Russisches Tanztheater Derevo steht in Dresden vor aus Aus

Seit Monaten droht das Aus. Nun hat das renommierte russische Tanztheater Derevo  sein Publikum in Dresden nach einer Uraufführung um Unterstützung ersucht.
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17.12.26-derevo
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Künstlerische Heimat in Dresden

Die Stadt will den Russen, die seit mehr als 20 Jahren ihre künstlerische Heimat an der Elbe haben, im kommenden Jahr die institutionelle Förderung entziehen. Das Ensemble sieht deshalb seine Existenz bedroht. Nach der Uraufführung des Stückes „Der Strom“ am Dienstag im Dresdner Festspielhaus Hellerau wandte sich Ensemble-Chef Anton Adasinsky an die Zuschauer, die den Künstlern aus St. Petersburg zuvor viel Beifall gespendet hatten.
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Mischung aus Tanz, Theater und Pantomime

„Es ist sehr wichtig für uns zu wissen, wie viele Freunde wir in Dresden haben. Wenn Sie uns lieben, unterschreiben Sie die Petition zum Erhalt von Derevo“, sagte Adasinky.
Der Direktor erklärte gegenüber MDR KULTUR weiter, für das nächste Jahr gebe es Verträge mit Tänzern, Technikern und Veranstaltungsräumen in aller Welt: „Und jetzt muss ich alles stoppen und den Leuten Geld zahlen, um aus den Verträgen herauszukommen.“ Auch die Miete für ein Studio in Hellerau über 800 Euro könne Derevo ohne die Förderung nicht mehr zahlen.
Derevo (russisch: Baum) entstand 1988 in St. Petersburg und kam später nach Dresden. Mit ungewöhnlichen Produktionen gewannen die Russen auf Festivals in aller Welt Preise. Mit einer Mischung aus Tanz, Theater und Pantomime entwickelte das Ensemble eine ganz eigene Ästhetik.

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Nach Informationen des MDR weist die Stadt Dresden weist darauf hin, dass die ersten Überlegungen, die Fördermittel für die Tanzgruppe einzustellen, bereits aus dem Jahr 2016 stammen. Damals hatte die Kulturverwaltung sich jedoch noch für eine reduzierte Förderung im Jahr 2017 in Höhe von 20.000 Euro entschieden. Parallel dazu seien Gespräche mit Derevo geführt worden, so die Stadt Dresden. Derevo sei darauf hingewiesen worden, dass die Fördermittel eingestellt werden, sollte sich die Formensprache und Ästhetik nicht weiterentwickeln und die Company in der Stadt nicht präsenter sein.

Im Rahmen der Antragsbearbeitung für die institutionelle Förderung 2018 kam nun eine  Facharbeitsgruppe zu der Ansicht, dass die angemahnte Entwicklung nicht umgesetzt wurde.

Bachmann sucht sein Heil in Spanien

Lutz Bachmann liebt seine Heimat. Das hat er bei vielen Pegida-Demos ins Mikrophon gebrüllt. Dass er nun nach Teneriffa auswandern will ist nur konsequent. Er lebt den urdeutschen Traum, er sucht nicht das Fremde, er sucht Deutschland mit Sonne. Inzwischen wird deutlich, dass Pegida unmittelbar vor der Spaltung steht. 


 

Mit Rückgrat hinter der Sache

Der Pegida-Chef sieht Sehnsucht nach dem Ausland ganz entspannt. „Wen interessiert es, wo man arbeitet und seinen Lebensunterhalt verdient, solange man mit Rückgrat hinter der Sache steht?“, schrieb Bachmann daraufhin bei Facebook. „Monatelang war es bekannt und trotzdem uninteressant!“ Über die Umzugspläne Bachmanns hatten zuerst die „Dresdner Neuesten Nachrichten“ berichtet.

Die Sache wäre wohl noch Länger ein Geheimnis geblieben, hätte nicht die inzwischen mit ihm verfeindeten früheren Pegida-Frontfrau Tatjana Festerling auf ihrer Facebook-Seite darüber berichtet. Sie auf Facebook geätzt, Bachmann sei dabei, auf die spanische Kanareninsel zu ziehen und nur noch alle zwei Wochen zu den Kundgebungen nach Dresden zu kommen.

 

Ein seltener Gast bei Pegida

Der Pegida-Mitgründer Bachmann war in den vergangenen Wochen immer seltener bei den Kundgebungen in Dresden zu sehen. Ein Grund für sein Fernbleiben wurde den 2200 bis 2600 Teilnehmern nicht genannt. Wie tief das Zerwürfnis der beiden ist, lässt sich anhand der Posts nur erahnen. „Ich wollte Lutz Bachmann nie (!) die Führungsposition streitig machen“, schreibt Festerling. „Jedoch mit Sigi gemeinsam dafür sorgen, dass Pegida weiter kraft- und anspruchsvoll bestehen bleibt, wenn LB seinen Lebensmittelpunkt nach Teneriffa verlegt.“ Mit LB ist offenbar Lutz Bachmann und mit Sigi Siegfried Däbritz, der zum Pegida-Organisationsteam gehört, gemeint. Däbritz, der früher FDP-Mitglied war, ist inzwischen neuer Frontmann vor Ort.

 

Ein langer Streit bei Pegida

Bachmann und Festerling hatte sich schon zuvor entzweit. Bachmann soll laut Insidern nicht gefallen haben, mit welchen Themen Festerling auftrat, als er krank war. Im Juni schließlich eskalierte der Streit. Pegida erklärte, Festerling habe das Organisationsteam verlassen und solle wegen vereinsschädigendem Verhalten aus dem Förderverein ausgeschlossen werden. Festerling wiederum bezichtigte via Facebook Bachmann in einer ausführlichen Erklärung „in sieben Punkten“ der Lüge und warf ihm vor, er verhalte sich „wie Merkel“.

