Brutale Räumung eines Flüchtlingscamps in Paris

Immer wieder werden in Frankreich illegale Flüchtlingslager geräumt – doch nicht immer sind die Aktionen so spektakulär wie in der Nacht auf Dienstag auf dem Place de la République in Paris. Die Runde machen wieder einmal unschöne Bilder von reichlich brutal vorgehenden Polizisten, die auch vor dem Einsatz von Tränengas nicht zurückschrecken.

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Aktivisten bauen ein Flüchtlingslager

Aktivisten hatten am Montag mehrere Hundert Zelte für Flüchtlinge auf dem zentralen Platz in Paris aufgebaut. Ausgangspunkt war die Räumung eines Flüchtlingscamps unter einem Autobahnzubringer im Vorort Saint-Denis. Hunderte Migranten sind seitdem ohne Unterkunft.

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Die Polizei wartet nicht lange

Die Polizei rückte etwa eine Stunde nach dem Aufbau des Camps auf der Place de la République an. Die Beamten trugen die Zelte weg, in denen sich teilweise noch Flüchtlinge befanden. Später setzten sie dann auch Tränengas gegen die Migranten und ihre Unterstützer ein.

Die Pariser Polizeiführung erklärte, das Lager sei geräumt worden, weil es illegal gewesen sei. Die Polizei habe die Migranten „eingeladen“, sich anderswo eine vom Staat oder Hilfsgruppen angebotene Unterkunft zu suchen. Hilfsorganisationen und Pariser Abgeordnete sagten, sie hätten die Zelte errichtet, um auf das Leid von Migranten aufmerksam zu machen, die vergangene Woche aus einem anderen Lager nahe dem Nationalstadion vertrieben worden seien. Mangels anderer Optionen hätten sie seither auf der Straße geschlafen.

Die meisten der Menschen stammen aus Afghanistan, Somalia und Eritrea. Bei manchen sei der Asylantrag abgelehnt worden, andere hätten ihn noch nicht gestellt und fielen damit durch die bürokratischen Raster, sagte Torre.

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Angriff auf Journslisten?

„Sie sind zu gewalttätig. Wir wollen nur ein Dach über dem Kopf“, sagte der afghanische Flüchtling Shahbuddin nach Medienberichten. Ein Journalist des Online-Mediums „Brut“ wirft einem Beamten vor, ihn drei Mal angegriffen zu haben. „Wir werden die Polizeipräfektur und das Innenministerium um Erklärungen bitten“, erklärte „Brut“.

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Der Innenminister reagiert „schockiert“

Frankreichs Innenminister Gérald Darmanin nannte die Bilder von der Räumung des Lagers „schockierend“. Er forderte vom Polizeipräfekten einen Bericht an. Sobald dieser vorliege, werde er über weitere Schritte entscheiden, schrieb Darmanin im Onlinedienst Twitter.

Die Polizeipräfektur und die Präfektur der Region Ile-de-France erklärten in einer gemeinsamen Stellungnahme, der Aufbau nicht genehmigter Flüchtlingslager sei „nicht hinnehmbar“. Die Polizei sei eingeschritten, um die „illegale Besetzung des öffentlichen Raums“ zu beenden.

Zusammenhang mit neuem Gesetz?

Der Linkspolitiker Éric Coquerel, der selbst vor Ort war, bezeichnete das Verhalten der Polizei als „unverhältnismäßig“. Er sei von der Polizei herumgeschubst worden, sagte er dem Sender Franceinfo. Es sind nun vor allem Videos im Netz, die das Vorgehen der Polizei dokumentieren. Gleichzeitig wird im Parlament über das sogenannte globale Sicherheitsgesetz debattiert, das der Regierung zufolge die Polizei besser schützen soll.

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Ein umstrittener Paragraf sieht vor, dass die Veröffentlichung von Bildern von Sicherheitsbeamten im Einsatz bestraft werden kann, wenn sie das Ziel verfolgt, die körperliche oder seelische Unversehrtheit der Polizistinnen oder Polizisten zu verletzen. Medienschaffende sehen darin einen Angriff auf die Pressefreiheit und fürchten Repressionen bei Demonstrationen.
„Für mich liegt auf der Hand, dass, wenn sich die Polizei auf den Straßen von Paris so etwas erlaubt, es offensichtlich mit dem globalen Sicherheitsgesetz zusammenhängt“, sagt Linkspolitiker Coquerel.

Innenminister lässt prüfen

Innenminister Gérald Darmanin schaltete am Dienstag die Polizei-Aufsichtsbehörde ein, die als mächtige „Polizei der Polizei“ gilt.

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Gestrandet auf dem Weg in die erhoffte Freiheit

Viele Migranten wagen die Überfahrt von Calais in Richtung England – die Schlepperbanden agieren immer professioneller

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Im „Dschungel von Calais“ lebten viele Tausend Migranten unter unmenschlichen Bedingungen. Er wurde von der Polizei geräumt, doch viele Flüchtlinge sind noch immer in der Hafenstadt.

