Mehr als eine Glaubensfrage

Der Streit um den Bau einer Moschee in Straßburg zieht seine Kreise bis nach Paris. Es geht um Religion, Politik und nun hat auch die Justiz ein Wort mitzureden. 

.

Die umstrittene Moschee in Straßburg. Der Bau ist in vollem Gange.

.

„Das ist die Moschee der Türken“

Der alte Mann hat sein Rad in den mächtigen Schatten der Baustelle geschoben. Interessiert lässt er seinen Blick über die hellgrauen Mauern schweifen. Dann beobachtet er lange einen Arbeiter auf einem hohen Gerüst, der sorgfältig einige Stahlträger am Ausleger eines Krans festzurrt. Auf die Frage, ob auch er in Zukunft die Eyyub-Sultan-Moschee besuchen werde, wenn sie fertig gebaut ist, streicht er sich kurz über seine grauen Bartstoppeln und schüttelt den Kopf. „Das ist die Moschee der Türken“, sagt der alte Mann, er aber sei Marokkaner. Mehr Fragen will er nicht beantworten. „Das ist doch alles Politik, damit möchte ich nichts zu tun haben.“ Dann steigt er auf sein Rad und fährt langsam über die Route de la Fédération an dem weißen Bauzaun entlang davon.

Natürlich gehe es ihnen nicht um Politik, würden die Verantwortlichen für den imposanten Moschee-Neubau im Süden von Straßburg widersprechen. Ziel sei es allein, den Glauben zu fördern, der alle Menschen miteinander verbinde, versichern sie bei jeder Gelegenheit. Auch ein großes Plakat an der Außenmauer des Rohbaus verkündet diese Botschaft. „Mit euren Spenden bauen wir am Zusammenleben aller“, ist dort zu lesen.

Einfluss auf die Muslime in Frankreich

Doch viele französische Politiker haben einen ganz anderen Eindruck. Sie vermuten, dass vor allem die Türkei versucht, über die Arbeit in den Moscheen Einfluss auf die Muslime in Frankreich zu nehmen. Und so ist um das Gotteshaus in Straßburg ein großer Streit entbrannt. Die Heftigkeit des Schlagabtausches hat aber nicht nur mit der enormen Größe der Moschee zu tun. 2500 Gläubige sollen eines Tages in dem 30-Millionen-Euro-Projekt ihr Gebet verrichten, nach den Worten der federführenden muslimischen Organisation Milli Görüs wird es die größte Moschee Europas. Über 30.000 türkischsprachige Einwohner gibt es in der Metropolregion um Straßburg.

Ein entscheidender Grund für den aggressiven Verlauf der Diskussion ist der Wahlkampf um das Präsidentenamt, der in Frankreich an Fahrt aufnimmt. Amtsinhaber Emmanuel Macron befindet sich im Umfragetief und versucht inzwischen ganz offen, Wählerstimmen im rechten politischen Spektrum zu sammeln. Dort punktet bisher seine größte Konkurrentin, die extrem-rechte Marine Le Pen, mit Tiraden gegen Einwanderer und anti-muslimischen Attacken.

Verteidiger der Werte der Republik

Beide sehen nun die Möglichkeit, ihr Profil als Verteidiger der Republik zu schärfen und stürzen sich auf die grüne Straßburger Bürgermeistern Jeanne Barseghian, unter deren Ägide die Stadt dem Moscheebau einen Zuschuss von 2,5 Millionen Euro genehmigen will. Marlène Schiappa, in der französischen Regierung zuständig für die Staatsbürgerschaft, schleuderte den Grünen entgegen, immer „offener mit den Ideen der radikalen Islamisten zu flirten“. Die Grünen haben wegen dieser Aussage eine Anzeige wegen Verleumdung erstattet.

