Wieder Tote in der Ostukraine

Bei Kämpfen in der Ostukraine sind fünf ukrainische Soldaten getötet worden. „Fünf unserer Soldaten sind in den vergangenen 24 Stunden gestorben“, sagte der Chef des Nationalen Sicherheitsrats, Alexander Turtschinow, am Freitag im Fernsehen. Zugleich warf er Moskau vor, seine Militärpräsenz in der Ostukraine erhöht zu haben, nachdem ein Machtkampf unter den dortigen Rebellenführern ausgebrochen war. Eigentlich gilt seit dem 25. August ein Waffenstillstand.

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Machtkampf unter den Rebellen

Innerhalb der Führung der selbstausgerufenen „Volksrepublik Luhansk“ war es zu Machtkämpfen gekommen. Der selbsternannte Präsident von Luhansk, Igor Plotnizki, sprach am Mittwoch von einem Putschversuch. Er beschuldigte seinen ehemaligen Innenminister Igor Kornet. Dieser weigerte sich jedoch zurückzutreten. Plotnizkis Aufenthaltsort ist nicht bekannt. Gerüchten zufolge hat er sich nach Moskau abgesetzt.

OSZE warnt vor neuer Gewalt

Auch die OSZE warnt vor neuen Kämpfen. Angesichts des nahenden Winters hat die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa vor einem starken Anstieg der Gewalt in der Ostukraine gewarnt. „Wenn der Boden im Winter gefriert, wird es leider noch leichter, die schweren Waffen zu bewegen“, sagte der stellvertretende Leiter der OSZE-Beobachtermission in der Ukraine, Alexander Hug. Daher sei zu befürchten, dass die Gewalt drastisch zunehmen werde. Bereits in den vergangenen Wochen habe es einen „stetigen Anstieg“ der Verletzungen der Waffenruhe gegeben.

Seit Beginn des Jahres hat es nach Angaben der OSZE mehr als 400 zivile Opfer im Donbass gegeben. Mehr als 330 000 Mal ist die Waffenruhe gebrochen worden.

Blauhelme in die Ukraine

Nur ein UN-Engagement in der Ukraine kann das Donbass befrieden. Doch Russland sperrt sich dagegen – Frieden ist nicht im Interesse des Kremls.

Ein Kommentar:

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Eine Gefahr für den Frieden

Frank-Walter Steinmeier ist nicht zu beneiden. Der deutsche Außenminister wird nicht müde zu betonen, welche Explosivkraft im Ukrainekonflikt steckt –  doch inzwischen scheint das niemanden mehr zu interessieren. Zu sehr ist die Aufmerksamkeit durch andere Krisen in Anspruch genommen. Aber Steinmeier hat recht: die Auseinandersetzung im Osten der Ukraine ist die größte Bedrohung für Frieden und Sicherheit in Europa seit dem Ende des Kalten Krieges. Es ist also konsequent, dass Deutschland den immer wieder aufflammenden Krieg in den kommenden sechs Monaten zum Hauptthema seines OSZE-Vorsitzes machen wird.

Der Kreml ist gegen eine UN-Mission

Natürlich kann es nur eine politische Lösung geben. Es hat sich aber  gezeigt, dass der bisherige Weg keine befriedigenden Ergebnisse bringt. Trotz der OSZE-Beobachter vor Ort kommt es immer wieder zu Schießereien. Die Scharmützel müssen ein Ende haben – dazu braucht es UN-Blauhelme. Russland aber ist ein entschiedener Gegner einer solchen Mission. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: der Kreml will keinen Frieden in der Ukraine. Die Machthaber in Moskau haben Angst, dass der Prozess der Demokratisierung und des wirtschaftlichen Aufschwungs in Kiew Erfolg haben könnte. Das russische Volk könnte sich in diesem Fall die Ukraine zum Vorbild nehmen. Das will der Kreml verhindern.