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Migranten hausen in Bretterbuden

Es ist kein guter Tag, die gefährliche Überfahrt zu wagen. Regen peitscht über den Strand und der Wind treibt über dem Meer die tiefhängenden Wolken in Böen vor sich her. Bei klarem Wetter kann man die weißen Klippen von Dover auf der anderen Seite des Ärmelkanals erahnen, doch nun verliert sich alles in einem dunkeln Grau. Viele Kilometer zieht sich der schmale Strandstreifen von Calais in Richtung Boulogne-sur-Mer, Touristen verirren sich keine in die Gegend, dafür patrouillieren auffallend viele Polizeifahrzeuge in regelmäßigen Abständen auf der Küstenstraße.

„Über 1000 Migranten hausen in den Dünen rund um Calais“, schätzt François Guennoc, Vizepräsident der Hilfsorganisation „Auberge des migrants“. Vor allem in Coquelles, etwas westlich der französischen Hafenstadt, legen immer wieder überfüllte Schlauchboote in Richtung des rund 33 Kilometer entfernen England ab. Zu sehen sind die Migranten nicht. Die Menschen, von denen sehr viele aus dem Iran stammen, leben versteckt in kleinen Zelten oder notdürftig zusammengezimmerten Behausungen aus Treibholz und Plastikplanen. Selbst François Guennoc, der seit vielen Jahren die Situation vor Ort beobachtet ist überrascht, wie viele Migranten in diesem Sommer die Überfahrt wagen. Die Zahl steige kontinuierlich. Wurden 2019 offiziell noch 586 Versuche gezählt, sind es in diesem Jahr bereits weit über 2000.

Die Zahl der Migranten in Calais steigt

Die zuständige Polizeibehörde in Calais macht dieselbe Beobachtung, allerdings aus einem anderen Blickwinkel. „Von Januar bis Juli 2020 wurden im Vergleich zum Vorjahr fünf Mal mehr Überfahrten verhindert“, heißt es in einer Mitteilung. Zudem seien vier Mal mehr Boote und Ausrüstung schon vor dem Ablegen in den Dünen entdeckt worden.

François Guennoc macht mehrere Faktoren für die Zunahme verantwortlich. Zum einen erreichten viele der Migranten, die bis zu 3000 Euro an die Schlepper bezahlen müssen, das britische Ufer des Ärmelkanals. In weit über der Hälfte der Fälle sei die Überfahrt erfolgreich, das ermutige andere. Grund sei aber auch der drohende Brexit. „Die Schleuser sagen den Leuten, dass sie sich beeilen müssen, bevor die Grenzen ganz dichtgemacht werden“, erklärt Guennoc. Auch wenn das nicht stimme, erhöhe es natürlich den Druck auf die verzweifelten Menschen. Zudem agieren die gut organisierten Schlepperbanden inzwischen wesentlich professioneller. Die Schlauchboote werden im Internet gekauft und sogar aus den Nachbarländern nach Calais transportiert.
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Die Polizei ist besser ausgerüstet

Allerdings wurden auch die französischen Sicherheitskräfte zu Land und auf dem Wasser zuletzt wesentlich besser ausgestattet, sagt Philippe Sabatier von der Staatsanwaltschaft in Boulogne-sur-Mer. Seit Januar seien vier Schleppernetzwerke aufgedeckt worden. Dennoch werde es immer schwieriger, den Organisationen das Handwerk zu legen. Das hänge auch damit zusammen, dass die Schleuser vor Ort ständig brutaler zu Werke gingen und immer häufiger die Migranten in völlig überfüllten, schlecht motorisierten Schlauchbooten aufs Meer schickten.

Calais ist seit vielen Jahren ein Sammelpunkt für Migranten aus der ganzen Welt auf ihrem Weg nach Großbritannien. Im Jahr 2016 löste die Polizei mit Gewalt ein Camp am Rand der Stadt auf. Im sogenannten „Dschungel von Calais“ hausten mehrere Tausend Menschen unter unwürdigen Bedingungen. Gleichzeitig wurde der Hafen, wo die Fährschiffe nach Dover ablegen, für viele Millionen Euro mit Zäunen und Stacheldraht abgeschirmt und zu einer Art Festung ausgebaut. .

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Hilfsorganisationen prangern die Härte der Polizei an

Gleichzeitig versuchen nun die französischen Behörden das Entstehen von neuen Elendslager zu verhindern. Immer wieder durchkämmen Einheiten die Strandabschnitte rund um Calais, zerstören provisorische Hütten, nehmen Migranten fest. Viele Gelände sind inzwischen mit hohen Stacheldrahtzäunen und Kameras gesichert. Den Beamten wird von den Hilfsorganisationen vorgeworfen, bei ihren regelmäßigen Razzien mit übergroßer Härte gegen die Migranten vorzugehen.

Claire Millot glaubt nicht, dass sich die Situation in Calais irgendwann ändern wird. So lange die Menschen aus politischen oder wirtschaftlichen Gründen ihre Heimat verlassen müssten und sie ein Fünkchen Hoffnung auf ein besseres Leben haben, würden sie auch Todesgefahren auf sich nehmen, sagt die Generalsekretärin der Hilfsorganisation Salam. „Wir warnen immer wieder davor, sich auf den lebensgefährlichen Weg zu machen“, sagt sie, zumal viele nicht einmal schwimmen könnten. Aber wie groß müsse die Verzweiflung dieser Menschen sein, wenn sich manche sogar paddelnd auf Surfbrettern oder in kleinen Kanus auf das offene Meer wagen.

