Nun wird es also Ernst: die Aufsichtsbehörde Roskomnadsor hat damit begonnen, den in Russland überaus populären Messenger-Diensts Telegram zu sperren. Ob sie damit wirklich Erfolg haben werden, ist allerdings ungewiss.
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Hartes Urteil gegen den Online-Dienst
Grundlage für diesen Schritt ist ein Gerichtsurteil. Die Richter hatten die Blockade von Telegram angeordnet, nachdem der Online-Dienst den russischen Sicherheitsbehörden die Entschlüsselung privater Chats verweigert hatte.
Der russische Sicherheitsdienst FSB fordert Zugang zu einigen verschlüsselten Botschaften und begründet dies unter anderem mit dem Kampf gegen den Terrorismus. Telegram weist dies unter Verweis auf den Schutz der Privatsphäre der Nutzer zurück. Firmengründer Durow verließ das Land 2014, nachdem er unter Druck der Behörden geriet. Er betont seit Jahren, nicht mit dem russischen Staat kooperieren zu wollen.
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Privacy is not for sale, and human rights should not be compromised out of fear or greed. https://t.co/ACsCvk6WFx
— Pavel Durov (@durov) 13. April 2018
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Beliebter Dienst bei 200 Millionen Nutzern
Seit dem Start von Telegram im Jahr 2013 wuchs die Zahl der Nutzer auf über 200 Millionen. Besonders beliebt ist der Dienst wegen seiner starken Verschlüsselung bei politischen Aktivisten, er wurde allerdings auch schon von Extremisten genutzt.
Durow bezeichnet die Sperre als „entlarvend, dass autoritäre Regime (zum Beispiel Russland) versuchen, Telegram wegen der Verschlüsselung zu blockieren“. Telegram halte die Sperrung für „verfassungswidrig“ und werde weiter gegen sie vorgehen.
Im Fall von Telegram stellt sich natürlich angesichts der noch immer funktionierenden Mitkonkurrenten eine entscheidende Frage. Garry Kasparow formuliert sie so:
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If Russia is blocking Telegram for not handing over its encryption keys, does that mean WhatsApp & Skype, which aren’t blocked, have already done so? Have they admitted or denied this? https://t.co/P3qMQPfoCK
— Garry Kasparov (@Kasparov63) 16. April 2018
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Kann die Sperre umgangen werden?
Durow erklärte, das Programm könne die Sperre durch eingebaute Mechanismen zumindest teilweise umgehen. Mit Hilfe geschützter Verbindungen (VPN) könne dies praktisch ganz geschehen. Telegram-Anwalt Pawel Tschikow bezeichnete den Fall als Warnung an alle internationalen Tech-Konzerne, die in Russland Geschäfte machen wollten. Es zeige sich immer wieder, „dass die Gerichte den Interessen der Behörden dienen“.
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Wenn Russland #Telegram verbietet, und #ICQ empfiehlt, dann heißt das:
– daß Telegram derzeit vermutlich(!) sicher ist.
– daß ICQ garantiert unsicher ist.— foo (@Quuux) 16. April 2018
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Der Pressedienst des Kreml unterrichtete die akkreditierten Journalisten am Montag, dass er fortan nicht mehr über Telegram kommuniziere, sondern über den Chat-Dienst ICQ. Der in den 1990-er Jahren entwickelte Dienst befindet sich im Besitz des russischen Onlinekonzerns Mail.ru. Eigentümer ist der Milliardär Alischer Usmanow.
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Beyond Monday’s blocking of @telegram in #Russia head of media watchdog Roskomnadzor plans to request Google Play and Apple’s AppStore to remove the app from their platforms
https://t.co/u5dK9VMY53 pic.twitter.com/R7lHs1fKAK— The Moscow Times (@MoscowTimes) 17. April 2018
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Und Firmengründer Durow legt noch einmal nach:
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“We promised our users 100 percent privacy and would rather cease to exist than violate this promise,” @telegram founder @durov says, thanking Russian users for their loyalty https://t.co/1Y83gynZVw pic.twitter.com/HPQVrfbMIQ
— The Moscow Times (@MoscowTimes) 17. April 2018
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„Die hiesigen Staatsdiener sind nicht unfähig. Sie leben nur verglichen mit ihren chinesischen Kollegen in der Steinzeit. Was sie jetzt tun – das Internet zu zerstören, den gesunden Menschenverstand und das Investitionsklima zunichte zu machen, ist genau das Gegenteil dessen, was China gemacht hat. (…) Aber um es so zu machen wie die Chinesen, müsste man 20 Jahre zurückgehen, Milliarden in eine staatliche russische Firewall investieren und ertragreiche russische Gegenstücke zu den US-Technologiegiganten zu entwickeln.“