Frankreich Corona: Ein Land zerfällt in zwei Hälften

Frankreich glaubte, die Corona-Pandemie gut unter Kontrolle zu haben. Doch nun steigen in vielen Regionen die Infektionszahlen wieder steil an – und das Land ist dabei offensichtlich geteilt in zwei Hälften.

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Frankreich zerfällt angesichts der Corona-Zahlen in zwei Teile

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Die Corona-Zahlen steigen wieder steil an

Immer wieder kam der Vergleich mit Deutschland. Hatte der große Nachbar die erste Welle verhältnismäßig gut überstanden, kämpft Deutschland nun seit Wochen gegen die zweite Welle des Virus. Da in Frankreich früher die Einschränkungen eingeführt wurden, stand das Land nun besser da. Doch nun steigen auch in Frankreich wieder die Zahlen. Dabei zeigt sich Erstaunliches: während der Westen des Landes ziemlich unberührt bleibt, scheint im Osten die Entwicklung reichlich bedrohlich.   

Bourgogne Franche-Comté und Grand Est sind „die am stärksten betroffenen Regionen“, fasst Santé publique France in seinem neuesten epidemiologischen Update zusammen, das am 24. Dezember veröffentlicht wurde. Die Inzidenzrate (Anzahl der Fälle pro 100.000 Einwohner pro Woche) übersteigt vom 17. bis 23. Dezember die Marke von 250. Mehrere Fachleute und auch Bürgermeister in Grand Est sahen die Entwicklung kommen und forderten für Heiligabend strenge Ausgangsbeschränkungen – was die Regierung in Paris aber ablehnte. Man wolle den Franzosen wenigstens über die Feiertage die Gelegenheit geben, ihre Familien zu sehen.

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Vor allem der Osten ist betroffen

Der Epidemiologe Pascal Crepey führt mehrere mögliche Erklärungen für diese Entwicklung an. Vor allem im Grand Est könne die Nähe zur Grenze und die dadurch ermöglichten „Bevölkerungsströme“ ein Grund sein. Aber auch die Nachlässigkeit der Menschen, was die Hygieneregeln angeht. Aber auch Wetterfaktoren, insbesondere Luftfeuchtigkeit und Temperatur, könnten „einen Einfluss auf die Zirkulation des Virus haben“, sagte Pascal Crepey.

Eine Karte mit der Inzidenzrate von Frankreich gibt Aufschlüsse über die Verteilung der Neuinfektionen. Zu erkennen ist ein ausgedehnter Streifen, der sich vom Grand Est bis zur Côte d’Azur erstreckt und durch die Auvergne-Rhône-Alpes führt. Viele ländliche Départements in dieser Region, wie Nièvre, Yonne, Cantal oder Lozère, haben jetzt mehr als 200 Fälle pro 100.000 Einwohner pro Woche. Dies ist oft doppelt so viel wie Anfang Dezember. Das kann, so die Fachleute, nicht mit der steigenden Zahl von Test erklärt werden.

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Minister warnt vor drittem Lockdown

Wenn man nur Menschen ab 65 Jahren betrachten, liegt die Inzidenzrate in einigen Gemeinden, die weit entfernt von Großstädten liegen, sogar über 500. Das macht dem französischen Gesundheitsminister große Sorgen. Diese Entwicklung bei älteren Menschen „lässt die Befürchtung aufkommen, dass die Krankenhausaufenthalte in den kommenden Tagen zunehmen werden“, sagte Olivier Véran.

Deutlich wird also, dass die Epidemie nicht an den Stadtgrenzen endet und dass auch weniger besiedelte Gebiete mit weniger zahlreichen sozialen Interaktionen betroffen sein können. „Vielleicht treffen die Menschen weniger Vorsichtsmaßnahmen, wenn sie den Eindruck haben, dass das Virus, das seit langem mit Städten in Verbindung gebracht wird, weit entfernt ist“, vermutet der Epidemiologe Pascal Crepey.