Eine Zeltstadt in Paris für junge Migranten

Hilfsorganisationen haben mitten in der französischen Hauptstadt Zelte aufgebaut. Sie protestieren gegen den Umgang mit den Geflüchteten, die nicht als Minderjährige anerkannt sind.

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Die Zelte in den Park stehen schön in Reih‘ und Glied

Proteste gegen den Umgang mit jungen Flüchtlingen

Etwas verwirrt blättert das Touristenpaar in ihrem Reiseführer. Doch diesen Zeltplatz am Square Jules-Ferry mitten im 11. Arrondissement von Paris suchen sie auf der Karte vergebens. „Das ist kein Feriencamp“ steht am schmiedeeisernen Eingangstor. Vor einigen Tagen haben ein Handvoll Hilfsorganisationen in dem kleinen Park mehrere Dutzend Zelte aufgebaut und dort mehr als 70 junge Männer einquartiert. In der Mitte der Anlage steht ein kleiner Pavillon, wo ehrenamtliche Helfer für eine minimale medizinische Versorgung und die psychische Betreuung sorgen. An einem Pfosten hängt ein großes Schild mit einer „Hausordnung“. Darauf steht etwa, dass Abfall weggeräumt werden muss und ab 22 Uhr Abendruhe herrscht. „Wir wollen mit der Aktion auf die prekäre Situation minderjähriger Flüchtlinge in Frankreich aufmerksam machen“, sagt eine junge Frau, auf ihrer weißen Weste prangt das Emblem der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF).

Harsche Kritik an Frankreichs Praxis

Die Hilfsorganisationen werfen dem Staat vor, gegen die UN-Kinderrechtskonvention zu verstoßen. Das Problem: in nicht eindeutigen Fällen dauert es in Frankreich mehrere Monate, bis die Migranten als minderjährig anerkannt werden. In dieser langen Wartezeit werden die Geflüchteten, anders als in Deutschland, nicht als Minderjährige betrachtet und entsprechend nicht untergebracht und versorgt. Die Folge: Sie leben häufig auf der Straße. Im Gegensatz dazu werden in Deutschland die jungen Menschen in staatliche Obhut genommen – auch wenn eine Prüfung noch aussteht. Ärzte ohne Grenzen fordert, dass die jungen Menschen in Frankreich sofort bei Ankunft in Frankreich geschützt werden.

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In einem kleinen Pavillion werden die Geflüchteten notdürftig versorgt

Viele Geflüchtete kommen aus Westafrika

Die jungen Geflüchteten werden in Frankreich „ni-ni“ (weder-noch) genannt, weil sie rechtlich weder Jugendliche noch Erwachsene sind. Einige dieser jungen Männer haben es sich auf einer Bank in der Sonne bequem gemacht. Alle stammen sie von der Elfenbeinküste und alle sind nach eigenen Angaben gerade 17 Jahre alt geworden. In ihrer Heimat hätten sie keine Hoffnung auf ein besseres Leben, sagt einer der Jungs namens Pierre. Nach Frankreich seien sie wegen der Sprache gekommen. Er selbst hat sich nach seiner Ankunft im vergangenen Winter beim Roten Kreuz registriert – wurde aber nicht als minderjährig anerkannt. „Ich habe meine Geburtsurkunde vorgelegt, aber sie haben mir nicht geglaubt.“ Gegen diese Entscheidung hat Pierre Widerspruch eingelegt, lebt nun in Paris auf der Straße und schlägt sich mit Gelegenheitsjobs über die Runden.

Die jungen Flüchtlinge können nicht zur Schule gehen

„Der größte Traum der jungen Menschen ist es, zur Schule zu gehen“, erzählt eine Helferin von Ärzte ohne Grenzen. Doch der Staat verbaue mit seiner Anerkennungspraxis den Jugendlichen jede Möglichkeit, etwas zu lernen oder sich zu integrieren. Scharfe Kritik üben die Hilfsorganisationen auch an den Tests, bei denen das Alter festgestellt werden soll. „Das sind auf ganz einfache Gespräche, oft ohne Übersetzer, meist sehr kurz“, sagt die junge Helferin. Es sei meist auch nicht wirklich transparent, wie die Kommissionen zu ihren Urteilen kommen. Nach Angaben von Ärzte ohne Grenzen besteht eine hohe Fehlerquote bei der Entscheidung darüber, ob jemand minderjährig ist oder nicht. Demnach wurden 56 Prozent der Jugendlichen, die 2018 von MSF begleitet wurden und gegen die Entscheidung Einspruch eingelegt haben, schließlich von einem Jugendrichter endgültig als minderjährig anerkannt. Die Hilfsorganisation Human Rights Watch beschreibt die Prozedur in einem Bericht als Lotterie.

Keiner will den Schwarzen Peter haben

Ein Problem ist auch, dass bei der Unterbringung der jungen Männer die Zuständigkeit nicht wirklich geklärt ist und die Verantwortung von einer Stelle zur anderen geschoben wird. „Wir haben vorgeschlagen, eine Anlaufstation einzurichten, wo die Geflüchteten bleiben können, bis ihre rechtliche Lage geklärt ist“, erklärt Dominique Versini, die sich bei der Stadt Paris um die sozialen Belange kümmert. Die staatlichen Stellen und die Präfektur aber hätten sich bis zuletzt einer Lösung widersetzt. Die Sache sei aber natürlich nicht vor Tisch, verspricht sie, ein neuer Anlauf soll in den nächsten Tagen unternommen werden.

