Polen auf einem bedenklichen Weg

Zehntausende Polen waren wieder auf der Straße. Sie haben in mehreren Städten für eine Stärkung des Verfassungsgerichts und die Rücknahme der Justizreform der nationalkonservativen Regierung demonstriert. Auch die Kommentare aus dem Ausland sind harsch – doch nicht immer gerechtfertigt.

15.12.20-KOD-Schild

Die Entscheidungsfreiheit Polens respektieren

Es ist war, in Polen geschieht Bedenkliches. Die neue Regierung baut den Staat in atemberaubender Geschwindigkeit um. Doch darf das nicht dazu führen, alles blindlings zu verdammen. In diesem Sinne schießen viele Kommentatoren über das Ziel hinaus. Natürlich, vieles, was die PiS tut, verdient Kritik, ist aber kein ausreichender Anlass für eine Intervention von außen. Zum Beispiel, wenn sie die Chefposten in staatlichen Medien mit eigenen Leuten besetzt. Solche Entscheidungen muss man nicht billigen. Die Entscheidungsfreiheit der Regierung Polens sollte aber jeder respektieren.

Eine andere Qualität hat allerdings die offene Missachtung des Verfassungstribunals. Die Rechtsexperten des Europarats werten die umstrittene Reform des polnischen Verfassungsgerichts als Gefahr für die Demokratie. Das Gesetz würde den Rechtsstaat gefährden, warnte die sogenannte Venedig-Kommission. Das heißt: die Schwere des Rechtsbruchs verlangt ein Eingreifen der EU und berechtigt die Bundesregierung zur Stellungnahme.

INFO: Darum geht es: Das Verfassungstribunal hatte das Gesetz über die Arbeit der Verfassungsrichter für verfassungswidrig erklärt. Die Regierung will dieses Urteil aber nicht im Amtsblatt veröffentlichen und damit unwirksam machen. Die Verfassungsexperten kritisieren vor allem zwei Punkte: Eine Zwei-Drittel-Mehrheit für Urteile und die Pflicht, Klagen chronologisch nach ihrem Eingang bei Gericht abzuarbeiten. Kritiker sagen, dass umstrittene Gesetze so womöglich erst nach Jahren zur Verhandlung kämen. Die Änderungen könnten „zu einer ernsthaften Verzögerung der Aktivität des Gerichts führen und es als Hüter der Verfassung wirkungslos machen“, heißt es in der Stellungnahme. Das Verfahren der Brüsseler Behörde ist bislang beispiellos. Es beruht auf einem erst 2014 geschaffenen Mechanismus zum Schutz der Rechtsstaatlichkeit in den Mitgliedstaaten.

Warschau zeigt sich unbeeindruckt

Die Regierungspartei PiS zeigt sich allerdings unbeeindruckt – von der Kritik der EU und auch von den Demonstrationen im eigenen Land. Sie versucht, ihre Kritiker lächerlich zu machen und sich selbst als einzig mögliche Lösung der Probleme in Polen zu präsentieren.

Gemunkelt wird, dass das Ziel des PiS-Vorsitzenden Jaroslaw Kaczysnki ein tiefgreifender Umbau des Staates sei – so sollen etwa viele Kompetenzen vom Verfassungsgericht auf den Staatspräsidenten übergeben. Polen würde sich in Richtung eines autoritären Staates entwickeln. Die EU sollte sich jetzt schon einen Plan bereitlegen, wie die Union darauf reagieren will. Die Einrichtung der Venedig-Kommission ist zumindest ein guter Anfang. Hier geht es zur Seite der Venedig-Kommission

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