Aachener Vertrag – frischer Wind für eine alte Freundschaft?

Die Freundschaft zwischen Frankreich und Deutschland wird nun also neu besiegelt. Der Élyséevertrag, der vor genau 56 Jahren die Aussöhnung der „Erbfeinde“ begründete, bekommt eine Ergänzung durch Bundeskanzlerin Angela Merkel und Präsident Emmanuel Macron.

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Kampf gegen den Nationalismus

Durch den neuen Aachener Vertrag verschränken beide Länder ihre Politik in vielen Bereichen. Es wird gemeinsame Gremien geben, erzielt werden sollen einheitliche Positionen in den zentralen Fragen der Europa-Politik. Das ist ein Erfolg in Zeiten des Nationalismus, der auch in Europa grassiert. Insofern ist der Vertrag ein deutliches Signal an die Welt.

Unterfüttert wird der Vertrag mit einem Abkommen der Parlamente, das eine gemeinsame Kammer und so einen öffentlichen Verhandlungsort der deutsch-französischen Freundschaft vorsieht. Das sind Strukturen, die eine Partnerschaft auch dann noch aufrecht erhalten können, wenn weniger europafreundliche Protagonisten am Werk sind.

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Den großen Zielen Leben einhauchen

Die Protagonisten auf beiden Seiten haben erkannt, sie wichtig es ist, der Beziehung zwischen Berlin und Paris zum Wohle neues Leben einzuhauchen. Aber es reicht nicht, gemeinsame Ziele reichlich schwammig auf 16 Seiten zu formulieren. Probleme gibt es in Europa im Moment genug, doch es fehlen leider allzu oft der Mut und auch der Elan, die Lösungen anzugehen. Da reicht es nicht, die  Neuerrichtung der kriegszerstörten Bahnverbindung Freiburg-Colmar anzugehen oder ein Zukunftskonzept für Fessenheim ohne Atommeiler zu geben. Auch die Forderung nach einem besseren Jugendaustausch und Sprachunterricht ist wohlfeil. Man fragt sich, wo die Impulse bleiben, aus denen sich die Beziehungen zwischen Frankreich und Deutschland neue beleben lassen? .

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Macron hat sich für eine „Neugründung“ Europas stark gemacht, während Angela Merkel schon wesentlich bescheidener für einen „Aufbruch“ plädiert. Nicht ganz zu Unrecht sehen sich die Franzosen von den Deutschen im Stich gelassen. Das beklagen sie vor allem auf dem Feld der gemeinsamen Verteidigungspolitik. Macrons Europa-Armee ist mit den Deutschen nicht zu machen – zu unterschiedliche sind die Ansichten. Berlin will eine starke Armee, will dafür aber nichts ausgeben und will sie nicht einsetzen, heißt es in Paris. In Deutschland wird im Gegenzug die Befürchtung geäußert, deutsche Soldaten könnten in Kriege vor allem in den ehemaligen französischen Kolonien in Afrika zum Einsatz kommen. Hier zeigt sich, weshalb die Franzosen in militärischen Fragen lieber mit den Briten zusammengearbeitet haben.

Wenig Hoffnung für die Zukunft

Auch  machen die vergangenen Monate wenig Hoffnung für die Zukunft. In der Zeit vor der bevorstehenden Europawahl – nach der deutschen Regierungsbildung, der Wahl Macrons und im Streit um den Brexit – hätten für grundlegende Reformen in Angriff genommen werden können. Doch weder Macron noch Merkel hatten die Kraft für einen grundlegenden Umbau der Eurozone, um die Währungsunion zukunftsfest zu machen. Das blieb genauso Stückwerk wie der Versuch, die europäische Spaltung in der Flüchtlingspolitik zu überwinden. Auch in der Wirtschaftspolitik liegen vernünftige Vorschläge auf dem Tisch – doch es wird verwässert und auf die lange Bank geschoben.
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Die Verantwortlichen auf beiden Seiten müssen nun zeigen, dass der neue Vertrag mehr wert ist als das Papier auf dem er steht. Sie müssen auch das Volk vom Wert eines geeinten Europas überzeugen. Das ist eine schwierige Aufgabe in Zeiten des aufkeimenden Nationalismus. In diesem Sinne kommt der Aachener Vertrag zu richtigen Zeit – doch beide Völker müssen nun beweisen, dass sie die großen Ziele zum Wohle Europas auch in die Realität umsetzen wollen und können.