Und hier noch ein kleiner Blick in die Zukunft von „extra3“:

Hier geht zur weiteren Berichterstattung über Lutz Bachmann

Nachtrag:

Pegida vor der Spaltung

Offensichtlich steht die Pegida-Bewegung vor der endgültigen Spaltung. Tatjana Festerling hatte sich am Montag (26.09.2016) mit etwa 60 Gleichgesinnten auf dem Platz vor dem Hauptbahnhof in Dresden eingefunden, um gegen Pegida-Chef Lutz Bachmann zu protestieren. Anhänger beider Lager warfen sich vor, die Bewegung zu spalten. Auch persönliche Beschuldigungen und Beleidigungen blieben nicht aus. Selbst Schläge wurden Widersachern angedroht.

Bachmann stellt die Vertrauensfrage

Bachmann stellte die Vertrauensfrage für sich und seinen Vize Siegfried Däbritz und erhielt von der Mehrheit der schätzungsweise gut 2500 Anhänger lautstarken Beifall. Danach ließ er per Handabstimmung gleich noch klären, dass Festerling als Sprecherin der internationalen rechtspopulistischen Bewegung „Festung Europa“ zurücktreten solle. Die ehemalige Hamburger AfD-Politikerin warf ihrem früheren Gesinnungsgenossen deshalb später vor, größenwahnsinnig zu sein. Bachmann wies erneut den Vorwurf zurück, Pegida-Spendengelder veruntreut zu haben.

Bilderberg – das Mekka der Mächtigen

Die geheime Weltregierung ist wieder zusammengekommen: die Bilderberg-Konferenz. Versammlungsort ist in diesem Jahr Dresden und die Gästeliste für das 64. Treffen liest sich wie ein „Who is Who“ aus Weltpolitik, Wirtschaft und Wissenschaft und Medien.

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Lädt ein zu Demos und Spekulationen – die Bilderberg-Konferenz

Entscheidung über die Zukunft des Planeten?

Doch die Konferenz ist nicht nur das Mekka der Mächtigen, sondern auch eines der Lieblingsthemen der Verschwörungstheoretiker. Den Bilderbergern wird von nicht gerade wenigen Menschen unterstellt, dass sie die Weltherrschaft antreten wollen. Vermutet wird, dass eine Handvoll Erwählte über die weitere Zukunft des Planeten entscheiden. Befeuert werden diese Theorien von den Organisatoren des Treffens selbst.

Schon seit ihrem ersten Treffen 1954 im Bilderberg-Hotel des damaligen Prinzgemahls der niederländischen Königin wird die Konferenz nach der sogenannten „Chatham House Rule“ abgehalten. Sie gestattet Teilnehmern zwar, die erhaltenen Informationen zu verwenden. Aber weder Identität noch Zugehörigkeit der Redner oder anderer Teilnehmer dürfen preisgegeben werden. Veröffentlicht wird außer einer Teilnehmer- und einer Themenliste nichts. Das schafft Raum für Spekulationen.

Eine notorische Geheimniskrämerei

Die notorische Geheimniskrämerei um das Treffen ruft natürlich auch politische Gruppen auf den Plan. So haben von der „Roten Fahne/Antifaschistische Aktion“ bis zur rechtsextremen NPD zahlreiche Parteien, Gruppen und Einzelpersonen knapp zwei Dutzend Protestkundgebungen gegen die Dresdner Konferenz angekündigt. Auffallend: Das Engagement rechter Gruppen. Auch die AfD und Pegida rufen zu Aktionen auf. Die Bilderberg-Konferenz geht gegen ein völkisch-nationales Bild, das gerade die rechten Gruppierungen vertreten, die ja auch der US-Regierung vorwerfen, die Weltregierung übernehmen zu wollen. Die Polizei ist jedenfalls vorgewarnt und bereitet sich auf einen Großeinsatz vor. Die Stadt hat ein Versammlungsverbot rund um den Tagungsort verhängt. Für Drohnen und andere Flugobjekte wurde eine Sperrzone eingerichtet.

Auch Berlin ist bei Bilderberg

Natürlich sind unter den 130 Teilnehmern, die  auch über das Weltgeschehen und die Stärkung der transatlantischen Beziehungen beraten, auch Vertreter der Bundesregierung: Ursula von der Leyen, Wolfgang Schäuble und Thomas de Maizière (alle CDU).

Unwahrscheinlich ist, dass die Geheimniskrämerei eines Tages ein Ende haben wird. „Es ist eine informelle Gruppe, die über verschiedene Themen spricht und die Diskussion hinter verschlossenen Türen führt, um die Gespräche zu erleichtern“, sagt Henri de Castries, Chef des Axa-Versicherungskonzerns und Vorsitzender des Lenkungsausschusses der Bilderberger. Dass es sich bei den Konferenzteilnehmern um eine Machtelite handelt, sei nicht relevant. Und: „Warum sollten diese Menschen nicht das gleiche Recht auf Privatsphäre haben wie jeder normale Bürger?“

Bilderberg und die Chemtrails

Henri de Castries ist natürlich klar, dass mit solch nebulösen Aussagen  auch er weiter an dem Märchen von der Weltregierung strickt. Hart dementiert wird von den Bilderbergern allerdings die Theorie, dass in ihrem Namen die berüchtigten Chemtrails versprüht werden. Verschwörungstheoretiker wird das aber nicht davon abhalten, weiter daran zu glauben, dass in den Kondensstreifen der Flugzeuge am Himmel gezielt Chemikalien versprüht werden, um das Denken der unbedarften Weltbevölkerung zu beeinflussen.