Ungarn: Schärfere Regeln für Flüchtlingshelfer

Ungarn hat die Regeln für die Arbeit von Flüchtlingshelfern drastisch verschärft. Das Parlament in Budapest verabschiedete am Mittwoch – dem Weltflüchtlingstag – mit breiter Mehrheit ein Gesetzespaket, das Flüchtlingshelfern mit Gefängnisstrafen bedroht.

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„Organisatoren illegaler Migration“

Die von der rechtskonservativen Regierung ausgearbeitete Vorlage zielt auf „Organisatoren illegaler Migration“ ab. Flüchtlingshelfer fürchten nun eine Kriminalisierung ihrer Arbeit, die Bundesregierung äußerte erneut Bedenken gegen das Gesetz. Das Gesetzespaket erhielt 160 Stimmen, nur 18 Abgeordnete stimmten dagegen.

Es sieht bis zu einem Jahr Haft für jeden vor, der einem illegal aus einem Nicht-Schengen-Land nach Ungarn eingereisten Migranten hilft, wenn dessen Leben nicht unmittelbar in Gefahr ist.

Weitreichende Änderung der Verfassung

Zu den verabschiedeten Vorlagen zählt eine Verfassungsänderung, wonach künftig keine Instanz „die Zusammensetzung der Bevölkerung“ Ungarns antasten darf. Dieser Verfassungsartikel richtet sich gegen die von der Europäischen Union beschlossene Quotenregelung für die Verteilung von Flüchtlingen auf die EU-Staaten. Die Regierung erklärte dazu, die „Souveränität Ungarns“ werde gestärkt. „Mit dieser Verfassungsänderung verbieten wir die Niederlassung ausländischer Bevölkerungen in Ungarn.“ Teil des Gesetzespakets ist auch die Verpflichtung für die ungarischen Institutionen, die „christliche Kultur zu verteidigen“. Außerdem wird Obdachlosen verboten, auf öffentlichen Plätzen zu übernachten.

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Das „Stop-Soros-Gesetz“

Das unter Anspielung auf den ungarischstämmigen US-Milliardär George Soros auch als „Stop-Soros-Gesetz“ bezeichnete Paket hatte die Regierung des rechtspopulistischen Ministerpräsidenten Viktor Orban bereits vor einigen Monaten angekündigt und mit Sicherheitsinteressen begründet. Die ungarische Regierung betrachtet den als Mäzen aktiven Soros als Gegner. Dessen international tätige Stiftung unterstützt unter anderem mehrere Bürgerrechtsbewegungen in Ungarn. Orban warf Soros vor, über seine Organisation „Masseneinwanderung“ in die EU zu steuern.

Angriff auf die Menschenrechte

Amnesty International sieht in dem Gesetz einen „fundamentalen Angriff“ auf die menschenrechtlichen Grundsätze der EU. Helfer würden damit „systematisch stigmatisiert“ und in der Ausübung ihrer Tätigkeit behindert, erklärte die Europaexpertin von Amnesty Deutschland, Janine Uhlmannsiek. „Es ist bittere Ironie, dass das ungarische Parlament das Gesetz ausgerechnet am Weltflüchtlingstag verabschiedet hat.“

Orban droht der EU mit einem Veto

Viktor Orban hat ein eher angespanntes Verhältnis zur Europäischen Union. Nun gibt es wieder einmal Streit. Dieses Mal geht es um den neuen EU-Haushaltsplan, die Verteilung der Flüchtlinge in Europa und die Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien.

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Fidesz will eine Änderung der Verfassung

In Sachen Flüchtlinge will die in Ungarn regierende Fidesz-Partei für klare Verhältnisse sorgen. Mit einer Verfassungsänderung will sie der von der EU geforderten Unterbringung von Flüchtlingen in dem Land einen Riegel vorschieben. Die Nachrichtenagentur MIT berichtete unter Berufung auf den Fidesz-Politiker Mate Kocsis, die Gesetzesinitiative solle verhindern, dass die Europäische Union das Land zur Aufnahme von Flüchtlingen im Rahmen ihres Resettlement-Programms verpflichten könne.

Orban hatte das Vorhaben bereits 2016 ins Parlament eingebracht. Damals verfehlte er aber die nötige Zweidrittel-Mehrheit. Nach der Wahl im April verfügt Orban aber über diese Mehrheit, mit der er Verfassungsänderungen im Alleingang durchsetzen kann.

Außenminister auf Konfrontationskurs zur EU

Zuvor war bereits Außenminister Peter Szijjarto auf Konfrontationskurs zur EU gegangen und hatte die von der EU-Kommission geplante Koppelung von Geldzahlung an die Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipen als Erpressung zurückgewiesen.

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Die EU-Kommission wirft der rechts-nationalen Regierung von Orban vor, die Unabhängigkeit der Justiz zu untergraben und die Pressefreiheit einzuschränken. Ungarn gehört zu den größten Netto-Empfängerländern in der EU.

