Wladimir Putin hat wieder einmal alle überrascht. Dieses Mal schaffte er es mit dem Angebot an Europas Juden nach Russland auszuwandern. Wie die Tageszeitung „Kommersant“ berichtet, hatte die Führung des Europäischen Jüdischen Kongresses bei einem Gespräch im Kreml berichtet, dass unter den europäischen Juden die Angst vor Terroristen und Rechtsradikalen groß sei. Viele würden deshalb ausreisen, vor allem aus Frankreich. Daraufhin sagte Putin dem Bericht zufolge: „Sie kommen zu uns? Wir sind bereit.“ Hier ist der Link zur Seite von Kommersant.
Putin lädt die Juden ein
Aus der Sowjetunion seien die Juden emigriert, jetzt könnten sie gerne nach Russland zurückkommen, habe Putin ergänzt. Ihm sei bekannt, dass viele Juden in Europa die Kippa in der Öffentlichkeit nicht mehr trügen oder aus Angst das Haus ungern verlassen würden, sagte der russische Präsident demnach. Putins offensichtlich spontaner Vorschlag findet in Russland bereits Unterstützung. So erklärte der Gouverneur des Jüdischen Autonomen Gebietes, Alexander Lewintal, seine Bereitschaft, Juden aus Europa aufzunehmen, „wo sie heute Übergriffen vonseiten der Antisemiten ausgesetzt sind“. Man wisse, dass es sich dabei um hoch gebildete und kultivierte Menschen handele, die sein Gebiet gut gebrauchen könne, sagte Lewintal laut der Internetseite der Regierung der Region am Amur im russischen Fernen Osten.
INFO: Das Jüdische Autonome Gebiet mit seiner Hauptstadt Birobidschan wurde 1934 gegründet und sollte jüdischen Umsiedlern eine Alternative zu Palästina bieten. Die Juden stellten dort aber nie die Bevölkerungsmehrheit. Heute zählt die Region 170.000 Einwohner, von denen sich ein Prozent als Juden bezeichnen.
Tatsache ist, dass Juden in Russland heute so frei leben wie selten zuvor in der Geschichte des Landes. Synagogen oder Schulen können ohne Probleme eröffnet werden. Das war nicht immer so.
Judenhass als politisches Instrument
Iwan der Schreckliche, Katharina die Große und auch fast alle anderen Zaren regierten mit staatlichem Antisemitismus das Land. Und dann kam der sowjetische Judenhass, der sich bis heute noch in sehr vielen ex-sowjetischen Köpfen versteckt. Zu lange wurden die Menschen dazu erzogen. Zuerst war es Stalin, der die halbe jüdische Intelligenzija hinrichten ließ und immer wieder antijüdische Kampagnen inszenierte. Dann Chruschtschow, der sich die antisemitische Initiative „Wirtschaftsverbrechen“ ausdachte, um von der schlechten ökonomischen Lage des Landes abzulenken. Später auch Breschnew, der antisemitische Propagandisten bezahlte, antisemitische Propaganda zu schreiben.

Eine Statistik – leider nur aus dem Jahr 2008
Jüdisches Leben in Russland
Heute aber liegt die Moskauer Hauptsynagoge in einer Gasse, wenige Schritte von der Zentrale des russischen Geheimdienstes FSB entfernt. Ein Bau, der äußerlich genauso gut ein Theater oder eine Akademie sein könnte. Auf Plakaten wird ratsuchenden jüdischen Eltern Hilfe angeboten: „Wie bereite ich meine Tochter auf ein Leben als gute jüdischen Ehefrau vor?“, steht da beispielsweise. Die vielen neuen jüdischen Einrichtungen und Organisationen werden sowohl vom russischen Staat als auch von zum Teil äußerst wohlhabenden jüdischen Unternehmern finanziert.
INFO: Mehr als 156.000 Personen bezeichnen sich heute in Russland als Juden, die allermeisten haben das Land verlassen, nach dem Ende der Sowjetunion rund zwei Millionen Juden.
Doch manche Juden misstrauen dem Frieden. Sie sagen, dass es nichts mit einem neuen Demokratieverständnis oder Minderheitenschutz zu tun habe, dass sie nicht mehr diskriminiert würden. Ihre Erklärung ist eine ganz andere: heute müsse eben jemand anders als Feind herhalten. Die Herrschenden im Kreml würden immer wieder Minderheiten instrumentalisieren. Früher waren es Tschetschenen, dann Georgier, später Gastarbeiter aus den ehemaligen Sowjetstaaten und danach Homosexuelle. Nur den Hass auf die Juden, der in Russland jahrhundertelang existent war, wird nicht geschürt.
Putin, Freund der Juden
Erklärungen dafür gibt es einige, doch eine ist immer wieder zu lesen. Der amtierende Präsident Wladimir Putin wuchs im damaligen Leningrad inmitten von Juden auf. Putins Judo-Trainer, sein Deutschlehrer, viele Nachbarn in der Gemeinschaftswohnung waren Juden. In seiner engen Umgebung bewegen sich Oligarchen jüdischer Abstammung: Boris Rotenberg, Gennadi Timtschenko oder Roman Abramowitsch. Allerdings zählen auch einige seiner Feinde dazu: Wladimir Gusinskij, Boris Beresowskij oder Michail Chodorkowskij.
Ein Grund für die demonstrativ zur Schau gestellte Affinität für die jüdische Kultur könnte auch in der aktuellen Politik zu suchen sein. Schließlich bekämpft Russland nach eigenen Angaben in der Ukraine ein faschistisches Regime – da passt es ins Bild, wenn in Moskau Toleranz gegenüber Minderheiten geübt wird.
Zuletzt hat Putin zuletzt immer wieder gezeigt, dass er das jüdische Leben in Russland ehrt. Am 70. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz hat er in Moskau das „Museum für Toleranz“ besucht. Das wurde ihm von der jüdischen Gemeinde sehr hoch angerechnet. Doch nur kurz darauf fand ein vom
Kreml geduldetes Treffen der europäischen Ultrarechten und Neofaschisten in Sankt Petersburg statt. Die jüdischen Gemeinden preisen also die nie dagewesenen Freiheiten für ihren Glauben in Russland – sie bleiben aber auf der Hut.