Recep Tayyip Erdogans Kontakte zu Terrororganisationen sind altbekannt. Bisher wurde vom Rest Europas dazu geschwiegen. Nun sind durch eine peinliche Panne in Berlin bekannt geworden, dass die Regierung die Türkei „zur zentralen Aktionsplattform für islamistische Gruppierungen der Region des Nahen und Mittleren Ostens“ hält.

Recep Tayyip Erdogan paktiert bisweilen mit zwielichtigen Gruppen.
Eine peinliche Panne in Berlin
Recep Tayyip Erdogan tanzt mit dem Teufel. Der gefährliche Flirt des türkischen Präsidenten mit gleich mehreren Terroristengruppen kann auf Dauer nicht gut gehen. Diese Einschätzung scheint auch die deutsche Bundesregierung zu teilen. Das geht aus einem vertraulichen Papier hervor, das überraschend an die Öffentlichkeit gelangt ist. Erstaunlich ist weniger der Inhalt. Peinlicher ist, dass es offenbar schwere Abstimmungsprobleme zwischen den Berliner Ministerien gibt und die brisanten Geheimdokumente nicht lange geheim geblieben sind.
Die Türkei spielt eine zentrale Rolle
Nun weiß also die Welt, dass auch der Bundesregierung nicht entgangen ist, dass die Türkei „zur zentralen Aktionsplattform für islamistische Gruppierungen der Region des Nahen und Mittleren Ostens“ geworden ist. Allerdings hat nicht nur Berlin verbissen zu dieser Tatsache geschwiegen. Das kann man verurteilen, für die Zurückhaltung gibt es aber auch gute Gründe. Zum einen spielt die Türkei als Nachbar Syriens, Nato-Partner und Hauptaufnahmeland für Flüchtlinge eine entscheidende Rolle. Zum anderen hoffte der Westen nicht zu Unrecht, durch die engen Verbindungen der Türkei zu den Terroristen an wichtige Informationen im Kampf gegen die Islamisten gelangen zu können. Im Fall der palästinensischen Hamas war man zudem über einen Kommunikationskanal zu der als Terrororganisation eingestuften Gruppe sicher nicht unglücklich. Sie spielt eine zentrale Rolle im Friedensprozess mit Israel. Die Proteste fielen deshalb sehr moderat aus, als die Hamas vor zwei Jahren sogar ihr Parteibüro aus dem umkämpften Damaskus nach Istanbul verlegte.
Selbstüberschätzung und Machtpolitik
Die gefährliche Nähe Erdogans zu den Terrorgruppen speist sich aus einer Mischung aus Selbstüberschätzung und rücksichtsloser Machtpolitik. Glaubte der Präsident wirklich, die Kämpfer des Islamischen Staates (IS) hätten sich in dieser hochexplosiven Situation in der Türkei ewig ruhig verhalten? Der Deal zwischen Erdogan und dem IS war ein offenes Geheimnis: Die Islamisten bekämpfen in Syrien die Kurden und benutzen im Gegenzug die Türkei als Rückzugsraum und Waffenkorridor. Erdogan hoffte, unter anderem so die Autonomiebestrebungen der Kurden im eigenen Land unter Kontrolle halten zu können. Ihren zynischen Höhepunkt erreichte diese Taktik, als der IS die kurdisch-syrische Grenzstadt Kobane Ende 2014 einnahm und die türkische Armee untätig dem Abschlachten der Menschen zusah.
Viele Gegner im eigenen Land
Doch Erdogans perfide Rechnung ging nicht auf, und plötzlich hat er es mit zwei Gegnern im eigenen Land zu tun. Inzwischen reißen Terroristen des IS und der Kurden bei Anschlägen immer wieder zahlreiche Menschen in den Tod. Zwar schwört der Staatschef nach jedem Attentat Rache, doch seine Hilflosigkeit ist augenscheinlich – und könnte zu einem existenziellen Problem für ihn werden. Seine Popularität nährt sich vor allem aus dem ökonomischen Aufschwung der Türkei in den vergangenen Jahren. Wegen der Terroranschläge und des autoritären Regierungsstils Erdogans meiden aber immer mehr Investoren das Land, und die Wirtschaft gerät ins Trudeln.
Russland soll es richten
Der Staatschef sucht nun nach einem Ausweg. Seine Verzweiflung lässt sich daran ermessen, dass er sich wieder Russland andient, das er die vergangenen Monate bei jeder Gelegenheit verteufelte. Urlaubshungrige Russen sollen die am Boden liegende Tourismusindustrie in Schwung bringen. Da ist es zweitrangig, dass der Kreml den syrischen Diktator Baschar al-Assad an die Macht zurückbombt, den Erdogan mit der Unterstützung des IS eigentlich vernichten wollte. Der türkische Präsident zeigt sich gewohnt flexibel und rücksichtslos, wenn es darum geht, seine Ziele zu verfolgen. Eine wichtige Lehre hat er aus seinen Misserfolgen wohl nicht gezogen: Wer mit dem Teufel tanzt, kann sich lebensgefährliche Verbrennungen zuziehen.