Die Verantwortlichen des Moscheebaus von der Organisation Milli Görüs geben sich unschuldig und sprechen von Missverständnissen und bösen Unterstellungen von Seiten der französischen Politik. Doch auch hier ist die Sache mehr als kompliziert. In Deutschland wurde Milli Görüs wiederholt vom Verfassungsschutz beobachtet und steht unter dem Verdacht, ein antidemokratisches Staatsverständnis zu zeigen und westlichen Demokratien abzulehnen.

Wenig erstaunlich ist es, dass auf der anderen Straßenseite der Eyyub-Sultan-Moschee die Saadet Partisi ihre Parteizentrale unterhält, der politische Arm der Milli-Görüs-Bewegung. Auch in diesem Fall zweifelt der deutsche Verfassungsschutz die demokratische Treue der Organisation an, die eine islamische Ordnung anstrebe, die alle Bereiche des Lebens und der Gesellschaft umfasse.

Vorwürfe werden empört zurückgewiesen

Solche Aussagen werden von Eyüp Sahin allerdings empört zurückgewiesen. Milli Görüs sei eine „französische Vereinigung, unabhängig und an keinen Staat gebunden“, erklärte er in diesen Tagen auf einer Pressekonferenz. Und weiter „Im Gegensatz zu einigen, die mit dem Finger auf uns zeigen, sind wir keine politische Partei, wir verteidigen kein politisches Projekt.“ Alles an dem Projekt sei transparent organisiert, inklusive der Finanzierung. Diesen Versicherungen schenken in Straßburg allerdings sehr viele nicht mehr ihren Glauben. 

Fabienne Keller, konservative Bürgermeisterin von Straßburg in den Jahren 2001 bis 2008, erinnert sich daran, wie der Bau der Moscheen damals von der Stadt unterstützt wurde. „Wir wollten den Islam aus den Kellern holen“, sagt sie heute. Dort herrschten oft nicht nur unhygienische Zustände, auch waren die Vorgänge in jenen Hinterhofmoscheen kaum zu kontrollieren. Das erste große Projekt war im Jahr 2004 der Bau der Großen Moschee. Die Behörden konnten gestaltend eingreifen und die Geldflüsse für den Bau kontrollieren.

Ein Bau ohne öffentliche Subventionen

Ähnlich sollte es auch im Fall der Eyyub-Sultan-Moschee laufen, die im Jahr 2013 die Baugenehmigung erhielt und ohne öffentliche Subventionen auskommen sollte. Erste Zweifel an dem Projekt kamen auf französischer Seite bei der Grundsteinlegung im Jahr 2017. Damals tauchte plötzlich der stellvertretende türkische Ministerpräsident Bekir Bozdag auf, ein türkischer Nationalsender sendet seine lange Rede direkt in die Türkei, übersetzt wurde kein Wort. Fabienne Keller, damals Senatorin für das Département Bas-Rhin saß versteinert am Tisch der Ehrengäste und ihr dämmerte, dass diese Moschee nicht nur ein religiöses, sondern vor allem auch ein hochpolitisches Projekt sein würde.

In jenen Jahren hatten sich zudem die einst guten Beziehungen zwischen Frankreich und der Türkei rapide verschlechtert. Aus dem einstigen Reformer Recep Tayyip Erdogan war längst ein unberechenbarer Präsident mit despotischen Zügen geworden, dessen erklärtes Ziel es ist, den Machtbereich des Islam auszuweiten. In Frankreich wird vermutete, dass er sogar so weit gehen könnte, Einfluss auf die anstehenden Wahlen in Frankreich zu nehmen.