Pegida ist kein Exportschlager

Das war er also, der machtvolle Aufmarsch der „besorgten“ Bürger Europas gegen die vermeintliche „Islamisierung des Abendlandes“! Knapp 8000 Anhänger von Pegida versammelten sich in Dresden zu einer Kundgebung, die öffentliche und medienwirksame Vernetzung mit Gruppen in anderen Ländern schlug jedoch kläglich fehl.

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Probleme mit der Technik

Bei dem Aufmarsch in Dresden mussten die Pegida-Verantwortlichen eine entscheidende Erfahrung machen: es ist einfach, zu jammern und zu maulen – schwerer gestaltet es sich, wenn etwas tatsächlich auf die Beine gestellt werden soll. Sinnbild dafür war in Dresden die missglückte technische Verbindung in einige „Partnerstädte“. Die Leitung nach Prag stand für einige Minuten, brach aber immer wieder zusammen. Andere Orte wurde schon gar nicht mehr angefunkt.

Doch nicht nur technisch war der „Aktionstag“ eine Pleiten-Pech-und-Pannen-Orgie. So schien es als schlechtes Omen, dass Pegida-Front-Mann Lutz Bachmann wegen einer Krankheit das Bett hüten musste und nicht zu den „Massen“ sprechen konnte. So hatte Versammlungsleiter Siegfried Däbritz die Rolle, sich immer wieder zu entschuldigen, wenn wieder einmal etwas nicht funktionierte.

 

Die üblichen Parolen

Natürlich treffe Pegida keine Schuld, versuchte Däbritz die Pannen immer wieder zu überspielen – fragt sich nur, wer dann das Chaos zu verantworten hatte. Angela Merkel? Die immer wieder mit Merkel-Raus-Rufen bedacht wurde? Die „Lügenpresse“? Die störungsfrei von dem Treffen in Dresden in ihren Nachrichtensendungen berichtete?

Während der Veranstaltung in Dresden wurde denn auch vermieden, die Teilnehmerzahlen in den anderen Ländern zu erwähnen – die waren nämlich aus Sicht von Pegida enttäuschend. Bis auf Prag, wo am Samstag etwa 1500 Islam-Gegner aufmarschierten, kamen in den anderen Städten meist nur wenige Hundert zusammen – wenn überhaupt.

 

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„Besorgte Bürger“ bei der Pegida-Demo in Amsterdam

Rechtspopulisten in der Regierung

Die geringe Beteiligung in den anderen europäischen Städten am Aktionstag „Festung Europa“ dürfte auch daran gelegen haben, dass die Flüchtlingskritik dort längst von größeren Parteien und Bewegungen als Thema besetzt oder – wie in Ungarn und Polen – inzwischen Regierungspolitik ist.

In Breslau trat ein zentraler Konstruktionsfehler der „Festung Europa“ ganz deutlich zutage. In der polnischen Stadt musste die Pegida-Aktion abgesagt werden, weil polnische Nationalisten die Organisatoren bedrohten und eine „Germanisierung“ befürchteten. Das kann passieren, wenn Nationalisten und Nationalisten treffen.

Pegida-Demo wird zum Rohrkrepierer

So wurde der Export von Pegida-Gedankengut zum Rohrkrepierer. Deutlich ist, dass die Bewegung seit Monaten auf der Stelle tritt. Zwar kommen noch immer einige Tausend Menschen zu den regelmäßigen Demos, doch droht den Verantwortlichen der schleichende Tod. Auch zeigte der Aktionstag, dass die Bewegung intellektuell und ideologisch nur schwach unterfüttert ist. Außer den üblichen Parolen gegen Merkel, die Presse und den Islam hatten die Organisatoren nichts zu bieten.

Das scheinen die Rechtspopulisten in anderen Ländern ähnlich zu sehen. Die Chefin des französischen Front National, Marine Le Pen, zeigte Bachmann bislang ebenso der kalte Schulter wie der schon mehrfach als Pegida-Redner angekündigte österreichische FPÖ-Chef Heinz-Christian „HC“ Strache.

Pegidas Strahlkraft reicht offensichtlich nur zur Mobilisierung einiger Nazi-Gruppen und einiger „besorgter Bürger“. Der Versuch, der Bewegung mehr Substanz zu geben und auch neues Feuer einzuhauchen ist in Dresden kläglich gescheitert.

Wieder ein Goebbels-Vergleich – Empörung ist fehl am Platz

Er hat es getan: Pegida-Chef Lutz Bachmann hat Justizminister Maas mit Goebbels verglichen. Das ist empören! Oder doch nicht?

-Vergleich: versteht die Aufregung nicht – die Sendung extra3 geht die Sache saitirisch an. Hier der Tweet von extra3

Bachmann ist nicht der erste

„Ein Hetzer ist er! Seit Goebbels der schlimmste Hetzer in diesem Land!“ Nein, das sind nicht die Worte von Pegida-Chef Lutz Bachmann. Dieser Goebbels-Vergleich stammt von Willy Brandt, der sich am 12. Mai 1985 in der „Bonner Runde“ mit dem damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl stritt. Der Gobbels-Vergleich ist so etwas wie der „rote Knopf“ der deutschen Innenpolitik: der Skandal ist programmiert und für Empörung reichlich gesorgt.