Eine Art Mafia-Staat

Die pro-russischen Separatisten im Osten der Ukraine haben die UNO sowie internationale Hilfsorganisationen aufgerufen, sich aus der Rebellenhochburg Lugansk zurückzuziehen. Das muss nicht unbedingt politische Gründe haben.
Ein Kommentar:

Der Osten der Ukraine steuert auf eine humanitäre Katastrophe zu. Wegen der Kämpfe sind viele wichtige Versorgungswege in der Region zerstört. Nun haben die von Russland unterstützten Separatisten den meisten internationalen Hilfsorganisationen verboten, in dem Unruhegebiet zu arbeiten. Angesichts des nahenden Winters ist abzusehen, was das für die notleidende Bevölkerung bedeutet. Die Rationen der Helfer waren vor allem für  ältere Menschen die einzige Möglichkeit, das Überleben zu sichern.

Es stellt sich die Frage, welche Rolle Wladimir Putin spielt. Der russische Präsident versucht in diesen Tagen, sich auf internationaler Bühne wieder einen Namen als verlässlicher Politiker zu verschaffen. Vor allem durch den vom Kreml unterstützten Krieg in der Ukraine hat er sich ins Abseits manövriert. Ihm kann also nicht daran gelegen sein, dass das Thema gerade  jetzt hochkocht. Aber vielleicht ist die Erklärung viel einfacher: den Separatisten sind die Helfer schlicht lästig geworden. Das Donbass ist inzwischen ein regelrechter Mafia-Staat. Unabhängige Beobachter stören die Geschäfte. Zudem werden angesichts des nahenden Winters die Preise für Lebensmittel und Heizmaterial ansteigen. Gratislieferungen von Hilfsorganisationen für die Bevölkerung passen nicht in das perfide Geschäftsmodell der Verbrecher.

Ein Krieg, der nicht vergessen werden darf!

Im Kampfgebiet in der Ostukraine sind binnen 24 Stunden acht ukrainische Soldaten getötet worden – so viele wie seit Wochen nicht mehr. Die Zahl nannte der Nationale Sicherheits- und Verteidigungsrat der Ukraine. Darüber hinaus sprach er von 16 Verletzten seit Dienstag. Die Aufständischen meldeten ihrerseits zwei Tote in den eigenen Reihen sowie einen getöteten Zivilisten.
Kämpfe gab es nach ukrainischen Angaben in der Region Luhansk und im Umkreis des zerstörten Flughafens von Donezk. Seit Februar gilt in dem Kampfgebiet eigentlich der in Minsk ausgehandelte Waffenstillstand. Doch gibt es regelmäßig Verstöße. Nach Angaben des Ukrainischen Sicherheitsrats setzen die Rebellen auch schwere Waffen ein, die eigentlich von der Frontlinie hätten zurückgezogen werden müssen.
Der Konflikt zwischen der Zentralregierung in Kiew und den von Russland unterstützten Rebellen hat seit Frühjahr 2014 mehr als 6400 Menschen das Leben gekostet. Rund 1,5 Millionen Menschen sind geflohen, die meisten innerhalb des Landes.

Der vergessene Krieg im Donbass

Das Treffen zwischen der EU und der Ukraine stößt auf wenig Interesse in der Öffentlichkeit. Die Ostukraine ist für viele weit weg. Doch dort entscheidet sich die Zukunft Europas. 

15.03.23-donbassEin Panzer im Donbass

In Europa tobt ein Krieg. In der Ostukraine herrscht zwar formal ein Waffenstillstand, aber es werden jeden Tag Menschen getötet. Über 6000 sind es inzwischen. Das Sterben in Europa ist längst Alltag geworden. Ein Jahr nach dem Ausbruch der ersten Kämpfe im Donbass ist der Krieg in Vergessenheit geraten –  vor allem im Westen des Kontinents.  Entsprechend gering war das Interesse am Treffen der führenden Vertreter der Europäischen Union und der Ukraine in Kiew am Montag. Was sollte dort denn auch beredet werden? Wurden die zentralen Probleme in den vergangenen Monaten nicht schon unzählige Male durchgekaut? Und was hat sich in dieser Zeit bewegt? Erschreckend wenig.

