Mit Hoffnung gegen den Terrorismus

Der Terrorismus muss an der Wurzel bekämpft werden. Polizei alleine reicht nicht. Entscheidend ist, den Menschen ihre Hoffnung wieder zu geben.  

15.11.14-paris-terror

Kühlen Kopf bewahren

Nein – der Westen (was immer das sein mag) befindet sich nicht im Krieg gegen den Islam. Auch nicht umgekehrt. Die Terroristen, die in Paris über 100 Menschen in den Tod gerissen haben, mögen diese Sichtweise vertreten haben. Aber sie ist falsch. Und wir sollten uns hüten, eben diese Sichtweise zu übernehmen – es wäre ein kleiner Sieg der blindwütigen Islamisten. Allerdings: Die Pegida-Aufmärsche und der Blick in Twitter oder Facebook lässt erahnen, dass längst auch viele „Verteidiger des Westens“ sich in einem irgendwie gearteten Kriegszustand sehen.

Auch wenn es in dieser Situation schwer fällt, wichtig ist es, die Frage nach dem Warum mit kühlem Kopf zu beantworten und dann auch endlich die Konsequenzen aus den Antworten zu ziehen. Das wird schwer, denn es kommen einige sehr unangenehme Wahrheiten ans Licht.

Erschreckend wenig erreicht

Die erste Wahrheit ist: wir haben im Kampf gegen den Terrorismus erschreckend wenig erreicht. Nach den Anschlägen auf Charlie Hebdo waren alle relevanten Stellen vorgewarnt – wie konnte so ein Anschlag wie nun in Paris dann noch passieren? Das ist eine Frage, die nun die Politik und die Sicherheitskräfte beantworten müssen.

Und doch gibt es noch eine ganz andere Frage. Sie geht viel weiter und betrifft die Ursachen der Probleme. Die Spirale der Gewalt und des Hasses scheint sich bei den südlichen Nachbarn der EU immer schneller zu drehen. Mit den Anschlägen in Paris muss die europäische Gesellschaft erkennen, dass sie die Folgen von Diktatur und Chaos nicht länger ignorieren kann.

Die großen Hoffnung sind zerstoben

Die großen Hoffnungen des Arabischen Frühlings sind nun endgültig zerstoben. Europa beobachtet staunend und zunehmend hilflos die Entwicklung. Den Weg der Radikalsierung und Dämonisierung zu gehen hieße, in alte Verhaltensmuster zu verfallen. Angesichts der Entwicklung ist es aber an der Zeit, neue Ansätze zu wählen. Es ist an der Zeit, den Islamismus an der Wurzel zu bekämpfen. Das heißt aber auch, dass wir die Menschen in der Region endlich Ernst nehmen. Bisher war vor allem der arabische Raum vor allem eine Frage des Öls – die Demokratie stand nie im Vordergrund. Diktaturen wurden von uns akzeptiert und sogar unterstützt. Ist es verwunderlich, wenn die jungen Menschen in jenen Staaten mit ihrem Glauben an die Demokratie auch ihre Hoffnung verlieren und sich radikalen Kräften zuwenden?

Es gilt also, den Menschen ihre Hoffnung wieder zu geben. Das ist eine schwierige Aufgabe, sie ist aber die einzige Chance, den Terrorismus zu bekämpfen – und auch den Flüchtlingsstrom zu stoppen. Beides liegt im ureigenen Interesse Europas und der Menschen in der arabischen Welt.

Trauern geht auch so: Dieser Pianist hat kurzerhand sein Klavier mit dem Fahrrad zum ‪#‎Bataclan‬-Theater geschleppt und spielt für die Anwesenden «Imagine» von John Lennon.

 

Russland schafft in Syrien Fakten

Noch vor einigen Wochen rechneten viele mit einem nahen Ende der Ära Assad in Syrien. Die syrische Armee nahm einen Rückschlag nach dem anderen hin. Und der Staatschef Baschar al-Assad gab offen zu, dass es seinen Truppen an Schlagkraft fehle. Nun aber ist Assad wieder erstarkt – dank russischer Hilfe.

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Das Zögern der Gegner

Moskau griff am Mittwoch erstmals mit Luftangriffen in den seit 2011 wütenden Bürgerkrieg in Syrien ein. Zur Bekämpfung des „internationalen Terrorismus“ müssten die Islamisten in Syrien „bekämpft und zerstört“ werden, sagte der russische Präsident Wladimir Putin in einer Fernsehansprache. Russlands staatsnahe orthodoxe Kirche gab dem Militäreinsatz ihren Segen und sprach gar von einer „heiligen Schlacht“. Westliche Experten führen Assads Comeback außer auf Russlands Unterstützung auf die Uneinigkeit und Zögerlichkeit seiner Gegner zurück.

„Die Russen und Iraner haben viel mehr eingesetzt als der Westen, sie sind aktiv, unnachgiebig und kompromisslos geblieben, während die Gegner des Assad-Regimes keine klare Strategie hatten und einen hohen Preis für ihre Versuchs- und Irrtumstrategie bezahlt haben“, meint Karim Bitar vom Institut für Internationale und Strategische Beziehungen in Paris.

Russland schafft Fakten

Russland hat schon in den vergangenen Wochen Fakten geschaffen und ein starkes Militäraufgebot nach Syrien geschickt, darunter Panzer, Artillerie, Kampfbomber, Drohnen und Soldaten. Der Westen rückt inzwischen zunehmend von der Forderung nach einem sofortigen Abtritt Assads ab. Die Einsicht macht sich breit, dass mit der syrischen Regierung wohl zumindest verhandelt werden muss, um die Gewalt in dem Land zu beenden.

Die Euphorie im Westen ist gewichen

Assad ist der einzige autokratische Machthaber in der Region, der den „arabischen Frühling“ bislang überstanden hat. Inzwischen ist die Euphorie im Westen und in vielen arabischen Ländern über einen demokratischen Weg durch die „Arabellion“ gewichen. In Libyen machten sich nach dem Nato-Krieg gegen den langjährigen Machthaber Muammar al-Gaddafi 2011 gewalttätige Islamisten breit. „Die meisten westlichen Staaten sind zurückgekehrt zu der fehlerhaften Vorstellung, dass ein autoritärer Nationalismus in der arabischen Welt das einzige Bollwerk gegen den radikalen Islam“ sei, stellt Bitar fest.

Zwei Drittel des syrischen Staatsgebietes haben die Truppen von Assad, der im Jahr 2000 die Macht von seinem Vater übernahm, an den IS oder andere Islamisten verloren. Doch die Regierung hält sich in ihren Hochburgen wie Damaskus, Homs oder an der Küste, in denen rund 50 Prozent der syrischen Bevölkerung leben. Für Yezid Sayigh vom Carnegie-Nahost-Zentrum ist Assads Überleben letztlich die Folge der Zögerlichkeit des Westens: „Das Hauptproblem ist, dass die westlichen Mächte nie stärker in Syrien engagiert sein wollten, weiterhin nicht sein wollen und nicht wissen, was sie gegen den Islamischen Staat machen sollen.“