Die deutsche Zarin Angela Merkel

Der tschetschenische Machthaber Ramzan Kadyrow schlägt vor, Wladimir Putin zum Präsidenten auf Lebenszeit zu ernennen – ähnlich wie die „ewige Kanzlerin“ Angela Merkel das mache.

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Kadyrow im Interview mit Interfax

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Auf Instagram und Facebook gesperrt

Ramzan Kadyrow ist ein Autokrat mit vielen ausgefallenen Ideen. So suchte der tschetschenische Machthaber einen Assistenten mit Hilfe einer TV-Show. „Komanda“ (Team) hieß die Sendung. Allerdings war die Idee geklaut – von Donald Trump und dessen „Apprentice“-Show. Gerne lässt Kadyrow die Öffentlichkeit auch an seinem Leben teilhaben. Auf Instagram und Facebook postete er gerne Bilder, wie er Tiger liebkost oder mit Krokodilen kämpft. Diese Art von Mitteilungsbedürfnis teilt er mit  Wladimir Putin. Auch der russische Präsident zeigt sich häufig – möglichst mit nacktem Oberkörper – in Gesellschaft wilder Tiere.

Eine Männerfreundschaft mit Putin

Kadyrow und Putin verbindet also eine Art Männerfreundschaft, die ebenfalls auf vielen Fotos dokumentiert ist. Deshalb hat sich der Mann aus dem Kaukasus Gedanken über die Zukunft des Kreml-Herrschers gemacht. In einem Interview mit der russischen Nachrichtenagentur Interfax regt er an, die Verfassung zu ändern und Wladimir Putin ewig an der Macht zu lassen. Der Grund: zum aktuellen Präsidenten gebe es schlicht keine Alternative.

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In Russland darf ein Präsident nur zwei Amtszeiten absolvieren. Allerdings hat der findige Putin diese Regelung mit einer Taschenspielertrick auch schon umgangen, indem Dimitri Medwedew für einige Jahre als Präsident amtieren durfte, dann aber wieder von Putin abgelöst wurde. Medwedew hat inzwischen wieder seinen alten Job als Ministerpräsident Russlands.

Abenteuerlicher Vergleich mit Angela Merkel

Aber wieso kompliziert, wenn es auch einfach geht, denkt sich offenbar Ramzan Kadyrow. Als Beispiel für ewige Herrscher hat der  tschetschenische Autokrat ein überraschendes Beispiel parat: Angela Merkel. Die mache doch auch einfach immer weiter. „In Deutschland übernimmt Angela Merkel zum vierten Mal den Posten der Kanzlerin“, sagt Kadyrow, „und bei uns soll das nicht möglich sein?“

Nach dieser Aussage stellt sich eine wichtige Frage: Wir Angela Merkel von den Autokraten dieser Welt schon als Ihresgleichen wahrgenommen? Auf jeden Fall schein sie in diesen Kreisen schon den Rang einer deutschen Zarin einzunehmen.

Kein Durchbruch – nirgendwo

Selbst Optimisten konnten keinen Erfolg verkünden. Das Treffen zwischen Angela Merkel und Wladimir Putin in Sotschi brachte keinen Durchbruch. Wichtig war allein das Signal, dass beide Seiten wieder öffentlich miteinander reden.

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Putin bewegt sich nicht

Tatsache ist, dass sich der russische Präsident in den zentralen Punkten nicht bewegte. Der Krieg in der Ostukraine, der von Russland schnell beendet werden könnte, tobt weiter und der Rubel ist dort längst offizielles Zahlungsmittel. Von der völkerrechtswidrigen Annexion Krim gar nicht zu sprechen. Gleichzeitig beharrt der Westen weiter auf die Umsetzung des Minsker Abkommens.

Tiefes Misstrauen zwischen Putin und Merkel

Wie tief das Misstrauen zwischen den beiden Staaten inzwischen ist, zeigen die auch von der deutschen Regierung geäußerten Mutmaßungen, dass russische Hacker in den Wahlkampf in Deutschland eingreifen könnten. Merkel hat in Sotschi deutlich gemacht, dass Berlin gegen jegliche Form der Einmischung „entschieden vorgehen“ werde.