Streit um den EU-Haushalt

Doch damit nicht genug. Am Horizont zeichnet sich eine neue, große Auseinandersetzung mit der EU ab – es geht um den Haushalt der Union. Ministerpräsident Viktor Orban hat mit einem Veto gedroht. Die Mitgliedstaaten müssten einstimmig über den Vorschlag der EU-Kommission entscheiden, „daher müssen sich die Ungarn keine Sorgen machen“, sagte Orban in einem Radiointerview.

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Der Grund für die Aussage: Ungarn hat Angst, in Zukunft weniger Geld aus den Brüsseler Kassen zu bekommen. Orban sagte, er werde keinen EU-Haushalt unterstützen, der weniger Fördergelder für Bauern, Forschung und regionale Entwicklung vorsehe, und das Geld stattdessen an Länder verteile, „die Migranten reinlassen“.

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Der neue Finanzplan der EU

EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger hatte am Mittwoch seine Finanzplanung für die Zeit von 2021 bis 2027 vorgestellt. Dabei kündigte er an, die Vergabe von Fördergeldern künftig auch an die Einhaltung rechtsstaatlicher Standards in den Empfängerländern knüpfen zu wollen. Die EU-Kommission zielt damit auf Länder wie Ungarn oder Polen ab, mit denen sie wegen Zweifeln am Zustand ihres Rechtsstaats im Konflikt ist.

UN kritisieren „Stop Soros“-Gesetz

Nun melden sich auch die Vereinten Nationen zu Wort. Die UN haben Ungarn aufgefordert, das geplante Gesetz zur Kontrolle von Flüchtlingshilfsorganisationen zu ändern.

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Gegen Soros läuft in Ungarn eine Kampagne

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„Schlimme Konsequenzen“ für Flüchtlinge

Der Entwurf bedrohe nicht nur die Arbeit der Zivilgesellschaft in Ungarn, sondern könne auch „schlimme Konsequenzen“ für Flüchtlinge haben, sagte ein Sprecher des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte in Genf. Das Gesetz bedeute eine „Verletzung der Menschenrechte durch die Regierung“, sagte UN-Sprecher Rupert Colville in Genf. „Wir fordern die ungarische Regierung dazu auf, diese Vorschläge zu überprüfen“, fügte er hinzu. Der ungarische Gesetzentwurf zielt auf Nichtregierungsorganisationen ab, die aus dem Ausland finanziert werden.

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Soros unterstützt in Ungarn NGOs

Das Gesetz mit dem Namen „Stop Soros“ richtet sich insbesondere gegen den aus Ungarn stammenden US-Milliardär George Soros, der mit seinen Stiftungen mehrere ungarische Bürgerrechtsorganisationen unterstützt.

Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban beschuldigt Soros, von außen eine „Masseneinwanderung“ in die EU zu steuern. Orban hat Soros immer wieder öffentlich angegriffen und unter anderem als „Staatsfeind“ bezeichnet. Der am Dienstag von der rechtskonservativen ungarischen Regierung veröffentlichte Gesetzentwurf sieht eine Steuer von 25 Prozent auf ausländische Finanzmittel für Organisationen vor, die „illegale Einwanderung unterstützen“.

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Bereits im Juni hatte Ungarn ein Gesetz verabschiedet, wonach sich Organisationen, die jährlich mehr als 24.000 Euro aus dem Ausland erhalten, registrieren lassen müssen. Zudem müssen sie dem Staat ihre Finanzquellen offenlegen. Auch dieses Gesetz zielte auf Soros ab.

Ungarn plant Strafsteuer für Flüchtlings-NGOs

Ungarn macht weiter Druck auf Zivilorganisationen. In den Fokus geraten nun jene, die Flüchtlingen helfen. 
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Wer Flüchtlingen hilft wird bestraft

Die rechtsnationale Regierung in Budpest plant eine neue Strafsteuer für NGOs, die sich für Flüchtlinge einsetzen und ihre Kosten überwiegend durch Unterstützung aus dem Ausland decken. Dies gab der ungarische Innenminister Sandor Pinter nach einer Regierungssitzung bekannt. Die Steuer werde 25 Prozent betragen.
Die Maßnahme ist Teil eines geplanten Gesetzespakets, das die Tätigkeit von Organisationen regulieren soll, die mit dem sogenannten „Soros-Plan“ in Zusammenhang gebracht werden. Das „Stop-Soros-Paket“ sieht weiter vor, dass sich Organisationen, die – wie es im Gesetzesentwurf heißt – „illegalen Migranten“ helfen, bei Gericht registrieren lassen müssen. Ausländische Mitarbeiter solcher Organisationen können des Landes verwiesen werden. Das Gesetzespaket soll nach der Erörterung in verschiedenen Gremien und Verbänden vom Parlament beschlossen werden.

