Die schmutzige Seite der Stadt der Liebe

Paris hat den Ruf, die schönste Stadt der Welt zu sein. Doch ist sie auch die sauberste? Unter dem Hashtag #saccageParis veröffentlichen Internetnutzer in diesen Tagen Fotos von hässlichen und verdreckten Ecken in der Stadt der Liebe und des Lichts.

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Sieht nicht wirklich appetitlich aus – das Bassin de la Villette in Paris

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Eine Oase in Paris – eine schmutzige Oase

Das alte Hafenbecken Bassin de la Villette ist eine der wohltuenden Oasen in Paris. Abseits vom Strom der Menschen in der Millionenmetropole finden dort im 19. Arrondissement die Einwohner etwas Ruhe und Erholung. Im Sommer wird sogar ein großes Schwimmbecken versenkt, in dem sich Kinder und Erwachsen in den heißen Monaten abkühlen können. Doch die städtische Idylle ist getrübt: im Hafenbecken treiben ständig Unmengen von Abfall im Wasser.

Viele Bewohner von Paris wollen nun die Verschmutzung ihrer Stadt nicht mehr hinnehmen. In den sozialen Netzwerken formiert sich eine Bewegung, die unter dem Hashtag #saccageParis (verwüstetes Paris) die dreckigen und unansehnlichen Seiten der Metropole zeigen.

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Von der Wut gepackt und dann getwittert

Anstoß für die Aktion „ParisPropre“ (Sauberes Paris) gab ein Internet-Nutzer, der unter dem Pseudonym „PanamePropre“ auf Twitter unterwegs ist. Angesichts der langsam unhaltbaren Zustände habe ihn schlicht die Wut gepackt, erklärt er gegenüber der Tageszeitung „Le Parisien“. Eine Schuldige hat er bereits ausgemacht. „Ich lebe seit zwanzig Jahren in Paris und habe gesehen, wie sich die Stadt seit der Machtübernehme von Anne Hidalgo an der Spitze des Rathauses verschlechtert hat.“ Diese Entwicklung sei schon seit einiger Zeit sichtbar, die Situation habe sich aber in den vergangenen Monaten dramatisch verschlechtert. Überall seien Graffitis an den Wänden, wilde Plakate, defekte Verkehrszeichen, kaputte Straßen. „Ich habe aufgehört, mich daran gewöhnen“, erklärt „PanamePropre“, „als mir die Ausmaße der Zerstörungen klargeworden sind.“

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Ein Aktivist ohne politischen Absichten

Er verfolge keine politischen Absichten, versichert der Internet-Aktivist, dennoch wird die Aktion nun von der politischen Konkurrenz der sozialistischen Bürgermeisterin befeuert. Das hängt auch damit zusammen, dass sich Anne Hidalgo als mögliche Präsidentschaftskandidatin für das kommende Jahr in Stellung bringt. So spottete Marine Le Pen, Chefin des extrem-rechten Rassemblement National: „Die Verschlechterung unserer schönen Hauptstadt durch das Hidalgo-Team ist ein nationales Leid“. Und auch Rachida Dati, Chefin der konservativen Les Républicains in Paris und selbst mögliche Präsidentschaftskandidatin, wird nicht müde, auf die „überwältigenden Fotos“ hinzuweisen, die das Missmanagement der Sozialistin dokumentieren sollen.

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Hilfe für die bedrängte Bürgermeisterin

Aber Anne Hidalgo hat auch ihre Fans, die sich längst formiert haben. Sie posten unter dem Hashtag #saccageParis auf Twitter Fotos von schönen Ecken der Stadt und vor allem von Projekten, die unter der Bürgermeisterin in den vergangenen Jahren realisiert wurden. Viel Grün ist auf diesen Fotos zu sehen und Straßen an der Seine, die einst von Autos beherrscht wurden und auf denen nun Fußgänger in der Sonne lustwandeln. Die Bürgermeisterin selbst, die auf Twitter in der Regel sehr aktiv Werbung für ihre Auftritte macht, hat sich bisher noch nicht zu Wort gemeldet. Es scheint, dass sie diesen Shitstorm schlicht aussitzen will.