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Nizza von Corona schwer getroffen

Von den Städten ist Nizza in diesen Tagen am stärksten betroffen. Die Inzidenzrate dort erreichte vom 17. bis 23. Dezember die Zahl von 365. Damit ist der Stand vom Höhepunkt der zweiten Welle Anfang November bereits fast erreicht. Bemerkenswert ist, dass diese Zahl im Moment sehr schnell ansteigt, obwohl in der Region keine massiven Screening-Operationen organisiert sind, die den Anstieg der Anzahl der identifizierten Fälle verstärken könnten.

Gesundheitsminister Veran warnte, dass es zu einem dritten Lockdown kommen könnte, wenn sich die Entwicklung fortsetzt. „Wir schließen niemals Maßnahmen aus, die zum Schutz der Bevölkerung erforderlich sein könnten. Das bedeutet nicht, dass wir uns entschieden haben, sondern dass wir die Situation Stunde für Stunde beobachten “, sagte Olivier Véran in einem Interview.

Erste Corona-Patienten aus Frankreich in Deutschland eingetroffen

Die Corona-Pandemie in Frankreich kann trotz des rigiden Lockdowns kaum unter Kontrolle gehalten werden. Um die Situation in den Krankenhäusern zu entlasten sind inzwischen erneut sind Covid-19-Patienten aus der französischen Grenzregion Grand Est nach Deutschland verlegt worden.

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Das Krankenhaus in Metz-Thionville bereitet sich auf die Corona-Pandemie vor.

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Kliniken kurz vor Überlastung

Aus einer Mitteilung des Regionalkrankenhauses Metz-Thionville geht hervor, dass Patienten im kritischen Zustand nach Saarbrücken und Völklingen im Saarland gebracht worden sind. Zur Begründung hieß es, dass man auf diese Weise einer kompletten Auslastung der intensivmedizinischen Abteilungen auf französischer Seite zuvorkommen wolle.

Der französische Abgeordnete Christophe Arend schrieb auf Twitter von insgesamt acht verlegten Patienten. Wie ein Sprecher des französischen Krankenhauses sagte, handle es sich dabei um die ersten Verlegungen aus der Region Grand Est ins Ausland seit Beginn der zweiten Corona-Welle in Frankreich.

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Nach Angaben des Auswärtigen Amtes waren zwischen dem 21. März und dem 12. April insgesamt 130 Corona-Patienten aus französischen Krankenhäusern nach Deutschland verlegt worden.

Zahl der Betten wird erhöht

Zudem bereiten sich die Krankenhäuser in den besonders betroffenen Regionen darauf vor, weitere Patienten aufnehmen zu können. Nach Angaben eines Sprechers des Krankenhauses in Sarreguemines wird dort die Zahl der Betten aufgestockt. Ziel sei es, von neun auf 14 Betten zu kommen. Im Krisenfall können noch mehr Plätze bereitgestellt werden.

Der Sprecher erklärte:

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“Des unités de soins continus sont transformées en lits de reanimation. Ca se tend, mais on n’est pas encore, dans notre cas, au même niveau que ce que nous avons connu au printemps, quand l’hôpital fonctionnait avec 21 lits de réanimation.”

Sprecher des Krankenhauses in Sarreguemines

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Verlegung auch innerhalb Frankreichs

Verlegungen von Patienten finden allerdings auch innerhalb von Frankreich statt. Die regionale Gesundheitsbehörde Grand-Est kündigte den Transfer von Corona-Kranken aus der Region Auvergne-Rhône-Alpes auf die Intensivstationen in Nancy (6 Patienten) und Straßburg (4 Patienten) an. Während der ersten Epidemiewelle waren 330 Patienten aus Grand-Est mit Militärflugzeugen, Hubschraubern oder medizinischem TGV in andere französische Regionen und ins Ausland gebracht worden.

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Presseerklärung des Regionalkrankenhauses Metz-Thionville

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Frankreich schwer von Corona getroffen

Frankreich ist eines der am stärksten von der Corona-Pandemie betroffenen Länder in Europa. Mit mehr als 58 000 Neuinfektionen innerhalb von 24 Stunden war am Donnerstag ein neuer Höchstwert in dem Land mit 67 Millionen Einwohnern erreicht worden. Zuletzt wurden außerdem knapp 450 Menschen innerhalb eines Tages auf Intensivstationen eingewiesen. Viele Krankenhäuser vor allem in den Ballungsräumen arbeiten bereits jetzt an ihrer Belastungsgrenze.