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Registriert als „auslandsgeförderte Organisation“

Seit dem Vorjahr gilt bereits ein Gesetz, das alle Zivilorganisationen, die mehr als 24 000 Euro im Jahr an Hilfen aus dem Ausland erhalten, dazu zwingt, sich bei Gericht zu registrieren. Sie müssen außerdem in allen Publikationen die Bezeichnung „auslandsgeförderte Organisation“ anführen. Das Gesetz ist derzeit Gegenstand eines Vertragsverletzungsverfahrens der EU.
Der „Soros-Plan“ steht wiederum im Mittelpunkt eines monatelangen Propaganda-Kreuzzuges der Regierung von Ministerpräsident Viktor Orban. Diese beschuldigt den US-Milliardär George Soros, der zahlreiche Zivilorganisationen unterstützt, Europa mit Flüchtlingen „überschwemmen“ zu wollen, um es seiner „christlichen und nationalen Identität“ zu berauben. Für einen derartigen Plan des in Ungarn geborenen Philanthropen gibt es keine Beweise.
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Kein Schiff wird kommen – Kapitän der Identitären Bewegung in Haft

Mitglieder der rechtsextremen Identitären Bewegung wollten mit einem Schiff Flüchtlinge an der Überfahrt über das Mittelmeer hindern. Die Mission hat nun offenbar ein Ende gefunden: der Kapitän soll auf Zypern festgenommen worden sein.

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Der Spott im Netz angesichts der Aktion ist groß.

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Famagusta – Ist diese Geschichte erfunden? Oder ist es Satire? Die Story ist fast zu gut, alle Teile passen perfekt zusammen und sie hat eine Pointe, die an Ironie kaum zu übertreffen ist. Gesichert ist: rechtsextreme Anit-Flüchtlings-Aktivisten haben ein Schiff gechartert, um die Migration über das Mittelmeer zu stoppen und Flüchtlinge wieder nach Libyen zurückzubringen. Nun meldet die Zeitung „Kibris Postasi“, der Kapitän der „C-Star“ sei in Hafen von Famagusta in der Türkischen Republik Nordzypern festgenommen worden. Der Mann sei festgenommen worden, weil er falsche Dokumente vorgelegt habe. Auf linken Internetseiten ist die Rede davon, dass der Kapitän sogar wegen Verdachts der Schlepperei festgenommen worden sein soll.

Tamilen beantragen Asyl

Hier ist Geschichte allerdings noch nicht zu Ende. Durch die sozialen Medien schwirrt eine Nachricht, die tamilische Besatzung des Schiffes, das unter mongolischer Flagge fahren soll, habe in Zypern Asyl beantragt. Die ursprüngliche Quelle dieser Angabe ist ein Blog-Eintrag des französisch-griechischen Filmemachers Yannis Youlountas. „DEFEND EUROPE, c‘est fini!“ schreibt er und bezieht sich auf den Namen den die Rechtsextremen ihrer eigenen Aktion gegeben haben. Zudem soll die tamilische Crew angegeben haben, dass sie für die Fahrt bezahlt haben. Ein offizielle Bestätigung für diese Berichte gibt es allerdings nicht. Der Spott in Internet kennt angesichts der Geschichte allerdings keine Grenzen.

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Vorwurf der Schlepperei

Laut dem österreichischen „Kurier“ erklärte die Identitäre Bewegung, der Vorwurf der Schlepperei sei „absurd“. Die Tamilen seien zu Trainingszwecken an Bord gewesen, um eine Kapitänsausbildung zu absolvieren. Das sei ein ganz normaler Vorgang, sie hätten natürlich auch dafür bezahlt. Als sie an Land kamen, um einen Crewwechsel durchzuführen, seien sie von NGOs „massiv gedrängt“ worden, einen Asylantrag zu stellen.

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Martin Sellner, Kopf der Identitären Bewegung Österreich, bestätigte gegenüber „Buzzfeed“, dass das Schiff in Zypern gestoppt wurde: „Es ist das gleiche wie im Suezkanal“, so der Aktivist. „Falsche Vorwürfe, die zu Repressalien führen, um uns Zeit zu stehlen. Das Unternehmen wird dagegen vor Gericht ziehen“.

Es ist offensichtlich nicht das erste Mal, dass das Schiff Probleme hat, seine Mission fortzusetzen. Die C-Star war bereits vergangene Woche im Suezkanal gestoppt worden, weil es dem Kapitän nicht gelungen war, eine zufriedenstellende Crew-List vorzulegen, berichtete der britische „Independent“.

Auf dem Twitter-Account „Defend Europe“ werden inzwischen die meisten der Angaben indirekt bestätigt. Natürlich sieht die Identititäre Bewegung dahinter eine Verschwörung und Intrigen von Menschenrechtsgruppen.

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Offensichtlich sitzen nun Mitglieder der Identitären Bewegung auf Sizilien fest. Sie wollten in Catania die C-Star besteigen und von dort aus in See stechen, um Flüchtlinge an der Überfahrt über das Mittelmeer zu hindern.

Hinter der Aktion der Gruppe „Defend Europe“ stehen deutsche, französische und italienische Mitglieder der Identitären Bewegung, die in Deutschland wegen ihrer völkischen Ideologie vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Die Rechtsextremisten hatten Mitte Mai eine Kampagne im Internet gestartet und 76 000 Euro für die Anmietung eines Schiffs eingesammelt.

Von Libyen aus brechen die meisten Menschen in seeuntüchtigen Booten auf. Auf dem Seeweg erreichten seit Jahresbeginn schon mehr als 112 000 Menschen die Küsten Europas. Die Aktion „Defend Europe“ richtet sich nicht nur gezielt gegen diese Migranten, sondern auch gegen Hilfsorganisationen, die die Menschen im Mittelmeer aus Seenot retten und an Land bringen.