Ein großes Unverständnis

Auf der einen Seite versteht die EU nicht, weshalb die  Reformen in der Ukraine nicht in Angriff genommen werden. In Sachen Korruptionsbekämpfung, Dezentralisierung des Staates oder Verbesserung des Wirtschafts- und Investitionsklimas liegt eigentlich alles im Argen. In Kiew hingegen hadert Präsident Petro Poroschenko damit, dass die EU keine Waffen an die Ukraine liefern will, seine Forderung nach einer EU-Polizeitruppe unter Führung der UN nicht realisiert wird und noch nicht einmal Visumerleichterungen für Reisen in den Westen in greifbarer Nähe sind.

Die große Ernüchterung

Auf beiden Seiten herrscht große Ernüchterung. Dennoch heißt es gebetsmühlenartig, man werde den einmal beschrittenen Weg unbeirrt fortsetzen. Doch wo soll dieser Weg eigentlich enden? Darüber scheint weder in Brüssel noch in Kiew wirklich Klarheit zu herrschen. Soll die Ukraine eines Tages der Europäischen Union beitreten? Allein Wladimir Putin scheint in diesem Fall einen klaren Plan zu haben. Der russische Präsident will ein weiteres Abdriften der Ukraine in Richtung Westen  verhindern. Das ist ihm mit der Annexion der Krim und dem vom Kreml befeuerten Krieg in der Ostukraine auf absehbare Zeit gelungen. Inzwischen glaubt selbst in der Ukraine kaum ein Mensch mehr  an eine Zukunft des eigenen Landes innerhalb der Europäischen Union.

Nur Putin hat einen Plan

Putin hat den Ereignissen in der Ukraine eine völlig neue, weltpolitische Dimension gegeben. Er hat den EU-Politikern mit ihrer eurozentrierten Sichtweise auf eine brutale Art sehr deutlich gemacht, dass die friedliche Erweiterung der Union in Richtung Osten auch ganz anders gedeutet werden kann –  nämlich als aggressiver Akt einer wirtschaftlich erschreckend erfolgreichen Großmacht. Das heißt, es geht in Kiew zwar vordergründig um die Frage, welche Zukunft die EU für die Ukraine sieht, dahinter steht aber die viel größere Frage: Welches Verhältnis will der Westen zu Russland? Ein Land, dessen Führung von zutiefst gekränktem Stolz, neuem Großmachtstreben und eiskalter Interessenpolitik geleitet wird.

Die Büchse der Pandora

Inzwischen ahnen auch die Brüsseler Politiker, dass sie die Büchse der Pandora in Händen halten. Deshalb etwa die Weigerung der EU, Waffen an die Ukraine zu liefern. Dieser Schritt könnte Europa in einen nicht  zu kontrollierenden großen Krieg stürzen.  EU-Sanktionen sind in dieser Situation der richtige Weg, denn sie zeigen Putin seine Grenzen auf. Tatsache ist, dass der wirtschaftliche Druck Russland  stärker trifft, als der Kreml es zugibt: die Preise für Nahrungsmittel steigen dramatisch, der Lebensstandard sinkt, Russland steuert in eine schwere Rezession.

Europas Zukunft

Weder Europa noch Russland wollen eine weitere Eskalation. Um diese zu vermeiden, müssen aber beide Seiten aufeinander zugehen. Der Schlüssel dazu liegt in der Ukraine. Gelingt dort keine Lösung, wird sich der Kontinent in einem viele  Jahre dauernden Kalten Krieg wiederfinden. Ein Ende des Sterbens im Donbass ist nicht nur im Interesse der Menschen in der Ukraine. Dort entscheidet sich auch die unmittelbare Zukunft Europas. Besser ist es also, diesen Krieg nicht zu vergessen.