Gezielte Provokation

So muss auch der Bachmann’sche Satz eingeordnet werden. Der Mann hat gezielt provoziert und er hat einen Treffen gelandet, als er bei der Montagsdemo in Dresden Justizminister Heiko Maas mit Nazi-Propagandaminister Joseph Goebbels verglich. Der erste, der sich meldete war SPD-Parteivize Thorsten Schäfer-Gümbel. Er sagte der dpa: „Verfassungsfeinde wie Bachmann sind ein klarer Fall für den Staatsanwalt und schon lange für den Verfassungsschutz.“

Auch SPD-Bundesvize Ralf Stegner reagierte empört auf Bachmanns Rede in Dresden: „Der verurteilte Straftäter und PEGIDIOT Bachmann vergleicht Heiko Maas mit Goebbels – dieser ekelhafte Brandstifter gehört vor den Kadi!“, schrieb Stegner bei Twitter.

Der Sieger heißt: Lutz Bachmann

Die Empörer sollten aber einen Moment innehalten, denn ihre Empörung nutzt nur einem: dem Pegida-Chef. Bachmann wird sich im stillen Kämmerlein die Hände reiben. Hat er es den linken und verkrusteten Systemparteien doch wieder einmal so richtig gezeigt.

Auch der Ruf nach dem Staatsanwalt ist wohlfeil, denn alle wissen, dass der Goebbels-Vergleich immer ohne juristische Konsequenzen geblieben ist. Weder Konrad Adenauer (verbaler Ausfall gegen Kurt Schumacher), noch Herbert Wehner (Breitseite gegen Franz Josef Strauß – der den Vergleich  dann selbst gegen linke Demonstranten verwendete) wurden belangt. Und auch als Helmut Kohl den damaligen sowjetischen Generalsekretär Michail Gorbatschow mit Goebbels verglich, schwappte die Empörungswelle hoch, war aber auch nur der Beginn einer wunderbaren Politiker-Freundschaft, die am Ende in der deutschen Einheit mündete.

Lediglich eine Randnotitz

Empörung ist im Fall der wohl kalkulierten Provokation Bachmanns der falsche Weg – zumal der Pegida-Chef genau weiß und einkalkuliert, dass das alles ohne rechtliche Konsequenzen für ihn bleibt. Der Satz gehört historisch eingeordnet – das ist dann aber allenfalls eine Randnotiz in der langen Liste der Pegida-Dummheiten.

Lohnender ist es, sich unermüdlich und ohne Schaum vor dem Mund mit dem politischen Programm des Mannes auseinander zu setzen. Schnell kommt dabei ans Licht: Pegida hat kein tragfähiges Programm. Das gehört deutlich aufgeschrieben und klug erklärt – wieder und immer wieder. Die dumpfe Pegida-Empörung kann nicht mit demselben Empörungspotential gekontert werden – das hat der Goebbels-Vergleich von Lutz Bachmann gezeigt.

Mehr Goebbels gibt es hier:

Wer sich noch einige Goebbels-Vergleich zu Gemüte führen will. Der „Spiegel“ hat sich schon vor einigen Jahren die Mühe gemacht, einige Beispiel zusammen zu sammeln. Hier ist der Link zum SPIEGEL

Akif Pirinçci – shit happens!

Nach seiner rassistischen Rede bei einer Pegida-Demonstration hat Akif Pirinçci sich jetzt in einem Interview mit dem Magazin „Stern“ geäußert. Es kommt Erstaunliches zu Tag.

15.10.25-akif Viel Lärm um Akif Pirinçci. In diesem Tweet geht es darum, inwieweit sich die AfD-Jugend mit ihm solidarisiert hat.

Ist das eine Lesung?

Jetzt ist es geklärt – alles war ein großes Missverständnis. Akif Pirinçci hat mit den „Rechten nichts am Hut“, seine Hass-Rede war nur ein Freundschaftsdienst für seine alte Bekannte Tatjana Festerling und er hat den Auftritt insgesamt ganz anders gesehen. „Ich dachte, das wäre eine Lesung.“ Und: das Opfer ist im Grunde er selbst, Akif Pirinçci! Er sieht seine Existenz zerstört, weil Random House seine Katzen-Romane aus dem Programm genommen hat. „Was können denn die armen Katzen dafür“, fragt Pirinçci. Hier geht es zum Stern-Interview

Von Einsicht ist in dem Stern-Interview allerdings nichts zu lesen. Pirinçci: „Ich sehe das zwar im Fernsehen, aber das ist ja wie ein Rockkonzert, die feiern sich da selbst ab. „Hallo, wir sind Pegida, gimme five.“ Und dann komme ich mit einem total provokanten und polemischen Text daher, der sehr geschraubt ist, und tja… shit happens.“

Eine einfache Weltsicht

Das ist allerdings eine sehr einfache Weltsicht und es stellt sich die Frage, ob an diesem Mann die Diskussionen um Rechtspopulismus und Fremdenhass spurlos vorüber gegangen sind?

Er sinniert auch darüber, dass er Deutschland verlassen werde – aber auch in diesem Fall lässt der Autor tief blicken. Er will weg, weil er „nicht in einer muslimischen Gesellschaft leben“ will. Die Toleranz werde den Deutschen Stück für Stück genommen, wenn sie nicht mehr in der Mehrheit seien.

Akif Pirinçci bliebt sich also treu und verbreitet weiter sein kruden, rechtspopulistischen Thesen – aber wahrscheinlich ist auch das nur wieder ein großes Missverständnis.