Ein gordischer Knoten

Die Probleme sind inzwischen so vielfältig und so verworren, dass in absehbarer Zeit keine Entspannung möglich scheint. Also muss man sich mit dem geringen Erfolg bescheiden, dass sich Merkel und Putin überhaupt getroffen haben.

 

Hier noch eine Einschätzung der linksliberalen slowakischen Tageszeitung „Pravda“:

„Beide brauchen einander, aber beide erwarten für eine Haltungsänderung jeweils eine Gegenleistung der anderen Seite. Wladimir Putin braucht Angela Merkel auf seiner Seite, wenn es um die Wirtschaftssanktionen gegen Russland geht. Zwar entscheidet auf europäischer Ebene über die Sanktionen formell die ganze EU, aber die Kanzlerin als eine der härtesten Befürworterinnen spielt eine Schlüsselrolle dabei. Ohne Merkels Willen kommt Putin zu keiner Lockerung. Umgekehrt braucht Merkel die Unterstützung von Wladimir Putin bei der Lösung der Syrien-Krise. Ein Friede in Syrien wäre zweifellos ein weit nützlicherer Schritt zur Lösung des Flüchtlingsproblems als jede zweifelhafte Vereinbarung mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan.“

Putins Provokation in Berlin

Wladimir Putin ist ein Meister der provokativen Symbolik. So ist auch der Auftritt von Wladislaw Surkow zu interpretieren. Der Berater des Kremlchefs ist von der Europäischen Union im Zuge der Sanktionen wegen der Ukraine-Krise 2014 mit einem Einreiseverbot belegt worden – und saß nun bei den Ukraine-Gesprächen in Berlin mit am Verhandlungstisch.

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Der „Gesandte Gottes“

Der frühere Vizeregierungschef Surkow hatte damals auf den Bannspruch der EU ironisch mit den Worten reagiert: „Es ist eine große Ehre.“ Für den Gipfel bekam Surkow eine Ausnahmegenehmigung – und durfte neben Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier Platz nehmen. Surkow gilt als „Putins Mann fürs Feine“ und soll die russische Einverleibung der ukrainischen Halbinsel Krim 2014 wesentlich mit eingefädelt haben. Der oft als Meister raffiniert gesponnener Intrigen beschriebene 52-Jährige steht dem Kremlchef seit Jahren treu zur Seite. Surkow lobpreiste Putin einmal als „Gesandten Gottes“.

 

 

Merkel ist provokationserprobt

Merkel kennt solche Provokationen. Für sie war die Einladung Putins nach Berlin – die erste seit vier Jahren – eine Gratwanderung. Einerseits wollte sie den Gesprächsfaden mit Russland nicht abreißen lassen. Andererseits weiß sie, dass Putin solche Treffen gerne zur Image-Verbesserung nutzt. Trotzdem bereut Merkel die sechs Stunden mit Putin in Berlin nicht. „Es ist dringend notwendig, immer wieder solche Treffen zu machen, um das Momentum nicht zu verlieren“, lautet ihr Fazit. Sie fügt aber noch hinzu: „Es ist ein dickes Brett, das zu bohren ist.“

Und das hält die ukrainische Seite von der Anwesenheit Surkows. Hier der Link zu Ukraine Today.

CDU-Politiker für Koalitionen mit AfD

Der CDU-Europaabgeordnete Hermann Winkler hat sich für Koalitionen mit der AfD auf Landes- und Bundesebene ausgesprochen. „Wenn es eine bürgerliche Mehrheit gemeinsam mit der AfD gibt, sollten wir mit ihr koalieren. Sonst steuern wir auf eine linke Republik zu“, sagte Winkler der Zeitschrift „Super Illu“.

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Das Facebook-Profil des Europaabgeordneten Winklers

Vergleich mit der SPD

Wenn die SPD Bündnisse mit der Linkspartei eingehe, könne dies die CDU künftig auch mit der AfD. „In Sachsen-Anhalt hätte das schon Sinn gemacht“, fügte er mit Blick auf die Landtagswahl vom März hinzu.

Die Grünen-Vorsitzende Simone Peter kritisierte das scharf: „Die Unionsdämme brechen weiter. Ekelhaft“, schrieb sie im Internet-Kurzmitteilungsdienst Twitter.

