Bosnische Serben stimmen für umstrittenen „Nationalfeiertag“

Der serbische Landesteil von Bosnien-Herzegowina hält an seinem umstrittenen „Nationalfeiertag“ fest. In einem Referendum sprechen sich fast 100 Prozent der Bewohner der Teilrepublik Republika Srpska dafür aus, den Feiertag am 9. Januar beizubehalten.
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Die rote Fläche ist die Republik Srpska

Ein explosives Gemisch

Im Grunde geht es nur um einen Nationalfeiertag. Der serbische Landesteil von Bosnien-Herzegowina hat in einem Referendum mit fast 100-prozentiger Mehrheit dafür gestimmt, am 9. Januar weiter der Gründung der Republika Srpska zu gedenken. Auf dem Balkan mit seinem explosiven Völkergemisch bergen solche Abstimmungen aber immer politischen Sprengstoff. Mehr als 20 Jahre nach dem Ende des Balkan-Kriegs droht nun wieder eine weitere Verschärfung der ethnischen Spannungen. Das Referendum ist ein deutliches Zeichen, dass die Führer der einzelnen Volksgruppen nicht an einer Verständigung interessiert sind.

Abstimmung trotz Verbot

Das Votum der Bevölkerung sei eindeutig, sagte der Präsident der Republika Srpska, Milorad Dodik, am späten Sonntagabend im Parlament von Banja Luka. Dodik hatte die Volksabstimmung trotz eines Verbots des Verfassungsgerichts angesetzt. Dieses hatte zuvor den Feiertag für illegal erklärt, weil es die muslimischen und kroatischen Bewohner in der Teilrepublik ausgrenze.

100.000 Tote im Krieg

Am 9. Januar 1992, drei Monate vor Beginn des Bosnien-Kriegs von 1992 bis 1995, war die Republika Srpska ausgerufen worden – unter anderem von Serbenführer Radovan Karadzic, der im März vom Internationalen Strafgerichtshof für das frühere Jugoslawien wegen Völkermords zu 40 Jahren Haft verurteilt wurde. Der Krieg kostete mindestens 100 000 Menschen das Leben. Im Zuge des schlimmsten Blutvergießens in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg vertrieben die bosnischen Serben mit Unterstützung des benachbarten Serbiens bosnische Muslime und katholische Kroaten aus ihrem Gebiet, das sie zu einem Teil von Serbien machen wollten. Mit dem unter US-Vermittlung zustande gekommenen Friedenabkommen von Dayton wurde 1995 die Republika Srpska zur autonomen Region innerhalb Bosniens erklärt. Für die Bosniaken und Kroaten, deren Föderation die andere Hälfte Bosniens bildet, symbolisiert der 9. Januar noch immer ihre Vertreibung und ihren Ausschluss aus dem von den bosnischen Serben kontrollierten Territorium.

Spannungen in der Region

Die Abstimmung wirft auch ein Schlaglicht auf die weiterreichenden Spannungen zwischen den westlichen Staaten, die die Bosnier und Kroaten unterstützen, und Russland, das traditionell hinter den slawisch-orthodoxen Serben steht. Die USA und die EU kritisierten das Referendum. Der russische Botschafter hingegen machte sich offen für die Befragung stark, die er als demokratischen Vorgang bezeichnete.

Die Rolle Russlands

Experten vermuten, dass Russland versucht, auf dem Balkan dem Westen neue Probleme zu bereiten. Der Kreml nutzt dazu die bereits bestehenden  Spannungen in der Region. Der Präsident der Republika Srpska, Milorad Dodik, war wenige Tage vor dem Referendum zu einem Treffen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin nach Moskau gereist. Er genießt die Unterstützung Moskaus – obwohl Russland der Republika Srpska wenig zu bieten hat.

Der 17-Punkte-Plan – Erste Ansätze zu einer Lösung

Im Flüchtlingsdrama auf dem Balkan wollen die EU und die Balkanländer die akuten Nöte der Menschen lindern. Auf der Route soll es etwa mehr Aufnahmeplätze geben. Die Staaten arbeiten auch beim Grenzschutz enger zusammen. Der in Brüssel beschlossene 17-Punkte-Plan liefert erste Ansätze – doch Europa kann das Flüchtlingsproblem als Ganzes nicht lösen.

Slowenien

Hier einige Kernaussagen des Planes:

AUFNAHMEPLÄTZE: Griechenland soll – auch mit Hilfe des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR – 50.000 Aufnahmeplätze für Flüchtlinge bereitstellen, davon bis Jahresende 30.000. Dabei eingerechnet sind 10.000 Plätze, die es laut EU-Kommission schon gibt. Entlang der Westbalkanroute sollen weitere 50.000 Plätze entstehen.