Die AfD-Jugend verteidigt den Autor

Die Jugendorganisation der rechtpopulistischen Partei Alternative für Deutschland (AfD), Junge Alternative (JA), hat sich mit Akif Pirinçci solidarisiert, das meldet das Handelsblatt.Der Grund: wie einige Verlage hat auch der Internet-Händler  die Titel des Autors aus dem Programm genommen. In einer Pressemitteilung der JA heißt es wörtlich:

„Wir haben uns ‚Verstand statt Ideologie‘ auf die Fahne geschrieben, da können wir nicht mit Leuten zusammenarbeiten, die aus billigem Opportunismus heraus, die Meinungsfreiheit in Deutschland untergraben,“ erklärte der Bundesvorsitzende Sven Tritschler am Freitag. Es gebe sogar Buchhandlungen, die Pirinçcis Werke vernichten wollen. „Da fühlt man sich doch unweigerlich an Heine erinnert: ‚Erst brennen die Bücher und dann die Menschen!’“

Hier der Link zu der PR-Mitteilung

Sven Tritschler, Vorsitzender der Jungen Alternative, erklärt ausdrücklich, dass es sich nicht um eine inhaltliche Solidarisierung handelt. Hier ein Tweet dazu.

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Und auch der Co-Bundesvorsitzende Markus Frohnmaier erklärt: „Man muss nicht alles gutheißen, was Herr Pirinçci sagt oder gesagt hat, aber wenn man jetzt sogar seine unpolitischen Katzenkrimis aus dem Regal nimmt, handelt es sich um Existenzvernichtung. So etwas darf es heutzutage nicht mehr geben!“

Interessant ist, dass sich die AfD-Jugend sehr große Sorgen um die Existenz des Autors macht, der nach eigenem Bekunden ein großes Haus besitzt. Die Existenz der Flüchtlinge, die in ihrer Heimat durch den Bürgerkrieg alles verloren haben, scheint ihnen weniger am Herzen zu liegen.

Akif Pirincci, von allen guten Webmastern verlassen

Der Autor Akif Pirincci hat nach seiner Hass-Rede auf der Pegida-Demo in Dresden nicht nur die Justiz am Hals. Er muss sich für sein Blog „Der kleine Akif“ auch einen neuen Webmaster suchen. Der hat seinen Job gekündigt – jedoch nicht, ohne sich entsprechend zu verabschieden.

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Sogar Pegida-Bachmann ist es peinlich

Nach den Hassreden auf der Dresdner Pegida-Kundgebung haben sich zahlreiche Politiker entsetzt gezeigt. Vertreter der Bundesregierung machten am Dienstag klar, dass sie die Pegida nicht länger als eine Gruppe besorgter Bürger betrachten, sondern als eine zumindest in Teilen rechtsradikale Bewegung. Die Dresdner Justiz leitete gegen den Redner Akif Pirincci nach einer KZ-Äußerung Ermittlungen wegen Volksverhetzung ein. Der deutsch-türkische Autor Pirincci, der auf Einladung des Pegida-Gründers Lutz Bachmann bei der Kundgebung am Montagabend aufgetreten war, hatte in seiner Rede Muslime attackiert und Flüchtlinge als „Invasoren“ bezeichnet. Nach Kritik an Politikern, die er „Gauleiter gegen das eigene Volk“ nannte, sagte er: „Es gäbe natürlich andere Alternativen. Aber die KZs sind ja leider derzeit außer Betrieb.“ Die Menge reagierte mit Gejohle und Applaus.

Pirincci hatte im Vorfeld aber auf seiner eigenen Website geschrieben, er werde in Dresden „einen hübschen Text vorlesen, der in Sachen Wutrede in diesem Lande Maßstäbe setzen wird“. Darin werde es um „die Verbrechen gehen, die man diesem Volk gegenwärtig antut“.

Der Webmaster sagt „Tschüss“

Akif Pirincci mit seiner Hassrede nicht nur die Justiz auf den Plan gerufen, sondern auch einen seiner engsten Mitarbeiter vergrault. Der Mann nennt sich Thorsten und betreut nach eigenen Angaben das Blog „Der kleine Akif“ des Autors. Hier geht es zum Blog des Autors

Verabschiedet hat sich Thorsten mit einem Text, der an Deutlichkeit nicht zu wünschen übrig lässt – gepostet auf dem Blog von des Autors. Es ist eine Abrechnung mit Pirincci. Der Titel: „Von der Scham“. Was den Leser erwartet, wird schon durch das Bild deutlich, das dem Text voran gestellt ist. Es ist das 1992 in Rostock-Lichtenhagen entstandene Foto eines Mannes, der ein Deutschland-Trikot trägt, sich eingenässt hat und den rechten Arm zum Hitlergruß hebt.

Der Text scheint kein Fake zu sein und die Seite ist wohl auch nicht gehakt worden. Das schreibt nach eigener Recherche der Deutschlandfunk, der mit dem Webmaster Kontakt hatte.  Der Link zum Deutschlandfunk

Die Scham des Webmasters

Der Webmaster schreibt in seinem Text von der Scham, die „wir Deutsche, vielleicht wie kein anderes Volk auf der Welt empfinden, und sei es nur unbewußt“. Sie gründe sich auf die Verbrechen, die Deutsche in der Zeit des Nationalsozialismus begingen: darauf „nicht rechtzeitig aufgestanden zu sein“, „weggeschaut zu haben“, „die Welt in einen unvorstellbaren Vernichtungskrieg geführt zu haben“.

Das sei eine Scham, so heißt es weiter, die „du, lieber Akif, leider nicht nachempfinden kannst“. Also auch nicht jene, „den Heimkehrenden, geflüchteten Landsleuten aus den vom Feind besetzten Gebieten Vertriebenen die kalte Schulter gezeigt zu haben und sie so behandelten, wie deinesgleichen wünschten, wir würden die Flüchtlinge der Gegenwart noch heute behandeln“.

