Ein Lebenszeichen von Jan Böhmermann – und der Weg ist ganz old-school. Nicht über Facebook oder Twitter hat sich der ZDF-Satiriker zu Wort gemeldet, sondern völlig traditionell. Er hat dem Wochenmagazin ein Interview gegeben – und geht dabei mit der Kanzlerin Angela Merkel hart ins Gericht.
Der deutsche Ai Weiwei
Der Skandal um sein Erdogan-Schmähgedicht hat Böhmermann offensichtlich härter getroffen, als viele erwartet haben. Die Kritik an Merkel könnte nicht bissiger sein. „Die Bundeskanzlerin darf nicht wackeln, wenn es um Freiheit und Menschenrechte geht“, sagte Böhmermann. „Doch stattdessen hat sie mich filetiert, einem nervenkranken Despoten zum Tee serviert und einen deutschen Ai Weiwei aus mir gemacht.“
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„deutscher Ai WeiWei“??? Och Gottchen….größer gings nicht? #Böhmermann
— Torsten Amarell (@tiefimosten) 3. Mai 2016
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Er fühle sich in seinem Glauben daran erschüttert, „dass jeder Mensch in Deutschland ein unverhandelbares, unveräußerliches Recht auf gewisse Grundrechte hat: die Freiheit der Kunst und die Freiheit der Meinungsäußerung“, sagte der 35-Jährige, der das Gedicht nach eigenen Angaben nicht selbst verfasst hat. Am allermeisten habe er sich über die Tatsache amüsiert, „dass die Chefin des Landes der Dichter und Denker offenbar nicht einen Moment über das Witzgedicht und besonders seine Einbindung nachgedacht hat, bevor sie sich mit ihrem öffentlichen Urteil blamiert hat“.
Gedicht mit Beschimpfungen
Der Grund für den Skandal braucht inzwischen eigentlich kaum mehr erklärt zu werden. Böhmermann hatte in seiner bei ZDFneo ausgestrahlten Sendung „Neo Magazin Royale“ am 31. März ein Gedicht mit Beschimpfungen des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan verlesen. Den Auftritt hatte der Moderator damit begründet, er wolle den Unterschied zwischen erlaubter Satire und auch in Deutschland verbotener Schmähkritik erklären. Merkel hatte danach im Gespräch mit dem türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu geäußert, Böhmermanns Text sei „bewusst verletzend“.
Nun versucht der Satiriker im „Zeit“-Interview zu erklären, wie es zu dem Skandal kam. Er habe versucht, seinen Zuschauern „anhand einer knapp vierminütigen satirischen Nummer zu erklären, was eine freiheitliche und offene Demokratie von einer autoritären, repressiven De-facto-Autokratie unterscheidet, die sich nicht um Kunst- und Meinungsfreiheit schert“. Das Gedicht sei „nur ein Teil der Nummer und sollte nicht aus dem Zusammenhangt gerissen und einzeln betrachtet werden“, betonte der Satiriker.
Und dann gibt Böhmermann einen kleinen Einblick in sein Privatleben. Für ihn und seine Familie, die unter Polizeischutz stand, habe der Fall „dramatische und ganz reale Konsequenzen“. Doch können nicht alle das Verhalten Böhmermanns wirklich nachvollziehen.
@böhmermann #böhmermann Mir kommen die Tränen vor Rührung, wer austeilt, muss einstecken können. Diese Heulsuse kann das nicht!
— Dieter Bähre (@DieterBaehre) 3. Mai 2016
Die „Zeit“ sorgt mit dem Interview mit Jan Böhmermann auf jeden Fall für einige Aufregung.
Wenn eine Zeitung „das erste Gespräch mit Jan Böhmermann nach der Schmähgedicht-Affäre“ hat, bewegt mich das eventuell schon zum Kauf…
— Nicole (@diamondsonmars) 3. Mai 2016
Programmhinweis:
Jan Böhmermanns „Neo Magazin Royale“ ist derzeit nicht auf Sendung. Der Moderator hatte wegen des Wirbels um das Schmähgedicht Mitte April eine vierwöchige Fernsehpause angekündigt. Am 11. Mai wird wieder eine Folge von „Neo Magazin Royale“ aufgezeichnet, Sendetermin ist der 12. Mai.