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Vom Erfolg völlig überrascht

Schließlich meldet sich noch einmal „PanamePropre“ zu Wort. Er sei vom Erfolg der Aktion völlig überrascht worden, schreibt er. Die Zustände könnten schlicht nicht mehr hingenommen werden, es sei an der Zeit Stop zu sagen!

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Zu viele Frauen in Führungspositionen – Paris muss Strafe bezahlen

Anne Hidalgo ist stolz auf eine Strafe. Die Bürgermeisterin von Paris hat im Jahr 2018 zu viele Führungsposten mit Frauen besetzt. Aus diesem Grund muss die Stadt nun 90.000 Euro berappen, das hat das Ministerium für den Öffentlichen Dienst beschlossen.

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Unterstützung aus den USA

Die Unterstützung für Anne Hidalgo kommt sogar aus den fernen USA. Hillary Clinton hat einen Bericht des britischen „Guardian“ auf ihrem Twitter-Account geteilt, in dem die Strafe für Anne Hidalgo thematisiert wurde. Mit großer Freude wurde der Clinton-Tweet von Hidalgo dann mit einem dicken Like versehen.

Publik gemacht hatte die Strafe Anne Hidalgo selbst. Während einer Sitzung des Stadtrates informierte sie die Mitglieder:

“Je vais me réjouir aujourd’hui que nous ayons été condamnés à une amende.”

Anne Hidalgo

Gesetzt ist nun einmal Gesetz

Viele glaubten an einen Witz, dem war aber nicht so. Ganz genau geht es darum, dass im Jahr 2018 exakt 69 Prozent der Führungsposten in Paris mit Frauen besetzt wurden – nur fünf Männer kamen zum Zug. In der Sitzung erklärte die Bürgermeisterin allerdings, dass sie in dieser Sache auch nicht zu Späßen aufgelegt sei. Die Strafe sei „offensichtlich absurd“ und außerdem ungerecht, unverantwortlich und gefährlich. „Wir müssen Frauen mit Entschlossenheit und Konsequenz fördern, denn der Rückstand ist überall in Frankreich noch sehr groß“, betonte die Bürgermeisterin.

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Eine „absurde“ Regelung

Besonders delikat wird sie Sache auch, dass die Strafe vom Ministerium für den Öffentlichen Dienst verhängt wurde. Die zuständige Ministerin Amélie de Montchalin stellte sich aber sofort auf die Seite von Hidalgo und sprach von einer „absurden“ Regelung. Die Sache der Frauen habe etwa Besseres verdient, schrieb sie auf Twitter.

Allerdings haben die Beamten im Amt rechtlich richtig gehandelt. Denn die Strafe geht auf ein Gesetz zurück, dass große Städte dazu verpflichtete, bei der Vergabe von Führungsposten mindestens 40 Prozent jedes Geschlechts zu berücksichtigen. Im Jahr 2019 wurde das Gesetz allerdings geändert und sieht Straffreiheit vor, wenn es insgesamt keine Ungleichheit bei den Führungsposten gibt. Die Strafe für die Stadt Paris bezieht sich aber auf die Ernennungen im Jahr 2018 und muss daher noch gezahlt werden.

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Das hat auch die zuständige Ministerin Amélie de Montchalin erkannt und forderte aus diesem Grund: „Ich möchte, dass die von Paris für 2018 gezahlte Strafe zur Finanzierung konkreter Maßnahmen zur Förderung von Frauen im öffentlichen Dienst verwendet wird.“ Nach Angaben aus der Stadtverwaltung sind bei der Stadt Paris derzeit knapp die Hälfte der leitenden Angestellten Frauen.

Tempo 30 für Paris?

Anne Hidalgo sorgt wieder einmal für Aufregung. Die Bürgermeisterin von Paris will eine Geschwindigkeitsbegrenzung für die ganze Stadt. Autos sollen in Zukunft nur noch 30 km/h fahren dürfen. Auf der Stadtautobahn sollen 50 km/h erlaubt sein. Das Ziel für Paris: die Lebensqualität verbessern. Da Ziel für Anne Hidalgo: ihre Wiederwahl als Bürgermeisterin am 28 Juni.