Eine Abrechnung mit Folgen

Das Fazit des Webmasters Thorsten: „Ich schäme mich nicht nur fremd, für dich, Freund Akif. Ich schäme mich für mich. Dafür, dir bei der Errichtung deiner Plattform zur Verbreitung deines Unsinns behilflich gewesen zu sein“.

Der Text war nicht nur eine Abrechnung mit dem Autor, sondern auch eine fristlose Kündigung. „Du wirst dir wohl einen neuen Webmaster suchen müssen“, heißt es am Ende des Briefes.

Inzwischen scheint das Blog vom Netz oder schlicht überlastet.

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Und hier noch ein kleiner Nachdreher: der offenbar illegale Mitschnitt eines sehr seltsamen Telefongesprächs, das Akif Pirincci im Sommer mit dem Satiremagazin Titanic führe. Hier der Link zur Titanic-Seite. (Leider konnten wir nicht überprüfen, ob das Gespräch echt ist – oder ein Fake)

Ein Jahr Pegida – eine Chronologie

Seit einem Jahr zieht die antiislamische Pegida-Bewegung mit ihren sogenannten Abendspaziergängen durch Dresden. Nach dem Höhepunkt rund um den Jahreswechsel und einer Skandalserie zu Jahresbeginn gehört Pegida inzwischen zum Dresdner Alltag. Eine Chronologie:
15.10.20-pegida  Protest gegen Pegida. In Dresden versammeln sich am 19. Oktober Zehntausende, um gegen die Rechtspopulisten demonstrieren.
11. OKTOBER 2014 Der Dresdner Lutz Bachmann gründet eine Facebook-Gruppe mit dem Titel „Friedliche Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“. Dort protestiert er gegen eine Solidaritätskundgebung für die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK in Dresden am Tag davor.
20. OKTOBER Zum ersten „Abendspaziergang“ der nun nicht mehr als Friedliche, sondern als Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes – kurz Pegida – auftretenden Gruppe kommen 350 Menschen.
24. NOVEMBER Erstmals kommen mehr als 5000 Menschen zu den wöchentlichen Spaziergängen, die öffentliche Wahrnehmung von Pegida steigt stark. Von nun an erhöht sich die Teilnehmerzahl der Märsche und Kundgebungen sprunghaft: Zwei Wochen später kommen schon 10.000 Teilnehmer. In vielen anderen Städten entstehen Pegida-Ableger.
8. DEZEMBER Auch die Pegida-Gegner verzeichnen wachsende Unterstützer. Mit 9000 Teilnehmern erreichen die seit Wochen laufenden Gegendemonstrationen in Dresden einen Höchststand. Die Proteste werden von verschiedenen Aktionen begleitet. So schaltet die Semper-Oper während der Pegida-Demonstration das Außenlicht am Gebäude ab.
19. DEZEMBER Pegida wird zum eingetragenen Verein.
22. DEZEMBER Am Montag vor Weihnachten kommen 17.500 Menschen zu einem als Singen von Weihnachtsliedern bezeichneten Aufmarsch. Pegida-Unterstützer attackieren zunehmend Journalisten. Diese werden als „Lügenpresse“ beschimpft – der Begriff wird später zum Unwort des Jahres.
10. und 12. JANUAR 2015 Die Proteste und die Pegida-Märsche erreichen ihren bis heute bestehenden Höhepunkt. An einer Protestkundgebung in Dresden nehmen 35.000 Menschen teil, am Pegida-Montagsmarsch 25.000. Bundesweit protestieren in diesen Tagen deutlich über 100.000 Menschen gegen Pegida.
18. JANUAR Mit Pegida-Mitbegründerin Kathrin Oertel geht erstmals ein führender Kopf der Gruppe an die Öffentlichkeit, sie ist Talkgast bei „Günther Jauch“.
19. JANUAR Wegen akuter Anschlagsgefahr wird die Pegida-Kundgebung abgesagt. Oertel und Bachmann geben zum ersten Mal eine Pressekonferenz.
21. JANUAR Nach dem Bekanntwerden eines Fotos von ihm in Hitler-Verkleidung tritt Bachmann ab. Die Staatsanwaltschaft Dresden leitet ein Ermittlungsverfahren wegen Volksverhetzung ein.
28. JANUAR Oertel und vier weitere führende Pegida-Köpfe ziehen sich wegen interner Querelen mit Bachmann, der sich doch nicht vollständig zurückziehen will, zurück.
8. FEBRUAR Oertel hält mit einer neuen Gruppe eine erste eigene Kundgebung ab, an der aber nur 500 Menschen teilnehmen.
9. FEBRUAR Zur ersten Pegida-Kundgebung nach der Spaltung kommen nur noch 2000 Menschen.
13. APRIL Der niederländische Rechtspopulist Geert Wilders spricht auf der Kundgebung. Bachmann kündigt 30.000 Teilnehmer an – es kommen 10.000.
6. JULI Bachmann kündigt die Teilnahme von Pegida bei den kommenden Wahlen an. Erstmals soll die Gruppe bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg im März 2016 antreten.
7. SEPTEMBER Nachdem im Sommer meist um die 2000 bis 3000 Teilnehmer kamen, steigt die Teilnehmerzahl der Abendspaziergänge wieder auf 5000. In den folgenden Wochen erhöht sich die Zahl weiter.
2. OKTOBER Die Staatsanwaltschaft Dresden erhebt Anklage gegen Bachmann wegen Volksverhetzung. Er soll auf seiner Facebook-Seite Kriegsflüchtlinge und Asylbewerber als „Gelumpe“ und „Viehzeug“ beschimpft haben.
12. OKTOBER Beim jüngsten „Abendspaziergang“ zeigt ein Teilnehmer einen Galgen, der für Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) bestimmt ist. Erneut ermittelt die Staatsanwaltschaft.
17. OKTOBER Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) gibt Pegida-Anhängern eine Mitverantwortung für brennende Flüchtlingsheime und Angriffe auf Flüchtlingshelfer.

