Die Redakteure von Deutschlandfunk Kultur sind offensichtlich irritiert. „Was bezweckt der Aktionskünstler?“ betiteln sie einen Text über Pjotr Pawlenski. Der im Westen gefeierte Russe hatte zuvor in Paris die Tür einer Bankfiliale angezündet. Doch war es nicht irgendeine Bank, es war die Banque de France. Er wurde wegen Sachbeschädigung verhaftet.
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Akt gegen die Tyrannei
Angeblich, berichtete eine Augenzeugin, will Pawlenski seine Aktion als Akt gegen die Tyrannei verstanden wissen – er wolle damit eine neue Revolution anstoßen. Doch durch seine Tat wird der Aktionskünstler nicht vom Kreml-Kritiker zum Kapitalismus-Kritiker. Pawlenski sei vor allem eines: ein Einzelgänger, der durch seine kompromisslose Art auch in Russland schon einige regierungskritische Intellektuelle gegen sich aufgebracht habe.
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Incendie à la Banque de France : l’artiste russe Pavlenski en détention provisoire https://t.co/HaOdBy4hBR
— Le Parisien (@le_Parisien) 18. Oktober 2017
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Pawlenskis Fassade bekommt Risse
Durch die Aktion in Paris dürfte Pawlenskis öffentliche Fassade noch mehr Risse bekommen haben. Schon im Frühjahr war er selbst im wohlmeinenden Westen in Verruf geraten, als er nach ungeklärten Missbrauchsvorwürfen Russland verließ und in Frankreich politisches Asyl beantragte. Vor einigen Wochen dann erklärte Pawlenski in einem Interview mit der Deutschen Welle, er wohne in einem besetzten Haus und klaue, wie jeder anständige Franzose, sein Essen in Supermärkten.
Keine Verbündete des Westens
Hier zeigt sich ein zentrales Problem: im Westen sehen viele in den Vertretern radikaler Kunst in Russland Verbündete des Westens. Doch für einen Mann wie Pawlenski sind die Mächtigen, das westliche Establishment nicht minder verachtenswert als die Herrscher im eigenen Land.
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Frei, Freier, Freiheit: Wie Künstler Pawlenskij den Kreml zur Weißglut treibt (Friedrich Schmidt) https://t.co/SSjuhY9i2I
— FAZ Feuilleton (@FAZ_Feuilleton) 30. April 2016
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Radikale russische Kunst am Limit
Im Fall Pawlenski zeigt sich auch einmal mehr, dass die radikale russische Kunst außerhalb der restriktiven russischen Rahmenbedingungen nicht funktioniert. Einige Aktivisten der Gruppe Wojna, aus deren Umfeld später Pussy Riot entstanden sind, haben sich schon vor Jahren ins Ausland abgesetzt. Einer von ihnen, Oleg Worotnikow, lebt heute in Tschechien, beschwert sich über die westliche Langeweile, lobt Putin und hofft irgendwann wieder nach Russland zurückkehren zu können. Auch Pussy Riot konnten nach ihrer Freilassung nie an den alten Erfolg, der ihnen zwei Jahre im russischen Gefängnis einbrachte, anknüpfen. Für ihr plumpes Musikvideo, in dem Sie Trump kritisiert, musste Nadeschda Tolokonnikowa, das ehemalige Gesicht von Pussy Riot viel Spott einstecken.
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