Die britische Regierung ist mit dem Brexit völlig überfordert. Das legt ein interner Bericht nahe, aus dem die britische Zeitung „The Times“ zitiert. Das Papier soll von einem Berater des Kabinetts in London verfasst worden sein.

Die Briten haben sich im Mai gegen die EU entschieden.
Zu wenige Beamte, zu wenig Knowhow
Premierministerin Theresa May hat zuletzt immer wieder betont, dass sie Ende März Artikel 50 in Kraft setzen und damit den Ausstieg Großbritanniens aus der Europäischen Union endgültig einleiten werde. Doch scheint dieser Termin nicht zu halten zu sein. Die Regierung brauche noch mindestens ein halbes Jahr und weitere 30.000 Beamte, um eine umsetzbare Brexit-Strategie zu erarbeiten, schreibt die „Times“. Die einzelnen Ministerien hätten schon mehrfach mehr Personal angefordert, doch Schatzkanzler Philip Hammond mache ihnen keine Hoffnung – eher würden durch den rigiden Sparkurs noch Stellen gestrichen. Das zentrale Problem ist, dass Artikel 50 des EU-Vertrages zwar den Rahmen des Ausscheidens vorgibt, die Einzelheiten allerdings nicht geregelt sind. Die EU und Großbritannien betreten also absolutes Neuland.
Hoffen auf mehr Leute
Jedes Ministerium verfüge über eigene Pläne, heißt es in dem internen Papier, aber es gebe „keinen Regierungsplan“. Zudem seien mehrere Minister über die geeignete Brexit-Strategie zerstritten. Die Front verlaufe zwischen den drei Brexit-Befürwortern – Außenminister Boris Johnson, Handelsminister Liam Fox und Brexit-Minister David Davis – auf der einen und Schatzkanzler Philip Hammond und Business-Minister Greg Clark auf der anderen Seite. Die Regierung arbeite gegenwärtig an 500 Projekten, die mit dem Brexit zusammenhängen, heißt es weiter.
Kritik am Deal mit Nissan
Indirekt kritisiert wird auch der Deal mit dem Autohersteller Nissan, dem die Regierung einige Erleichterungen wegen des Brexit in Aussicht gestellt hat. Nun geht in manchen Ministerien die Befürchtung um, dass andere große Unternehmen der Regierung „die Pistole an den Kopf“ halten können, um ähnlich zuvorkommend behandelt zu werden.
Theresa May – keine Team-Playerin
Auch Premierministerin Theresa May bekommt in dem Bericht ihr Fett ab. Die Regierungschefin verliere sich immer wieder in politischen und wirtschaftlichen Detailfragen, heißt es. Außerdem könne May nicht gut delegieren, was bei einem komplexen Thema wie dem EU-Austritt Großbritanniens problematisch sei.
London sieht das alles ganz anders
Die Regierung in London wies den Bericht zurück. „Das ist kein Regierungsbericht und wir erkennen die darin erhobenen Behauptungen nicht an“, sagte ein Sprecher von May. „Wir konzentrieren uns auf die Aufgabe, den Brexit umzusetzen und zum Erfolg zu bringen.“ Das Papier sei nicht von der Regierung angefordert worden. Ein namentlich nicht genannter Autor habe es in „privater Initiative“ erstellt, schreibt die „Times“. Die britische Bevölkerung hatte am 23. Juni in einem Referendum mit knapper Mehrheit für den Ausstieg ihres Landes aus der Europäischen Union gestimmt. Sollte May tatsächlich Ende März den Austrittsprozess starten, blieben Großbritannien noch etwa zwei Jahre Zeit, alles Notwendige in die Wege zu leiten.
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