Winkler unterstützt Seehofer

Im Streit zwischen seiner Parteichefin, Kanzlerin Angela Merkel, und dem CSU-Chef Horst Seehofer unterstütze Winkler den bayerischen Ministerpräsidenten. „Deutschland kann nicht alle Flüchtlinge dieser Welt aufnehmen. Deswegen gibt es schon eine faktische Obergrenze. Wer das bestreitet, verkennt die Realität“, sagte der aus Sachsen stammende Sprecher der ostdeutschen CDU-Europaabgeordneten.

Die Sicht des Professors

Nach Ansicht von Marcel Lewandowsky, Dozent an der Helmut Schmidt Universität in Hamburg, ist die Dämonisierung der AfD allerdings der falsche Weg, um sich mit der Partei auseinander zu setzen. Aus „gesinnungsethischer Perspektive“ sei das verständlich, sagte der Experte für Rechtspopulismus, führe aber zu einer Stigmatisierung und spiele der Partei in die Hände. Lewandowsy und andere Fachleute diskutieren in diesen Tagen auf einer Veranstaltung der Landeszentrale für Politische Bildung über den Umgang mit dem Rechtspopulismus.

Keine Patentrezepte

Einen Lösungsvorschlag für den richtigen Umgang mit der AfD hat der Dozent allerdings nicht. „Es gibt keine Patentrezepte.“ Er glaubt aber, dass wahrscheinlich jene Strategie am erfolgreichsten ist, die „vielen auch am unangenehmsten sein wird“: die Einbindung in die politische Arbeit. Wenn Populisten in die Verantwortung genommen werden, erklärt Lewandowsky, verlören sie in der Regel schnell an Zuspruch.

Die Parlamentspräsidentin hält dagegen

Dieser Schritt kommt für Landtagspräsidentin Muhterem Aras allerdings auf keinen Fall in Frage. „Es geht um den Zusammenhang in der Gesellschaft“, stellte sie zu Beginn der Veranstaltung klar – ohne die AfD immer beim Namen zu nennen. Es werde immer deutlicher, dass es in Deutschland nun eine Partei gebe, die „menschenverachtenden“ Einstellungen eine Plattform gebe. Dagegen anzugehen sei nicht nur eine Aufgabe des „wehrhaften Parlaments“, sondern der ganzen Gesellschaft.

Eine Visite mit Symbolwert

Es ist eine Premiere. Angela Merkel besucht als erste Regierungschefin der Bundesrepublik das kleine Kirgistan.  Manche fragen sich, was das soll – doch die Visite hat einen hohen symbolischen Wert.

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Eine wichtige Zwischenstation

Das eigentliche Ziel der Reise Angela Merkels ist eine anderes. Sie will nach Ulan Bator, dort findet der Asien-EU-Gipfel statt. Doch sie nutzt einen kleinen Zwischenstopp auf dem weiten Weg in die Mongolei, um ein kleines Zeichen zu setzen. Mit ihrem Besuch in Kirgistan ist eine Anerkennung dafür, dass sich das Land als einzige parlamentarische Demokratie in der ganzen Region behauptet.

Von westlichen Demokratiestandards ist das Steppenland allerdings noch immer weit entfernt. Unter den anderen zentralasiatischen Ländern, die vor allem durch Korruption und autoritäre Herrscher von sich reden machen, ragt das seit 1991 unabhängige Kirgistan allerdings wohltuend hervor.

Ein Pony zwischen Elefanten

„Ein kleines friedliebendes Pony zwischen zwei Elefanten“, hat Präsident Tsakhia Elbegdorj die Lage seines Landes zwischen China und Russland einmal beschrieben. Noch klappt dies: So haben die Parlamentswahlen in der Mongolei gerade einen bisher friedlichen Machtwechsel gebracht. In Kirgisistan wiederum habe das Parlament in Bischkek im April sogar ein Gesetz zur schärferen Kontrolle von Nichtregierungsorganisationen gestoppt, lobt Merkel. Die deutsche Regierungschefin hat sich denn auch demonstrativ mit Mitgliedern der Zivilgesellschaft getroffen.