19. OKTOBER Rund 15.000 Pegida-Anhänger ziehen am „Jahrestag“ durch Dresden. Gleichzeitig protestiert allerdings ungefähr dieselbe Anzahl von Gegendemonstranten. SPD-Chef Sigmar Gabriel findet deutliche Worte. Er bezeichnet die Pegida-Bewegung als „in Teilen offen rechtsradikal“. „Die Protagonisten stellen inzwischen sogar die Grundlagen der Demokratie infrage, indem sie diese Demokratie mit den Kampfbegriffen der NSDAP in der Weimarer Republik als ‚Altparteien-Demokratie’ und die Parlamente als ‚Quasselbude von Volksverrätern’ umzudeuten versuchen und die Medien als ‚Lügenpresse’ denunzieren“, sagte der Bundeswirtschaftsminister.

Ratlos vor Pegida

Seit einem Jahr laufen die Anhänger von „Pegida“ nun schon durch Dresden. Im Sommer schien die rechtspopulistische Gruppierung schon fast vergessen – dann kamen die Flüchtlinge. Inzwischen ist Pegida wieder zu einem festen Bestandteil der politischen Diskussion geworden. Aber auch nach einem Jahr ein die Politikern vor allem eins: die Ratlosigkeit im Umgang mit „Pegida“.

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Auftritt vor Millionen

Es war Günther Jauch, der „Pegida“ zu einem Millionenpublikum verhalf. 5,6 Millionen Zuschauer verfolgten Mitte Januar mit Neugier und einigem Erstaunen die ARD-Sendung „Günther Jauch“ mit „Pegida“-Sprecherin Kathrin Oertel. Innerhalb von nur drei Monaten hatten es die selbst ernannten „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ von einem kleinen Protest-Trüppchen in der Dresdner Innenstadt in die wichtigste Polit-Talkshow des Landes geschafft.

Damals gab sich Oertel noch die Mühe, den Schaftspelz überzustreifen. Als „normale Frau aus dem Volk“ versuchte sie sich bei ihrem Auftritt darzustellen. Doch die Zeiten haben sich geändert. Inzwischen wird bei den „Asylkritikern“ von „Pegida“ längst offen gehetzt gegen Flüchtlinge und Politiker. Auch vor Bedrohungen und Übergriffen auf Medienvertreter schrecken die Anhänger nicht mehr zurück.

Der erste „Abendspaziergang“

Als „Pegida“ am 20. Oktober 2014 erstmals zu einem „Abendspaziergang“ durch die Dresdner Innenstadt lud, nahmen nur wenige davon Notiz. Doch vor dem Hintergrund der sich bereits anbahnenden Flüchtlingskrise schwollen die Teilnehmerzahlen rasant an – auf bis zu 25.000 Menschen Mitte Januar 2015. Von Beginn an richtete sich deren Abneigung auch gegen die „Lügenpresse“, mit der man nicht redet. Anfangs hielt die Zivilgesellschaft noch tapfer dagegen. Doch die Gegendemonstranten waren zumindest in Dresden regelmäßig in der Unterzahl, zwischenzeitlich waren sie dann ganz verschwunden. Positive Ausnahme blieb eine Großkundgebung im Januar, bei der in Dresden rund 35.000 Menschen für Toleranz und Weltoffenheit demonstrierten.

Zu Beginn des Jahres wurde aus der Dresdner „Pegida“ ein bundesweiter Exportschlager. In ganz Deutschland, vor allem aber in den ostdeutschen Bundesländern, bildeten sich Nachahmer: „Magida“ (Magdeburg), „Sügida“ (Suhl), „Legida“ (Leipzig), „Bärgida“ (Berlin) und „Kögida“ (Köln) oder „Dügida“ (Düsseldorf) etwa. Sie alle sind – mit Ausnahme des Leipziger Ablegers – schnell in der Bedeutungslosigkeit verschwunden. Das Dresdner Original ist geblieben – und wiedererstarkt. So wie auch die Unsicherheiten im Umgang mit den „besorgten Bürgern“ und offenen Rechtsradikalen geblieben sind.

Schon fast erledigt

Dabei schien die Bewegung im Sommer schon fast erledigt zu sein. Die Teilnehmerzahlen sanken unter die Aufmerksamkeitsschwelle, andere Probleme waren wichtiger. Doch spätestens mit Einsetzen der Flüchtlingskrise im Spätsommer meldete sich „Pegida“ mit wachsenden Teilnehmerzahlen zurück. Geschätzt 9.000 Menschen kamen am vergangenen Montag in die Dresdner Innenstadt.

Es scheint die Anhänger nicht zu stören, dass „Pegida“-Chef Lutz Bachmann inzwischen wegen Volksverhetzung angeklagt ist, weil er auf einer öffentlich zugänglichen Facebook-Seite Kriegsflüchtlinge und Asylbewerber unter anderem als „Gelumpe“ und „Viehzeug“ beschimpft hatte. Die ehemalige Frontfrau Kathrin Oertel hatte die Bewegung ohnehin schon bald nach ihrem Fernsehauftritt im Streit verlassen und scheiterte anschließend mit der Gründung einer neuen Bewegung.

