzin war einer der prominentesten Widersacher von Staatschef Wladimir Putin. Vor seinem Tod arbeitete Nemzow an einem Bericht über die Beteiligung russischer Militärs am Krieg in der Ukraine.
Der Mord an dem ausgewiesenen Kritiker von Russlands Präsidenten Wladimir Putin hatte die russische Opposition schockiert. Unter den Angeklagten befindet sich der mutmaßliche Profikiller Saur Dadajew, ein früherer Offizier der Sicherheitskräfte des von Russland gestützten tschetschenischen Präsidenten Ramsan Kadyrow.
Die Spur führt nach Tschetschenien
Nemzows Familie hatte die Ermittler gebeten, auch eine mögliche Verstrickung von Kadyrow zu untersuchen und den ranghohen tschetschenischen Polizeioffizier Ruslan Geremejew zu befragen. Dessen persönlicher Fahrer Ruslan Muchudinow gilt als möglicher Organisator des Mordes – er floh. Den Ermittlern hält er sich derzeit in den Vereinigten Arabischen Emiraten auf. Gegen Muchudinow werde seit November international gefahndet. Muchudinows Verhaftung im Ausland sei „nur noch eine Frage der Zeit“. Der Fall Muchudinow werde abgetrennt und einzeln weiter verfolgt, sagte Wladimir Markin von der Ermittlungsbehörde.
Nach Angaben der Bürgerrechtsgruppe „Offenes Russland“ kämpfte Muchudinow in einer Einheit tschetschenischer Spezialkräfte Kadyrows, dem Bataillon „Sewer“, das den Polizeistreitkräften des russischen Innenministeriums angehört.
INFO: Das Bataillon „Sewer“ wurde 2006 vom tschetschenischen Präsidenten Ramsan Kadyrow gebildet. Unter anderem gehören Anti-Terror-Einheiten, aber auch ehemalige Schläger der Organisation an. Diese wurden nach 2003 auf Kadyrows Seite gezogen – das Bataillon war eine Art Rehabilitation für viele Ex-Schläger. Die Kampfeinheit „Sewer“ ist in den Medien als das persönliche Bataillon von Ramsan Kadyrow bekannt.
Zweifel von Nemzows Tochter Schanna
Die These, dass Tschetschenen am Mord an Nemzow beteiligt seien, wird von Mitgliedern der russischen Opposition nicht unterstützt. Vertreter der Opposition und auch der Anwalt von Nemzows Tochter Schanna zogen die These von Muchudinow als Auftraggeber in Zweifel. „Organisator für die niederen Ränge – ja. Aber die Auftraggeber waren hochgestellte Leute“, sagte Anwalt Wadim Prochorow der Nachrichtenagentur Interfax. Die Justiz wolle die Aufmerksamkeit von der Umgebung des tschetschenischen Anführers Ramsan Kadyrow ablenken, vermutete er.
Wie die Ermittler betonten, bestehe zwischen dem Mord des Politikers Boris Nemzow und seiner politischen und öffentlichen Tätigkeit kein Zusammenhang. Zuvor hatte die Tochter des Ermordeten Schanna Nemzowa vergeblich das Ermittlungskomitee aufgefordert, die Anklage von gewöhnlichem „Mord“ in einen „Angriff auf das Leben eines Staatmanns oder einer Person des öffentlichen Lebens“ umzuwandeln.