 

INFO zu Kirgistan:

Kirgistan ist das zweitkleinste zentralasiatische Land, mit 200.000 Quadratkilometern aber trotzdem mehr als halb so groß wie Deutschland. Es ist allerdings wesentlich dünner besiedelt: Nur knapp sechs Millionen Menschen leben hier, ein Drittel von ihnen ist nach Angaben der UN jünger als 15 Jahre.

Etwa 80 Prozent der Einwohner sind sunnitische Muslime, acht Prozent russisch-orthodoxe Christen. Kirche und Staat sind in Kirgistan aber getrennt. Hauptstadt ist Bischkek, das zu sowjetischer Zeit noch Frunse hieß – benannt nach einem General. Fast das gesamte Land ist gebirgig. Der höchste Berg ist der 7439 m hohe Dschengisch Tschokusu, der als „nördlichster Siebentausender der Welt“ gilt. Das Land verfügt über Bodenschätze wie Gold, Kohle, Öl oder Kupfer. Trotzdem ist die wirtschaftliche Lage vieler Kirgisen schlecht, jeder Dritte lebt unterhalb der Armutsgrenze.

 

Von Russland abhängig

Kirgistan liegt nicht nur zwischen zwei Elefanten, das Verhältnis zu seinen Nachbarn ist auch nicht ganz spannungsfrei. Mit seinen knapp sechs Millionen Einwohnern ist das Land stark von Russland abhängig. Im vergangenen Jahr hat Moskau seine Macht spielen lassen und das Land in die von Russland kontrollierte eurasiatische Wirtschaftsunion gewzungen – obwohl dies etwa den Handel des rohstoffarmen Staates mit China erschwert. Die Überweisungen der in Russland arbeitenden Landsleute machen fast ein Drittel der Deviseneinnahmen des Landes aus. Auf russischen Druck musste 2014 die letzte US-Militärbasis in dem Land schließen.

Angespanntes Verhältnis zu Russland

Dennoch bleibt das Verhältnis zu Russland schwierig: Gerade erst sind russische Firmen aus wichtigen Wasserprojekten ausgestiegen, die für die Stromerzeugung Kirgisistans sehr wichtig wären. Deshalb schielt Präsident Atambaew nun nicht nur auf Investoren aus China, sondern auch aus Europa. Merkel versicherte er, dass sein Staat seit der ethnischen Unruhen 2010 „beim Aufbau eines freien demokratischen Landes“ sei.

Die demokratischen Reformen in Kirgisistan sind allerdings auch eine Art Selbstschutz. Der Präsident warnt immer wieder, dass wenn in der Region die Demokratie nicht Fuß greifen werde, in Zentralasien ein neues Afghanistan entstehen könnte. Die Angst vor einem Erstarken der Extremistenmiliz IS ist  mittlerweile auch in Zentralasien sehr groß. Einige der Attentäter von Istanbul sollen der in Kirgisistan lebenden usbekischen Minderheit angehören – die immer noch über erhebliche Diskriminierung klagt.

 

Deutschland hat wenig zu bieten

Tatsache aber ist, dass Deutschland außer warmen Worten und einigen kleinen Förderprojekten kaum etwas zu bieten hat. Der Wert des deutschen Handels mit dem Land liegt gerade einmal im dreistelligen Millionenbereich und rangiert damit auf Platz 146 der 200 Länder zählenden Rangliste. Also spricht Merkel über Chancen für Mittelständler, Entwicklungshilfeprojekte etwa im Gesundheitssektor. Möglicherweise könne die Kreditanstalt für Wiederaufbau mehr tun. Steinmeier erhöhte die Förderung für die 2002 gegründete OSZE-Akademie in Bischkek, die das Denken zentralasiatischer Diplomaten in friedlicher Konfliktlösung fördern soll.

Präsident Atambajew sprach sich bei dem Merkel-Besuch für eine gemeinsame Wirtschaftszone von Lissabon im Westen der EU bis Wladiwostok im Osten Russlands aus. Das war auch einmal eine Idee des Kremls – liegt unter den aktuellen Bedingungen für alle Beteiligten allerdings im Reich der Wunschträume.

 

Kirgistan, Kirgisistan, Kirgisien?

