Erdogan und das Hitler-Beispiel

Hat er das H-Wort benutzt  – oder hat er nicht? Die türkische Nachrichtenagentur Dogan berichtet, der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan habe „Hitler“-Deutschland als Beispiel für ein Präsidialsystem bezeichnet.

15.04.08-Erdogan

Ein funktionierende System

Auf die Frage, ob der von ihm angestrebte Umbau der türkischen Verfassung mit mehr Macht für den Präsidenten innerhalb eines „Einheitsstaates“ existieren könne, sagte Erdogan den anwesenden Reportern: „Wenn Sie sich Hitlers Deutschland anschauen, können sie es sehen.“ Es sei eines von mehreren historischen Beispielen für ein funktionierendes Präsidialsystem. Hier ein Bericht auf diken.com über den Vergleich

Das Hitler-Beispiel hätte eine gewisse Brisanz und lässt womöglich tief blicken. Denn Kritiker werfen Erdogan einen zunehmend autoritären Regierungsstil vor und fürchten, dass er sich mit der von ihm angestrebten Verfassungsänderung weitreichende Vollmachten sicher will. Seine Partei hat dafür allerdings keine Mehrheit im Parlament.

Die Zeitung Today’s Zaman zeigt auf ihrer Homepage ein Video mit den Aussagen Erdogans. Hier ist der Link

16.01.01-Erdogan

Das Dementi folgt auf dem Fuße

Nun kommt aber das wortreiche Dementi von höchster Stelle. Erdogans Büro stellt unmissverständlich klar, dass der Präsident natürlich auf keinen Fall eine Regierung wie die von Adolf Hitler in Nazi-Deutschland befürworte. Und weil die Reporter da offensichtlich irgendetwas irgendwie völlig falsch verstanden haben – und die gesamte Aussage sowieso aus dem Zusammenhang gerissen hätten – heißt es weiter: Mit seinen Bemerkungen habe er zeigen wollen, dass ein Präsidialsystem auch in einem Einheitsstaat existieren könne und nicht zwangsläufig ein föderales System brauche und dass weder ein präsidiales noch ein parlamentarisches System eine Garantie gegen Machtmissbrauch böten.

„Wenn das System missbraucht wird, kann es zu einer schlechten Führung kommen, die in Katastrophen wie in Hitler-Deutschland enden.“ Wichtig sei eine gerechte Führung, die den Interessen der Nation diene. Es sei inakzeptabel, den Eindruck zu erwecken, Erdogan stelle Hitler-Deutschland in einem positiven Licht dar, erklärte das Präsidialamt. Zuvor hatte schon ein Regierungsvertreter gesagt, die Worte Erdogans seien aus dem Zusammenhang gerissen worden. „Es gab gute und schlechte Beispiele für Präsidialsysteme und es ist wichtig, eine Gewaltenteilung einzurichten. Nazi-Deutschland, wo die angemessenen institutionellen Regelungen fehlten, war offenkundig eines der schändlichsten Beispiele in der Geschichte“, sagte der Regierungsvertreter.

Kleine Info aus dem Geschichtsbuch:

Der deutsche Reichstag hatte im Frühjahr 1933 seine Gesetzgebungskompetenz auf den Reichskanzler Adolf Hitler übertragen und ihm zugleich das Recht eingeräumt, bei seinen Gesetzeserlassen die Verfassung zu missachten. Gut ein Jahr nach dieser Selbstentmachtung des Parlaments sicherte sich Hitler per Volksabstimmung auch das Amt des Reichspräsidenten.

 

 

Ein Kommentar zu “Erdogan und das Hitler-Beispiel

  1. Wenn selbst „seine“ Nachrichtenagentur das erstmal ungefiltert weiter geschickt hat, was darf man dann bitte daraus schließen…? Das selbst „seine“ Nachrichtenagentur das erstmal als ganz unproblematische Aussage gesehen hat.

    Mit der Aussage hat der Mann sich mal wieder keinen Gefallen getan. Und wie schon beim „versehntlichen“ Abschuss des Jets, wird er damit auch wieder Kredit selbst bei der NATO verspielt haben (welches sonstwie fragwürdige Militärbündnis hat schon Lust, andauernd für ein Mitglied Kindergärtner und Feuerwehrmann zu spielen?)

    Nur die EU wirds ihm verzeihen und ihm seine Apologie „ich wurde nur missverstanden und werde gerade das arme, wahre Opfer!“ vollumfänglich abkaufen. Die EU braucht diesen Mann gerade, weil Frau Merkel ihn braucht und deswegen würde die dem noch weit mehr durchgehen lassen als einen etwas doof gelaufenen, positiven Verweis auf Hitlerdeutschland. Eine Diskussion über die eventuelle Fragwürdigkeit dieses Mannes darf gerade unter keinen Umständen aufkommen.

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