SICHERHEIT: Das vom Flüchtlingsandrang überforderte Slowenien soll binnen einer Woche Hilfe von 400 Polizisten aus anderen EU-Staaten bekommen. Außerdem soll die Grenzschutzagentur Frontex die EU-Außengrenzen besser absichern helfen, so an der Grenze zwischen Bulgarien und der Türkei oder in der Ägäis vor Griechenland.

KOOPERATION: Innerhalb von 24 Stunden soll ein Netz von Ansprechpartnern zwischen den beteiligten Staaten entstehen, die Informationen zum Migrationsfluss schneller als bisher austauschen. Die Arbeiten daran liefen laut EU-Kommission am Montag bereits.

REGISTRIERUNG: Ankommende Menschen sollen beim Eintritt in die EU registriert werden, vor allem per Fingerabdruck. Menschen ohne Asylanspruch sollen zügig zurückgeschickt werden.

STRÖME VERLANGSAMEN: Die Staaten wollen Migranten „entmutigen“, einfach zum nächsten Land auf der Route nach Westeuropa weiterzuziehen. „Eine Politik des Durchwinkens von Flüchtlingen ohne die Nachbarstaaten zu informieren, ist nicht akzeptabel“, heißt es in der Abschlusserklärung.

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Nach der Sitzung in Brüssel bleiben allerdings noch viele Fragen offen. Hier der Versuch einiger Antworten.

Hat die „Politik des Durchwinkens“ damit ein Ende?

  • Nein, das ist nicht zu erwarten. Zwar heißt es in der Erklärung der Spitzenpolitiker, man werde Migranten entmutigen, zur Grenze eines anderes Landes der Region zu ziehen. Allerdings geht es recht vage weiter mit dem Satz „Eine Politik des Durchwinkens von Flüchtlingen ohne die Nachbarstaaten zu informieren, ist nicht akzeptabel.“ Für sich genommen könnte das genauso gut heißen: Wenn ein Land seine Nachbarn darüber informiert, ist alles in Ordnung. Eine klare Linie sieht anders aus.

Ist das jetzt der Durchbruch in der Flüchtlingskrise?

  • Nein. Selbst Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) räumt ein, dass der Beschluss nur „ein Baustein“ sei: „Nicht lösen können wir das Flüchtlingsproblem insgesamt.“ Neben den Balkanländern ist vor allem die Türkei als wichtigstes Transitland nach Europa entscheidend – die Türkei war bei dem Treffen aber gar nicht dabei. Die EU arbeitet bereits an einem umfassenden Abkommen mit der Türkei.

Wie ist das Verhältnis der Staaten entlang der Balkanroute?

  • Nach wie vor angespannt. Als Erfolg kann man immerhin werten, dass zehn EU-Länder mit Mazedonien, Serbien und Albanien an einem Tisch saßen und miteinander sprachen. Doch die gegenseitigen Schuldzuweisungen gehen weiter. Die Türkei weist dem Westen die Schuld dafür zu, dass der Konflikt in Syrien ungelöst ist. Griechenland wirft der Türkei vor, die Flüchtlinge einfach weiterzuschicken. Und die Balkanländer werfen Griechenland vor, seine Grenze, die eine EU-Außengrenze ist, nicht zu schützen. „Das muss aufhören“, sagte ein Diplomat.

Ist die Flüchtlingskrise eine Gefahr für den Bestand der EU?

  • Ja, warnte Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn. Wenn Europa nur Zäune oder Mauern baue, dann sei Europa „auf einer Schleife, wo es dann in kurzer Zeit in sich zusammenbricht.“ Seit Monaten streiten die Staaten kontrovers über das Flüchtlingsproblem. Es mangelt an Solidarität: Die beschlossene Verteilung von 160 000 Flüchtlingen innerhalb Europas kommt nur schleppend in Gang, auch wegen des Widerstands der ostmitteleuropäischen Staaten wie Ungarn, Tschechien, Polen und der Slowakei. Die Bundeskanzlerin spricht von „einer der größten Bewährungsproben, denen sich Europa ausgesetzt sieht.“

Wie wird es weitergehen?

  • Es wird in nächster Zeit noch eine Reihe an Minister- und Gipfeltreffen in der EU zur Flüchtlingskrise geben. Schon am 9. November werden die EU-Innenminister wieder zu einem Sondertreffen zusammenkommen, um über weitere Schritte zu beraten. Am 11. und 12. November wollen die EU-Staats- und Regierungschefs bei einem Flüchtlingsgipfel in Malta mit den Herkunftsländern in Afrika beraten.