Eine Notbremse bei der Finanzierung

Angesichts dieser Entwicklung wurde in Straßburg eine Art Notbremse für die Genehmigung des 2,5-Millionen-Euro-Zuschusses für die Moschee eingebaut. Bürgermeisterin Barseghian verlangt von Milli Görus im Gegenzug für die benötigte Subvention nicht nur einen transparenten Finanzierungsplan, sondern auch eine schriftliche „Festlegung auf die Werte der französischen Republik“. Das genügt der Regierung in Paris allerdings nicht. Der konservative Innenminister Gérald Darmanin will den Geldfluss verhindern und hat das Verwaltungsgericht angerufen, die Rechtmäßigkeit der Subvention zu überprüfen. Damit ist der Bau der Eyyub-Sultan-Moschee neben einer Frage des Glaubens und der Politik nun auch ein Streitfall der Justiz.

Der Terror trifft auf eine verunsicherte Gesellschaft

Frankreich wird immer wieder zum Ziel terroristischer Anschläge. Eine zentrale Rolle spielt das nicht geklärte Verhältnis zwischen dem Islam und der säkularen Gesellschaft.

.

.

Frankreich von Bluttat erschüttert

Frankreich wird zum zweiten Mal innerhalb weniger Tage von einer brutalen Bluttat erschüttert. In Lyon wurde ein orthodoxer Priester vor seiner Kirche mit einer Schrotflinte angeschossen und ringt nun mit dem Tod. Mit großer Sorge stellen sich viele Franzosen die Frage, ob es sich wieder um einen Terrorakt handeln könnte, doch das ist derzeit noch unklar.

Der Angriff auf den Priester trifft das Land in einer Phase, in der wieder einmal über die Rolle des Islam, Radikalisierung und Zuwanderung gestritten wird. Der Schock über den Angriff eines islamistischen Attentäters in der Basilika Notre-Dame in Nizza sitzt den Franzosen noch in den Knochen. Drei Menschen wurden dabei bestialisch getötet und sechs weitere verletzt. Der Angreifer, ein junger Migrant aus Tunesien, wurde von Polizisten angeschossen und liegt schwer verletzt im Krankenhaus. Erst vor zwei Wochen war der Lehrer Samuel Paty in Paris von einem Attentäter enthauptet worden, nachdem er im Unterricht Karikaturen des Propheten Mohammed gezeigt hatte.

.

Innenminister Darmanin will hart gegen Islamisten vorgehen

.

Frankreich reagiert hart auf die Bedrohung

Die Politik reagierte, wie sie immer nach solchen Anschlägen reagiert: Premierminister Jean Castex hat die höchste Terrorwarnstufe für das Land ausgerufen. Präsident Emmanuel Macron kündigte an, die Zahl der Soldatinnen und Soldaten zu erhöhen, die Gotteshäuser und Schulen schützen sollen. Natürlich begrüßen die allermeisten Bürger diese Demonstration der Stärke, doch gerade die Angriffe der vergangenen Tage durch radikalisierte Einzeltäter zeigen, dass diese Sicherheit eine trügerische ist. Immer mehr Franzosen stellen sich die Frage, weshalb ausgerechnet ihr Land immer wieder Ziel von solchen Terrorangriffen wird? Im Mittelpunkt steht dabei sehr das Verhältnis der Gesellschaft zum Islam.

Die meisten Erklärungsversuche gehen weit in die Kolonialzeit zurück, als Frankreich etwa in Algerien und anderen afrikanischen Staaten das Sagen hatte. Anfangs noch ignoriert, wurden nach der Arbeitsmigration während der Wirtschaftswunderjahre in den Ballungsräumen um Paris, Lyon oder Marseille die ersten Schwierigkeiten im Zusammenleben deutlich. Wirklich reagiert hat der Staat allerdings erst, als der wachsende Islamismus etwa während des algerischen Bürgerkriegs in den 1990er Jahren zunehmend das Leben in Frankreich bedrohte. In diesem Zusammenhang thematisierten vor allem junge französische Muslime immer lauter die koloniale Vergangenheit Frankreichs, was das schwierige Verhältnis vieler Muslime zur Republik deutlich werden ließ.

.

.

