Belgiens Atomausstieg mit Hintertür

Belgien wird seine sieben Atomreaktoren wie geplant bis 2025 abschalten – schließt einen Wiedereinstieg in die Kernkraft aber nicht aus. Die Regierungskoalition einigte sich auf einen entsprechenden Kompromiss.

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Die Hintertür

Entscheidend für eine mögliche Verlängerung der Laufzeiten, ist der Bau des Gaskraftwerks Vilvoorde. Das soll laut Atomausstiegsplan die Stromversorgung teilweise gewährleisten, wenn die Meiler vom Netz sind. Allerdings sind die Verhandlungen des französischen Energieunternehmens Engie ins Stocken geraten, da die flämische Regierung die Betriebserlaubnis verweigert hat. Deshalb heißt es in der Vereinbarung zum Atomausstieg:

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„Wenn für diese Anlage vor dem 15. März keine endgültige endgültige behördliche Genehmigung vorliegt, kann beschlossen werden, aus den nicht ausgewählten Projekten eine andere Kapazität auszuwählen.“

Tageszeitung Le soir

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Atomkraft in Belgien umstritten

In Belgien war der schrittweise Atomausstieg 2003 in Gesetz gegossen worden. Den Vollzug bis spätestens 2025 hatte die Regierung von Ministerpräsident Alexander De Croo bei ihrem Amtsantritt im Oktober 2020 angekündigt. Allerdings ist der endgültige Ausstieg aus der Nuklearenergie in der Brüsseler Sieben-Parteien-Koalition umstritten. Während die grüne Energieministerin Tinne Van der Straaten einen Komplettausstieg forderte, argumentierte De Croos liberale Partei MR, dass bei einem vollständigen Atomausstieg die Versorgungssicherheit durch Gaskraftwerke sichergestellt werden müsse – und diese seien klimaschädlicher als Akw. Rund 40 Prozent des in Belgien erzeugten Stroms gehen bislang auf die Atomkraft zurück.

Investitionen in kleine Atomkraftwerke

Aber auch wenn Belgien aus der Atomkraft im Jahr 2025 aussteigen sollte, wird die Technik nicht ad acta gelegt. Denn die Regierung will etwa 100 Millionen Euro in die Forschung zu sogenannten kleinen Atomkraftwerken (SMR) investieren.

In der Vereinbarung heißt es, dass das Land „bis 2050 ein nachhaltiges, kohlenstofffreies Energiesystem einrichtet, indem es die Elektrifizierung (Mobilität und Wärme), kontrollierbare Kapazität und Speicherung stärkt“. In diesem Zusammenhang heißt es, dass „die Entwicklung kleiner modularer Reaktoren“ ihren Platz haben wird. Und weiter: „Wir dürfen den Forschungszug nicht verfehlen“ bei diesen fortschrittlichen Technologien. „Dazu wird ein langfristiges Programm entwickelt.“

Streit in der EU um Atomkraft

Über eine mögliche Renaissance der Atomkraft wird derzeit in der EU heftig gestritten. Mit Spannung erwartet wird ein Rechtstext der EU-Kommission zu grünen Investitionen. Die Brüsseler Kommission unter Ursula von der Leyen erwägt, die Atomenergie dabei auf eine Liste „nachhaltiger“ Energieformen aufzunehmen.  Während Deutschland eine Einstufung der Atomkraft als nachhaltig vehement ablehnt, gehört insbesondere Frankreich zu den Befürwortern einer solchen Bewertung. Präsident Emmanuel Macron hält die Atomenergie für unerlässlich, damit Frankreich und die EU wie geplant bis 2050 klimaneutral werden können. 

Kälte, schlechte Netze, marode AKW – Droht Frankreich ein Blackout?

Sitzen die Franzosen diesen Winter bald im Dunkeln. Wegen der angekündigten Kälte sollen sie am Freitag ihren Stromverbrauch senken – sonst könnten die Netze zusammenbrechen. Nützlich sei jede Glühbirne, die nicht angeschaltet wird. Grund für die Probleme ist indirekt auch die Corona-Pandemie. Allerdings rächt sich nun auch, dass die französischen Atomkraftwerke alt und das Stromnetz oft marode ist.

