Polens neue Regierung hat eine Mission. Politik ist in diesem Sinne eine Sache des Glaubens und bekommt eine fast religiöse Dimension. Aus diesem Grund lässt sich Jaroslaw Kaczynski, Chef der nationalkonservativen PiS und begnadeter Strippenzieher, von niemandem beirren. Nicht durch die Demonstrationen im eigenen Land – und schon gar nicht durch die Kritik aus dem Ausland.
Kaczynskis klare Weltbild
Es zeigt sich, dass das Weltbild Kaczynskis klar geteilt ist: es gibt Gute und Böse! Die Menschen sind für ihn – oder gegen ihn. Dazwischen gibt es nichts.
Auch der Umgang mit den politischen Gegnern orientiert sich an dieser bipolaren Weltsicht: wer sein Wort gegen die neuen Machthaber erhebt, wird beschimpft. Die Zigtausende, die in Polen gegen das neue Mediengesetz oder den Umbau des Verfassungsgerichtes auf die Straße gehen, sind laut Kaczynski „Diebe und Kommunisten“.
Alberne Kommentare über Polen
Und Justizminister Zbigniew Ziobro erklärte in einem Brief an EU-Kommissar Günther Oettinger, was er von den Einlassungen aus Brüssel hält. Es sei eigentlich nicht seine Art, „auf alberne Kommentare von ausländischen Politikern über Polen zu antworten“, schreibt Ziobro. Dieser Satz zeigt vor allem eines: die neue Regierung in Polen will sich mit der Kritik an ihrem durchaus zweifelhaften Tun überhaupt nicht auseinandersetzen – schon gar nicht, wenn sie aus Deutschland kommt. Derartige Bemerkungen „von einem deutschen Politiker lösen bei den Polen die schlimmsten Assoziationen aus. Ich bin der Enkel eines polnischen Offiziers, der im Zweiten Weltkrieg im Untergrund gegen die ‚deutsche Aufsicht‘ kämpfte“, sagte Ziobro.
Und natürlich vergisst der Minister den Hinweis auf die Missstände im Nachbarland nicht. „Das Mediengesetz, an dem die polnische Regierung arbeitet, sieht bedeutend demokratischere Lösungen vor (als in Deutschland)“, heißt es in dem offenen Brief, der unter anderem auf der rechtskatholischen Webseite „Fronda.pl“ veröffentlicht wurde. In Deutschland gelte: „Wer die Macht hat, hat das Radio“, schrieb Ziobro über die Zusammensetzung der Rundfunkräte in Deutschland. Dass er in diesem Fall Äpfel mit Birnen vergleicht, erwähnt er natürlich nicht.
Zwischen zwei Extremen
Die polnische Regierungspolitik bewegt sich im Moment zwischen zwei Extremen – zwischen missionarischem Eifer und rückwärtsgewandter Weltsicht.
Dass die neuen Machthaber in Warschau längst den von ihnen immer wieder proklamierten Rückhalt in der Bevölkerung verloren haben, ficht sie nicht an. In Umfragen ist die Regierung tief abgestürzt.
Jaroslaw Kaczynski wird weiter unbeirrt seinen Weg fortsetzen. Das hat er schon einmal getan – damals stolperte er schließlich über das eigene Unvermögen, Kompromisse zu schließen. Und am Ende wurde er vom Volk gestoppt. Eine krachende Niederlage bei den vorgezogenen Parlamentswahlen im Jahr schien sein politisches Ende gewesen zu sein. Nun ist Kaczynski wieder da – und beweist, dass er sich nicht verändert hat.
Dieses Mal wird ihm kein abtrünniger Koalitionspartner einen Strich durch die Rechnung machen. Auch von der EU wird er sich nichts sagen lassen. Es gibt eine einzige Möglichkeit, diesem Spuk ein Ende zu bereiten und die Demokratie in Polen vor weiterem Schaden zu bewahren. Nur das polnische Volk hat die Macht, Kaczynski in die Schranken zu weisen.
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Hier noch das Video eines Flashmobs in Torun. Die Menschen demonstrieren gegen die neue Regierung. Am selben Tag gingen in Warschau rund 20.000 Menschen auf die Straße.
Und hier noch ein Interview mit Gerhard Gnauck, Korrespondent der „Welt“ mit der polnischen Zeitung „Super Express“. Sein Fazit: Mit Kaczynski verliert Polen 20 Jahre.