Dem Staat fehlt der Ansprechpartner

Ein zentrales Problem ist auch noch heute, dass es dem Staat in den Reihen der Muslime an verbindlichen Ansprechpartner fehlt. Zwar wurde 2003 der französische Islam-Rat (Conseil français du culte musulman – CFCM) eingerichtet, doch das Problem ist, dass das Gremium nur einen Bruchteil der Gläubigen repräsentiert und weit entfernt davon ist, die französischen Muslime zu repräsentieren. Seine Stimme wird bei den immer wieder mit großem Eifer geführten Diskussionen um das Kopftuch oder Halal-Essen in Schulkantinen kaum gehört.

Wesentlich mehr Erfolg mit der Selbstdarstellung haben in diesem Fall die extremen Rechten in Frankreich, die das Misstrauen in den Islam gezielt schüren. Dabei sind beide Extreme auf unheilsame und zynische Weise in ihrer Argumentation voneinander abhängig. Die Islamisten brauchen die Rechtsextremen, um behaupten zu können, dass die französische Gesellschaft rassistisch ist. Und die extreme Rechte braucht die Islamisten, um die Gefahren durch den Islam aufzubauschen und sich als Verteidiger der christlichen Zivilisation präsentieren zu können.

.

.

Franzosen fürchten die Überfremdung

Allerdings hat die Angst vor Überfremdung längst die Mitte der französischen Gesellschaft erreicht. Das zeigt eine aktuelle Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Ifop, der zufolge denken acht von zehn Franzosen, dass der Säkularismus in Gefahr sei. Sie sehen den Islam zunehmend als Bedrohung für den französischen Lebensstil.

Auf der anderen Seite beklagen die Muslime immer lauter, dass sie sich als Fremde im eigenen Land fühlen würden. Der prominente Lyoner Imam Kamel Kabtane kritisierte jüngst eine „zänkische und gefährliche Medien- und Politik-Kampagne gegen Muslime und den Islam“. Mit dieser würden „Franzosen gegen Franzosen“ aufgewiegelt, sagte er. Kritisiert wird auch, dass Muslime nicht nur auf dem Arbeitsmarkt, sondern auch in der Schule und bei der Wohnungssuche schlechtere Chancen hätten.

Viele Muslime kapseln sich ab

Nicht zuletzt aus diesem Grund würden viele Muslime beginnen, sich abzukapseln und regelrecht in ihre Gettos zurückzuziehen. Der französische Soziologe Bernard Rougier warnte, dass inzwischen ganze Viertel in französischen Vorstädten mit ihren gesichtslosen Plattenbausiedlungen unter die soziale Kontrolle von Islamisten geraten seien. Diese fänden unter den Abgehängten und frustrierten Jugendlichen viele Anhänger. Mit seinen Thesen wendet er sich auch ausdrücklich gegen die vor allem bei französischen Linken populäre Annahme, dass allein die soziale Misere der Grund für die Gewaltausbrüche junger Muslime sei – andere Begründungen werden von ihnen gerne als „islamophob“ gebrandmarkt.

.

Emmanuel Macron über die Lage in Frankreich

.

Macron bekämpft den Separatismus

Nachdem schon mehrere französische Präsidenten das „Problem der Vorstädte“ lösen wollten, hat nun auch Emmanuel Macron das Thema für sich entdeckt. Neu an seiner Offensive ist, dass er offen anspricht, dass der „islamistischen Separatismus“ bekämpft werden müsse. Weil etwa zu viele Imame in Frankreich, die im Ausland ausgebildet werden, „gegen die Republik“ predigen würden, will er deren Arbeit in Zukunft verbieten.

Das allerdings sieht etwa der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan als Affront – auch weil viele zahlreiche Imame aus der Türkei kommen und er auf diese Weise ein Mittel der direkten Einflussnahme verlieren würde. Der Hass, mit dem er und viele anderen Staatsmänner der islamischen Welt in den vergangenen Tagen gegen Emmanuel Macron hetzten, wirkt in der angespannten Situation wie ein Brandbeschleuniger. Manche jungen Männern in Frankreichs verlorenen Vororten könnten diese Tiraden als Aufforderung zum Handeln verstehen.