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Homepage des Netzmanagers RTE – mit der Aufforderung, wenige Strom zu verbrauchen

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Dem Stromnetz droht der Kollaps

Die Temperaturen sollen in einigen Regionen Frankreichs am Freitag deutlich unter Null Grad sinken. Das sind beunruhigende Nachrichten für die den nationalen Stromnetzmanager RTE. Dort geht die Befürchtung um, dass die Leitungen die höhere Belastung durch die aufgedrehten Heizungen nicht standhalten könnten. RTE unterstrich zwar, dass es „keinen Stromausfall“ geben werde – aber die Sicherheitsmargen, die für Notfälle eingeplant sind, könnten bedrohlich schrumpfen. Man werde „alle Mittel einzusetzen, um die Sicherheit der Stromversorgung zu gewährleisten“, heißt es bei den Netzmanagern.

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Jede Glühbirne zählt

Laut RTE wird der französische Stromverbrauch am Freitag wegen der Kälte mit rund 88.000 Megawatt ein sehr hohes Niveau erreichen. Die Stromproduktion „wird mit 88.200 Megawatt ausreichen, um alle Bedürfnisse zu decken“, heißt es, aber um „jegliches Risiko einer Kürzung zu vermeiden“, werden die Franzosen dennoch aufgefordert, auch durch „kleine Gesten“ ihren Verbrauch zu senken.

Konkret heißt das: wenn jeder Franzose eine Glühbirne ausschaltet, wird Ersparnis im Stromverbrauch von 600 Megawatt erzielt. Das entspreche ungefähr dem Verbrauch einer Stadt wie Toulouse, erklärt ein Vertreter von RTE. Andere Ratschläge könnten auf der Website MonEcowatt.fr nachgelesen werden.

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Problem: ausgefallene Wartung der AKW

Allerdings kann RTE selbst die Versorgungssicherheit über verschiedene Maßnahmen steuern. So können etwa Firmen vom Netz genommen werden, die allerdings auf eine eigene Notversorgung zurückgreifen können. Die Spannung im Netz kann, um rund fünf Prozent gesenkt werden, was die Leistung elektrischer Geräte geringfügig verringert. Und als letztes Mittel können vorübergehende, lokale Kürzungen das Netz entlasten.

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Als Grund für die Probleme nennt RTE unter anderem die Corona-Pandemie. So habe ich die dringende Wartung von Kernkraftwerken verzögert und die Installation neuer Kraftwerke verlangsamt. „Normalerweise schalten wir im Sommer oder Frühling Kernkraftwerke aus, um sie zu warten. Das konnte während des Lockdowns im Rahmen der Corona-Pandemie aber nicht gemacht werden“, erklärte Frankreichs Umweltministerin Barbara Pompili bereits am 19. November, der Minister für ökologischen Wandel. Frankreich produziert rund 70 Prozent seines Stromes mit Atomkraft.

Offensichtlich wird auch daran gearbeitet, die vier noch arbeitenden Kohlekraftwerke stärker auszulasten. Genannt wird etwa die Anlage in Cordemais. Dort werden können rund 1200 Megawatt produziert werden. Dort könnten 25 Prozent des Stromverbrauchs der Pays de la Loire produziert werden.

Die gute Nachricht aus Tschernobyl

Mit dem Namen Tschernobyl verbindet jeder vor allem Tod und Verderben. Nun ist in der Ukraine nahe der Atomruine die erste Solaranlage in der Sperrzone offiziell ans Netz gegangen.

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18.10.10-tscherno

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Bei der feierlichen Eröffnung hätten auch Vertreter des deutschen Investoren Enerparc AG aus Hamburg teilgenommen, teilten die Betreiber am Freitag in Kiew mit. Die Montage der Anlage mit einer Leistung von einem Megawatt war im Dezember 2017 abgeschlossen worden; sie liefert bereits seit Juli Strom ins allgemeine Netz. Die Ex-Sowjetrepublik deckt mehr als 50 Prozent ihres Elektroenergiebedarfs aus Atomkraft.

1986 war während eines Experiments der vierte Block des sowjetischen Atomkraftwerks Tschernobyl explodiert und komplett zerstört worden. Die entstandene radioaktive Wolke verstrahlte große Gebiete im heutigen Weißrussland, der Ukraine und Russland. Zehntausende Anwohner im Umkreis von 30 Kilometern wurden umgesiedelt.

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2016 wurde ein 100 Meter hoher Stahlbogen über den Unglücksreaktor geschoben. Er ersetzt einen nach der Katastrophe eilig errichteten und brüchig gewordenen Beton-Sarkophag. Trotz der Reststrahlung will die Ukraine die 2600 Quadratkilometer große Sperrzone um Tschernobyl auch wieder nutzen. Die Regierung in Kiew plant zur Wiederbewirtschaftung der radioaktiv verseuchten Sperrzone weitere Solar- und Windkraftwerke.