 

20.06.16-Tempo 30

Weniger Autos – weniger Hektik

In der Bäckerei am Place Victor Hugo im schicken 16. Arrondissement von Paris herrscht überraschende Einigkeit. Die Idee mit der Geschwindigkeitsbegrenzung sei eine gute Sache. Man habe dann mehr Ruhe in der Stadt, weniger Hektik, heißt es immer wieder. Vor allem eine ältere Dame ereifert sich, allerdings würde sie gerne alle Autos aus der Stadt verbannen. Einen eigenen Wagen hat sie nicht, sie nimmt immer den Bus, da sie die steile Treppe hinunter zur Métro nicht mehr schaffe. Einen Aufzug gibt es dort nicht. Aber im Grunde bleibe sie sowieso lieber im Viertel.

20.06.16-Karta

In diesen Zonen der Stadt gilt bereits Tempo 30 – die Karte stammt von „Le Parisien“

 

Ein jüngerer Mann erklärt, dass es sich in den vergangenen Wochen während der Ausgangssperren wegen der Corona-Krise gezeigt habe, dass man auch ohne Auto zurechtkomme. Er hat sich ein Fahrrad gekauft und wäre auch froh, wenn der Autoverkehr „entschleunigt“ würde. Seinen Wagen nimmt er nur noch ab und an.

 

Verlierer sind die Einwohner der Vororte

Wer sich über die Idee aufregt, wohnt vor allem in den Vororten, den berühmten Banlieue von Paris. Diese Menschen sind oft auf ihren Wagen angewiesen, um in die Stadt oder einen anderen Vorort zu kommen. Zwar nehmen auch von diesen Bewohnern viele die Nahverkehrszüge und die Métro, die die Menschen jeden Morgen zu Millionen ins Zentrum schaufeln, doch ist das System hoffnungslos überlastet. Sie würden vor allem davon getroffen, wenn auf der Stadtautobahn eine Geschwindigkeitsbegrenzung eingeführt würde. Allerdings steht dort der Verkehr fast jeden Tag am Abend und am Morgen auf Hunderten von Kilometern. Die freie Fahrt für freie Franzosen ist auch dort nur Wunschdenken.

Anne Hidalgo will weniger Verkehr in Paris

Es ist nicht das erste Mal, dass Anne Hidalgo mit einem Vorschlag in Sachen Verkehrsberuhigung für Aufregung sorgt. Sie hat die Straße entlang der Tuilerien sperren lassen und Radspuren angelegt, musste sie dann aber wieder zumindest teilweise öffnen, weil sie nach Ansicht eines Gerichtes eigenmächtig gehandelt hat. Während der Corona-Pandemie hat die amtierende Bürgermeisterin rund 50 Kilometer Radwege im Stadtzentrum angelegt – und auch dafür hat sie dem Autoverkehr Spuren abgezwackt. So ist die Rue Rivoli inzwischen eine Einbahnstraße und nur noch für Busse und Taxis frei – drei Spuren wurden für Radfahrer freigemacht.

Generell wurden vor allem Radwege von den Métro-Stationen am Stadtrand in Richtung Stadtmitte angelegt. Die Aktion wurde so gut angenommen, dass Anne Hidalgo überlegt, diese provisorischen Radwege auf Dauer anzulegen. Nun also Tempo 30!

 

 

Das Kalkül der Bürgermeisterin

Das Kalkül der Bürgermeisterin ist ziemlich durchsichtig. In Paris besitzt weit über die Hälfte der Haushalte kein eigenes Auto mehr. Wenn sie für Ruhe, grüne Plätze und weniger Verkehr sorgt, trifft sie den Nerv vieler gestresster Einwohner der Millionenmetropole. Ähnlich agiert sie, wenn es um die Begrenzung des Tourismus in der Stadt geht. Die von Anne Hidalgo angestrebten rigiden Restriktionen für den Wohnungsvermittler Airbnb werden von den meisten Parisern begrüßt. Die Preise für die Wohnungen in Paris sind nicht zuletzt werden solcher Agenturen in astronomische Höhen geschossen. Die Chancen auf eine zweite Amtszeit stehen für Anne Hidalgo nicht schlecht.