Für Verwirrung sorgt die Tatsache, dass es vier verschieden Namen für das Land gibt. Die meisten deutschen Medien verwenden die Bezeichnung Kirgistan. Das Auswärtige Amt gönnt sich noch eine Silbe mehr und nennt den Staat Kirgisistan. „Es gibt kein Richtig und kein Falsch“, sagt Beate Eschment, Herausgeberin der „Zentralasien-Analysen“. Beides sei korrekt. Hinzu komme noch Kirgisien, was aber nur sehr selten genutzt wird. Die Botschaft des Landes selbst verwendet alle drei Namen – und außerdem noch den offiziellen: „Kirgisische Republik“.

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Hier der Link zur Berichterstattung der Bundesregierung

Böhmermann – der deutsche Ai Weiwei?

Ein Lebenszeichen von Jan Böhmermann – und der Weg ist ganz old-school. Nicht über Facebook oder Twitter hat sich der ZDF-Satiriker zu Wort gemeldet, sondern völlig traditionell. Er hat dem Wochenmagazin ein Interview gegeben – und geht dabei mit der Kanzlerin Angela Merkel hart ins Gericht.

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Der deutsche Ai Weiwei

Der Skandal um sein Erdogan-Schmähgedicht hat Böhmermann offensichtlich härter getroffen, als viele erwartet haben. Die Kritik an Merkel könnte nicht bissiger sein.  „Die Bundeskanzlerin darf nicht wackeln, wenn es um Freiheit und Menschenrechte geht“, sagte Böhmermann. „Doch stattdessen hat sie mich filetiert, einem nervenkranken Despoten zum Tee serviert und einen deutschen Ai Weiwei aus mir gemacht.“

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Er fühle sich in seinem Glauben daran erschüttert, „dass jeder Mensch in Deutschland ein unverhandelbares, unveräußerliches Recht auf gewisse Grundrechte hat: die Freiheit der Kunst und die Freiheit der Meinungsäußerung“, sagte der 35-Jährige, der das Gedicht nach eigenen Angaben nicht selbst verfasst hat. Am allermeisten habe er sich über die Tatsache amüsiert, „dass die Chefin des Landes der Dichter und Denker offenbar nicht einen Moment über das Witzgedicht und besonders seine Einbindung nachgedacht hat, bevor sie sich mit ihrem öffentlichen Urteil blamiert hat“.

Gedicht mit Beschimpfungen

Der Grund für den Skandal braucht inzwischen eigentlich kaum mehr erklärt zu werden. Böhmermann hatte in seiner bei ZDFneo ausgestrahlten Sendung „Neo Magazin Royale“ am 31. März ein Gedicht mit Beschimpfungen des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan verlesen. Den Auftritt hatte der Moderator damit begründet, er wolle den Unterschied zwischen erlaubter Satire und auch in Deutschland verbotener Schmähkritik erklären. Merkel hatte danach im Gespräch mit dem türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu geäußert, Böhmermanns Text sei „bewusst verletzend“.

Nun versucht der Satiriker im „Zeit“-Interview zu erklären, wie es zu dem Skandal kam. Er habe versucht, seinen Zuschauern „anhand einer knapp vierminütigen satirischen Nummer zu erklären, was eine freiheitliche und offene Demokratie von einer autoritären, repressiven De-facto-Autokratie unterscheidet, die sich nicht um Kunst- und Meinungsfreiheit schert“. Das Gedicht sei „nur ein Teil der Nummer und sollte nicht aus dem Zusammenhangt gerissen und einzeln betrachtet werden“, betonte der Satiriker.

Und dann gibt Böhmermann einen kleinen Einblick in sein Privatleben. Für ihn und seine Familie, die unter Polizeischutz stand, habe der Fall „dramatische und ganz reale Konsequenzen“. Doch können nicht alle das Verhalten Böhmermanns wirklich nachvollziehen.

 

 

Die „Zeit“ sorgt mit dem Interview mit Jan Böhmermann auf jeden Fall für einige Aufregung.

 

Programmhinweis:

Jan Böhmermanns „Neo Magazin Royale“ ist derzeit nicht auf Sendung. Der Moderator hatte wegen des Wirbels um das Schmähgedicht Mitte April eine vierwöchige Fernsehpause angekündigt. Am 11. Mai wird wieder eine Folge von „Neo Magazin Royale“ aufgezeichnet, Sendetermin ist der 12. Mai.

Hier geht es zum Teaser des „Zeit“-Interviews