Die „Identitäre Bewegung“ inszeniert sich jung und modern. Deutsche Verfassungsschützer haben sie seit 2016 im Visier. In Deutschland ist die Gruppierung mit französischen Wurzeln seit 2012 aktiv und macht immer wieder mit Aktionen von sich reden. Im vergangenen Sommer besetzte sie das Brandenburger Tor und enthüllte am Wahrzeichen der Hauptstadt Banner mit der Aufschrift: „Sichere Grenzen – Sichere Zukunft“. Im Mai wollten Aktivisten ins Bundesjustizministerium eindringen.

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Info: Wer ist die Identitäre Bewegung?

Die Identitäre Bewegung ist gegen „unkontrollierte Massenzuwanderung“. Der Verfassungsschutz erkennt bei der Gruppierung „Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung“.

Die Wuzeln der Identitären Bewegung liegen in Frankreich, wo sie im Jahr 2004 als Teil des „Bloc identitaire“ entstand. Von dort aus hat sie sich in weiteren Ländern verbreitet. Experten sehen in der Gruppe eine Spielart des Rechtsextremismus. Die Bewegung wendet sich gegen „Multikulti-Wahn“, „unkontrollierte Massenzuwanderung“ und den „Verlust der eigenen Identität“. Sie fordert eine „Festung Europa“ und den Verbleib jeder Ethnie „auf ihrem geschichtlich gewachsenen Gebiet“. Dem Verfassungsschutz zufolge lassen die „Identitären“ „Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung“ erkennen. Im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise habe sich die Bewegung zunehmend radikalisiert.

In Deutschland soll die Bewegung rund 400 aktive Anhänger haben und ist 2012 aktiv. Nachzuweisen sind Kontakte zu anderen Gruppierungen am rechten Rand, etwa mit der Studentenverbindungen besonders des deutsch-österreichischen Dachverbandes Deutsche Burschenschaft. Eine Studie der Berliner Senatsverwaltung für Inneres kam 2015 zu dem Schluss, es gebe eine Aktionseinheit gegen Flüchtlinge von „Bürgerbewegung Pro Deutschland“, HoGeSa-Berlin, Identitärer Bewegung und Berliner NPD.

Die Identitäre Bewegung inszeniert sich jung und modern. Deutsche Verfassungsschützer haben sie seit 2016 im Visier. Zuletzt versuchte die Gruppe, mit verschiedenen Aktionen Aufmerksamkeit zu erregen. Im vergangenen Sommer besetzte sie das Brandenburger Tor und enthüllte am Wahrzeichen der Hauptstadt Banner mit der Aufschrift: „Sichere Grenzen – Sichere Zukunft“. Im Mai wollten Aktivisten ins Bundesjustizministerium eindringen.

Hinter der aktuellen Aktion der Gruppe „Defend Europe“ stehen deutsche, französische und italienische Mitglieder der Identitären Bewegung. Sie versuchen, mit einem eigenen Schiff, Migranten auf dem Mittelmeer zu stoppen.

Das Symbol der Identitären Bewegung Deutschlands ist das Lambda, der elfte Buchstabe des griechischen Alphabets. Als sich spartanische Krieger um 480 vor Christus in der Schlacht bei den Thermopylen den anrückenden persischen Truppen entgegenstellten, sollen sie dieses Zeichen auf ihren Schilden getragen haben. In dieser Tradition sehen sich auch die Identitären.

AfD und die „kluge Provokation“

Es läuft nicht gut für die AfD. Die Umfragen sehen die Partei bei rund 8 Prozent – doch das ist der Führungsriege offensichtlich zu wenig. Nun wurde das Wahlkampfteam ausgetauscht. Das Ziel der Truppe: Durch „kluge Provokationen“ eine erhöhte Medienaufmerksamkeit schaffen. Das lässt für den Wahlkampf einiges befürchten.

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Die AfD ist unzufrieden mit der eigenen Performance.

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Eine neue „Spezialeinheit“

Die „Bild“ berichtet, dass ein siebenköpfiges Gremium mit den Spitzenkandidaten Alexander Gauland und Alice Weidel faktisch die Steuerung des Wahlkampfs übernommen habe. Der „Focus“ berichtet von einer „Entmachtung“ des bisherigen Wahlkampfchefs Michael Büge.
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Aber natürlich ist alles ganz anders, als es sich darstellt. Aus diesem Grund meldete sich  AfD-Sprecher Christian Lüth zu Wort: „Von Entmachtung kann man nicht sprechen.“ Das bisherige Team leiste gute Arbeit. Allerdings gebe es eine neue Gruppe, die „strategischen Input“ geben solle. Das heißt, dass die „Spezialeinheit“ auf die Themen der AfD aufmerksam machen soll. Wie das gehen soll, zeigte sich auch bei der Beurteilung der Vorfälle in Schorndorf. Dort war es auf einem Stadtfest zu tumultartigen Szenen gekommen, so dass die Polizei eingreifen musste. Offensichtlich waren auch Asylbewerber beteiligt, was die AfD wieder einmal dazu veranlasste, das Ende des Abendlandes auszurufen.