Die Balkanroute der Flüchtlinge – eine Übersicht

Die Grenze von Kroatien zu Slowenien gerät auf der sogenannten Balkanroute zu einem neuen Brennpunkt in der Flüchtlingskrise. Tausende Menschen sind dort gestrandet. Slowenien sieht sich dem Ansturm nicht gewachsen und setzt nun sogar sein Militär für den Grenzschutz ein. Die Staaten auf der Balkanroute gehen beim Schutz ihrer Landgrenzen unterschiedlich vor. Und auch die angrenzenden Staaten spielen eine Rolle. Eine Übersicht:

greichenland GRIECHENLAND: Schon seit einigen Jahren strömen Flüchtlinge zu Tausenden auf der Balkanroute in Richtung Europa. Aus diesem Grund hat Griechenland mit Unterstützung der EU bereits Ende 2012 an der Landgrenze zur Türkei einen Zaun gebaut – zehn Kilometer lang, drei Meter hoch, mit Stacheldraht bewehrt. Inzwischen kommen die Flüchtlinge mit Booten über das Meer, viele stranden auf den griechischen Inseln.

mazedonien MAZEDONIEN: Das kleine Land hat vor dem Ansturm der Flüchtlinge kapituliert. Geplant war, die Flüchtlinge in kleinen Kontingenten durch das Land zu schleusen, inzwischen hat Mazedonien den Schutz seiner Grenze zu Griechenland und Serbien praktisch eingestellt und die Flüchtlinge können ungehindert und ohne Registrierung passieren.

serbien-grenze zu kroatien SERBIEN: Auch Serbien ist ein „Transitland“. Das heißt, die Flüchtlinge bleiben nur ein oder zwei Tage im Land. Die Regierung versucht, den ankommenden Flüchtlingen so gut wie möglich zu helfen und sie auch zu registrieren – aufgehalten werden sie nicht. Allein in diesem Jahr sollen schon mehr als 250.000 Menschen das Land durchquert haben. An Sammelstellen werden sie mit Essen und Trinken versorgt und sie können sich ausruhen.

ungarn UNGARN: Im Sommer kam es in der Hauptstadt Budapest zu Tumulten, als Tausende Flüchtlinge weiter nach Österreich wollten. Angesichts dieser Szenen hat Ungarn seien Grenze zu Serbien mit einem Zaun abgeriegelt. Kurz darauf wurde auch die Grenze zu Kroatien geschlossen. Die Armee wurde durch eine Gesetzesänderung ermächtigt, im Krisenfall die Grenzschutzpolizei zu unterstützen. Premier Victor Orban fährt eine harte Linie und will das „Erbe“ Europas verteidigen.

kroatien KROATIEN: In Kroatien stauen sich die Flüchtlinge an der Grenze zu Slowenien. Aus diesem Grund hat die Polizei erstmals begonnen Flüchtlinge an der Einreise in das Land zu hindern. Am serbisch-kroatischen Grenzübergang Bapska stoppte die Polizei die Menschen. Nachdem Ungarn seine Grenze dicht gemacht hat, leitete Kroatien die Flüchtlinge in Richtung Slowenien, was zu schweren politischen Konflikten zwischen den beiden Ländern geführt hat.

Slowenien SLOWENIEN: Seit Ungarn die Grenzen geschlossen hat, ist Slowenien der Brennpunkt auf der Balkanroute. Ziel des Landes war es, den Strom dort zu verlangsamen und zu kanalisieren.  Angesichts der Masse an Menschen wird das aber immer schwieriger. Die Regierung hat nun seine Polizei mit Sonderausrüstung an allen für Flüchtlinge erreichbaren Grenzpunkten postiert und setzt nun auch Militär zur Grenzsicherung ein.

Österreich-Salzburg Bahnhof ÖSTERREICH: Auch Österreich hat wegen des Zustroms von Flüchtlingen die Armee zur Hilfe an den Grenzen nach Ungarn und Slowenien gerufen. Neben Grenzkontrollen leisten sie auch Hilfe bei der Unterbringung und Verpflegung der Menschen. Angesichts der Probleme in Slowenien und Massenpaniken vorzubeugen haben die Grenzschützer zuletzt Hunderte Flüchtlinge einfach passieren lassen. Der Zugverkehr im Grenzgebiet ist inzwischen eingestellt.

Solidarität statt Nationalismus

Die Flüchtlingskrise droht Europa zu spalten. Das muss verhindert werden – mit allen Mitteln.