Verrohung des politischen Klimas

Die Migrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD), nennt die augenscheinliche Radikalisierung der vergangenen Wochen eine besorgniserregende „Verrohung des politischen Klimas“. Es müsse beunruhigen, wenn in Dresden Tausende Demonstranten solchen Hass-Parolen folgen.

„Pegida“ hat längst spürbare Folgen für die Gesellschaft – vor allem in Sachsen. Viele sprechen von einer Enthemmung auf der Straße. Vor Flüchtlingsunterkünften wird gegrölt, Eingänge mit Traktoren versperrt. Ohne „Pegida“ wären die Gewaltexzesse von Heidenau, die Übergriffe von Freital, Chemnitz und Dresden auf Flüchtlingsunterkünfte, die Brände in Meißen und Hoyerswerda nicht vorstellbar, sagt etwa der sächsische Grünen-Vorsitzende Jürgen Kasek. Der frühere Leipziger Thomaskirchen-Pfarrer Christian Wolff spricht von einer „montäglichen Aufladestation für Hetze und Hass“.

Männlich, konfessionslos, berufstätig

Nach einer Studie der TU Dresden entstammt der durchschnittliche „Pegida“-Anhänger der Mittelschicht, ist männlich, 48 Jahre alt, konfessionslos, nicht parteigebunden, gut ausgebildet, berufstätig und verfügt über ein für Sachsen etwas überdurchschnittliches Nettoeinkommen. Vor allem aber ist er jemand, der den Politikern weit über Sachsen hinaus Kopfzerbrechen bereitet. Seit am vergangenen Montag ein angeblich für Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) reservierter Galgen in der Demonstration auftauchte, ist bundesweit das Entsetzen groß. Die Migrationsbeauftragte Özoguz sagt, Bilder von Demonstranten, die Politikern mit Lynchmord drohen und mit einem Galgen auf die Straße gehen, hätte sie in Deutschland „nicht für möglich gehalten“. Das klingt nach Ratlosigkeit.

Die AfD meldet sich zurück

Während Angela Merkel in der ARD für ein weltoffenes Deutschland wirbt, gehen in Erfurt 8000 Menschen für ein anderes Deutschland auf die Straße. Die Frage, wie Deutschland mit dem großen Andrang von Flüchtlingen umgehen soll, treibt die Menschen um. Profitieren von der Stimmung kann die rechtspopulistische AfD, die viele im Sommer schon totgesagt hatten. Immer mehr Menschen fühlen sich  von der „Das-Boot-ist-voll“-Rhetorik der AfD angezogen.

15.10.08-erfurt Auch im Ausland wird man auf das „andere Gesicht“ Deutschlands aufmerksam.

„Deutschland dienen“?

Die Thüringer AfD hatte zu der Veranstaltung in Erfurt aufgerufen Rund 8000 Asylgegner zogen nach Polizeiangaben durch die Landeshauptstadt. Es war seit Mitte September die vierte Demonstration in Folge unter dem Motto „Thüringen und Deutschland dienen – Asylchaos beenden“. In der Vorwoche nahmen 5000 Menschen an der Veranstaltung teil.

Die AfD profitiert

Kaum eine andere Gruppierung scheint so viel Kapital aus den Berichten über unregistrierte Flüchtlinge und überfüllte Erstaufnahmeeinrichtungen zu schlage wie die AfD. Die Partei, die im Juli nach der Abspaltung des liberal-konservativen Lucke-Flügels noch bei drei Prozent herumgekrebste, würde – wenn am nächsten Sonntag Bundestagswahl wäre – nach dem aktuellen Wahltrend von Forsa sieben Prozent der Stimmen erhalten. Auch die Zahl der Parteimitglieder wächst seit zwei Monaten stetig an. Und bei der AfD sieht man kein Ende des Trends. „Alleine im September haben wir mehr als 4000 Emails zum Thema Asyl erhalten“, sagt AfD-Sprecher Christian Lüth. Nur ein Bruchteil der Absender seien AfD-Mitglieder gewesen.

Seehofers Schützenhilfe

Was der AfD nach Ansicht von Forsa auch hilft, ist die Kritik des bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU) an der Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Forsa-Chef Manfred Güllner sagt: „Die Attacken des Ministerpräsidenten Horst Seehofer gegen die Kanzlerin treiben Wähler am rechten Rand der CSU in hohem Maße der AfD zu.“ Damit bestätige sich die alte Erfahrung, „dass man mit rechten Themen immer das radikalere Original – in diesem Fall die AfD – stützt und das eigene Lager schwächt“. In Bayern liegt die AfD im Moment laut Forsa bei neun Prozent. In den östlichen Bundesländern käme sie sogar auf durchschnittlich zwölf Prozent.

Ruck nach ganz rechts

Innerhalb von Petrys Partei profiliert sich beim Asyl-Thema momentan besonders der rechtsnationale Vorsitzende der AfD-Landtagsfraktion in Thüringen, Björn Höcke. Nachdem Petry erst skeptisch war, hat sie die Einladung zu der von Höcke inzwischen regelmäßig veranstalteten „Mittwochsdemo gegen Asylmissbrauch“ in Erfurt jetzt angenommen. Mit von der Partie ist auch der Brandenburger AfD-Landeschef Alexander Gauland. Der frühere CDU-Mann sagt, es sei gut, dass gegen den Versuch demonstriert werde, „dass in Deutschland Asylpolitik auf dem Rücken von Deutschen und Asylbewerbern gemacht wird – denn es steht jetzt schon fest: Wir schaffen es nicht“.