Hier das Zitat aus einer Pressemitteilung der AfD. Darin äußert sich Jörg Meuthen, AfD-Fraktionschef im Landtag, über die Vorfälle in Schorndorf. Mehr als deutlich zu erkennen ist das Ziel, den Volkszorn gegen die Flüchtlinge zu schüren:

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„Inmitten von Flüchtlingen und jungen Glücksrittern sei „ein gewalttätiger Mob in unser Land eingedrungen, der dieses Land als Beute betrachtet, unsere Töchter als verfügbare Schlampen, unsere Söhne als Aggressionsmülleimer und unsere Sozialleistungen als das Starter Set für eine Gangster-Karriere“.“

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AfD interessiert sich nicht für Fakten

Das Problem: es stellte sich heraus, dass die Vorfälle in Schorndorf nicht so waren, wie sie anfangs dargestellt worden waren – und schon gar nicht so, wie sie die AfD nun beschreibt. Das ist den Politikern allerdings egal, denn sie haben ein zentrales Problem: Grund für das Absacken der AfD ist offensichtlich, dass der Partei eine Kernbotschaft fehlt, so lautet das Urteil Gaulands in seinem Strategiepapier. Diese Beobachtung wird auch in einer Studie der Universität Göttingen bestätigt.

Auf der Suche nach einem Thema

Daraus leitet die AfD ab, dass jede Gelegenheit genutzt wird, um beim Thema Flüchtlinge und innere Sicherheit – den beiden einzigen Punkten, mit denen die AfD noch zu punkten hofft – mächtig auf die Pauke gehauen wird. Auch wenn dabei die Wahrheit auf der Strecke bleibt.

Überraschende Niederlage für Orban

Das Parlament in Budapest lehnte am Dienstag einen von ihm vorgelegten Gesetzentwurf gegen die Flüchtlingsquote der Europäischen Union ab. Zu Fall gebracht haben den Vorstoß ausgerechnet die Ausländerfeinde in der Volksvertretung: die rechtsextreme Jobbik-Partei.

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Eine sehr knappe Niederlage

Nur zwei Stimmen fehlten dem erfolgsverwöhnten Victor Orban für die notwendige Zweidrittelmehrheit zur Änderung der Verfassung. Alle 131 Abgeordneten von Orbans rechtskonservativer Regierungskoalition stimmten für den Entwurf.

Die Zielrichtung des umstrittenen Gesetzentwurfes ist klar: er richtete sich gegen die EU-Pläne zur Umverteilung von Flüchtlingen unter den Mitgliedstaaten. Orban wollte mit der Änderung, ein Verbot der Ansiedlung „ausländischer Bevölkerungen“ in der Verfassung zu verankern. Ungarn müsste nach dem Verteilungsschlüssel rund 2300 von insgesamt 160.000 Flüchtlingen aufnehmen, deren Umverteilung 2015 in Brüssel beschlossen wurde.

Orbans zweiter Rückschlag

Es ist schon die  zweite Niederlage für Orban. Denn mit der vom Parlament abgesegneten Verfassungsänderung wollte Orban durchsetzen, was bei einer Volksabstimmung Anfang Oktober gescheitert war. Bei dem Referendum am 2. Oktober hatten sich zwar fast alle Teilnehmer gegen die Umverteilung von Flüchtlingen in der EU ausgesprochen – das Ergebnis war aber wegen zu geringer Beteiligung ungültig.

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Zeitenwende in Ungarns Politik?

Auch innenpolitisch kündigt die Niederlage Orbans eine Art Zeitenwende an. Bisher galt die rechtsextreme Jobbik-Partei als natürlicher Verbündeter Orbans in seinem Widerstand gegen die Flüchtlingspolitik der EU. Derzeit wetteifert Jobbik jedoch mit den Sozialisten um den Rang als zweitstärkste politische Kraft in Ungarn. Angesichts der Gelegenheit, bei der Abstimmung über die Verfassungsänderung Zünglein an der Waage zu sein, knüpfte Jobbik-Parteichef Gabor Vona eine Unterstützung seiner Fraktion an Bedingungen. Er forderte, die Regierung müsse eine umstrittene Regelung kassieren, die reichen Ausländern vor allem aus Russland, China und dem Nahen Osten ein Aufenthaltsrecht in Ungarn gegen Geldzahlungen ermöglichte.

Jobbik sucht die Macht

Nach dem Votum am Dienstag schwenkten Jobbik-Abgeordnete Plakate mit der Aufschrift: „Der Verräter ist derjenige, der Terroristen gegen Geld hereinlässt.“ Jobbik hatte die seit 2013 zumeist über sogenannte Offshorefirmen verkauften Aufenthaltsrechte schon länger als „dreckiges Geschäft“ kritisiert. Sie seien ein Risiko für die nationale Sicherheit und könnten auch von der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) missbraucht werden, kritisierte die Partei. „Weder arme noch reiche Migranten sollten sich in Ungarn niederlassen dürfen“, sagte Vona.

Ungarn stehen nun wahrscheinlich unruhige Zeiten ins Land. Dass die rechtsextreme Jobbik Orban nun eine Niederlage im Parlament bescherte, könnte Auftakt eines Machtkampfs zwischen dessen Fidesz-Partei und den Rechtsextremen vor den für 2018 angesetzten Parlamentswahlen sein.