Ein Kommentar:

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Die Augen verschlossen

Niemand soll sagen, die Krise komme  überraschend. Seit vielen Jahren suchen Flüchtlinge den Weg nach Europa. Hunderttausende sind über das Mittelmeer gekommen, Tausende sind auf der Überfahrt ertrunken. Die Länder im Norden der EU haben die Augen verschlossen, weil die Länder im Süden für dieses Problem zuständig waren. So lautete die  Regelung in der Europäischen Union. Man war allenfalls bereit, Flugzeuge oder Boote für die Grenzschutzagentur Frontex abzustellen. Irgendwann war man  abgestumpft. Bilder von überfüllten Schlauchbooten oder angeschwemmten Leichen waren schrecklich, aber Lampedusa ist weit weg. Es herrschte das Sankt-Florians-Prinzip.

Spätestens als der Arabische Frühling  nicht die erhoffte Demokratie brachte, sondern  die ganze Region destabilisierte, waren die Tage der vermeintlichen Ruhe in Europa gezählt. Nach Jahren des vergeblichen Wartens auf Besserung verloren Hunderttausende in Syrien, Libyen oder auch im  Sudan die Hoffnung. Also machten sie sich auf den Weg. Es ist seitdem eine Abstimmung mit den Füßen – gegen den Krieg, für ein menschenwürdiges Leben. Nun sind diese entwurzelten Menschen bei uns, wir können nicht mehr wegschauen.

Eine große Hilfsbereitschaft

Der Strom der  Flüchtlinge schiebt sich auf der  Balkanroute in Richtung Westen. Grenzen, Zäune, Soldaten, schlechtes Wetter – kein Hindernis kann diese Hilfesuchenden aufhalten, was den Grad ihrer Verzweiflung ermessen lässt. Natürlich fördert die Katastrophe auch Positives zu Tage. Erstaunlich ist die Gelassenheit und die Hilfsbereitschaft, mit der die Menschen auf dem Balkan den Flüchtlingen begegnen. Vielen Mazedoniern, Serben, Kroaten oder Slowenen ist noch  in Erinnerung, dass sie während der Kriege in den 90er-Jahren selbst auf der Flucht  und auf Hilfe angewiesen waren.  Anders auf staatlicher Ebene, dort  tun sich  Abgründe auf.

Erschreckend ist das Ausmaß der Entsolidarisierung Europas. Nur zwei Beispiele: Kroatien karrt Busladungen von Flüchtlingen durchs Land und kippt sie dem Nachbarn Slowenien förmlich vor die Grenze.   Und Ungarn macht die Schotten dicht und erklärt die Krise zu einem rein deutschen Problem. Es herrschen der blanke Nationalismus und bisweilen das reine Chaos. Das reiche Westeuropa hält sich mit Belehrungen zu Recht  zurück.  Schließlich geben wir  selbst eine desolate Figur ab. Gegenseitige Schuldzuweisungen haben den Gemeinschaftssinn verdrängt. Es gelingt nicht einmal, einige Zehntausend Flüchtlinge fair auf alle Staaten der EU zu verteilen.

Balkan-Gipfel in Brüssel

Was ist in solch einer Lage von dem Balkan-Gipfel am Sonntag mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel und acht weiteren Staats- und Regierungschefs in Brüssel zu erwarten? Das Minimalziel muss sein, dass sich die Staaten entlang der Balkanroute auf  eine gemeinsame Lösung einigen. Die Flüchtlinge müssen besser versorgt werden und bereits dort muss geprüft werden, wer von den Ankommenden eine Chance auf Asyl hat und wer nicht. Serbien betont immer wieder, dass das Land bereit wäre, mehr zu machen, wenn klar gesagt wird, was die Kernaufgabe Belgrads in dieser Krise ist – und natürlich handfeste Hilfe von Brüssel kommt. Ähnlich äußern sich die anderen Länder. Kroatien hat bereits um winterfeste Zelte und Schlafsäcke gebeten. Slowenien will neben Finanz- und Materialhilfe sogar Polizisten aus anderen EU-Mitgliedsländern einsetzen.

Die Mächtigen Europas wissen also sehr genau, was  von ihnen in der aktuellen Situation gefordert ist. Dieser Gipfel wird nicht die ganz große Lösung bringen, aber er könnte der erste Schritt dazu sein. Sollte es keine greifbaren Ergebnisse geben, werde man ebenfalls einen Grenzzaun bauen, lautete am Freitag die unverhohlene Drohung aus Slowenien. Die Not der Flüchtlinge würde dann noch größer und das freie Europa noch ein Stück kleiner.