Todesdrohungen nach einer Wutrede über den Islam

Eine 16-jährige Schülerin in Frankreich beschimpft die Muslime und muss nun zur eigenen Sicherheit untertauchen. Auch viele Politiker wollen an dem Fall ihr eigenes Profil schärfen – doch die Sache ist vertrackt. 

.

20.02.05-Mila

.

Mila ist zu ihrer eigenen Sicherheit untergetaucht. Angesichts unzähliger Morddrohungen geht die 16-jährige Französin nicht mehr zur Schule und hat alle ihre Accounts in den sozialen Medien gelöscht. Auslöser der Welle des Hasses ist ein kurzes Video, das sie auf Instagram hochgeladen hat. Darin zieht das Mädchen in derbsten Worten über den Islam her. „Der Koran ist voller Hass, der Islam ist reiner Mist,“ ist einer der wenigen zitierbaren Sätze. Die homosexuelle Schülerin aus dem Département Isère im Osten des Landes reagierte nach eigenen Worten damit auf den Kommentar eines muslimischen Mannes, der sie im Internet als „dreckige Lesbe“ beschimpft habe.

Die Schülerin bereut ihre „Vulgarität“

Inzwischen hat die junge Frau in einem TV-Interview erklärt, sie bereue die „Vulgarität“ ihrer Äußerungen. Sie habe nicht die Absicht gehabt, jemanden persönlich zu verletzen. Zu ihren Aussagen über den Islam stehe sie aber und beruft sich dabei auf das Recht auf Gotteslästerung. Tatsächlich wurde in Frankreich nach der Revolution von 1789 das Delikt der Blasphemie abgeschafft, Beleidigungen von Religionen sind durch die Meinungsfreiheit gedeckt. Aufrufe zum Hass gegen Einzelne oder eine Gruppe sind dagegen verboten.
.

.

Die Politik meldet sich zu Wort

Angesichts der Drohungen, mit denen die Schülerin überschüttet wird, sah sich nun sogar der französische Innenminister Christophe Castaner genötigt, in der Nationalversammlung das Wort zu ergreifen. Mila und ihre Eltern würden inzwischen von der Nationalpolizei geschützt. „Es ist keine ständige Bewachung, denn es gibt keine Hinweise, dass dies nötig wäre“, schränkte er ein.

Da im März in Frankreich die wichtigen Kommunalwahlen stattfinden, wird der Fall der 16-Jährigen selbstverständlich von vielen Politikern kommentiert. Doch die Lage ist vertrackt, denn die wütende Kanonade an Verbalinjurien kann nur mit viel Wohlwollen als Islamkritik gesehen werden. So erklärt die Sozialistin Ségolène Royal, dass es schwierig sei einen Teenager zu unterstützen, dem es offensichtlich an Respekt fehle und sich dabei auf das Recht auf Meinungsfreiheit berufe.

.

 

.

Empörung über den Islamrat in Frankreich

Als sich Abdallah Zekri, der Vertreter des französischen Islamrates zu Wort meldete, kannte die Empörung vor allem im politisch rechtskonservativen Lager keine Grenzen mehr. Zekri sagte in einem Interview, dass die Drohungen gegen Mila zwar zu verurteilen seien, doch habe sie diese Reaktionen provoziert und müsse damit klarkommen. Marine Le Pen, Chefin des rechtsradikalen Rassemblement National, konterte auf Twitter, man könne die Äußerungen vulgär finden, aber sie würden keine Verurteilung zum Tod im Frankreich des 21. Jahrhunderts rechtfertigen.

Die Gesellschaft in Frankreich ist gespalten

Der Fall spaltet auch die französische Gesellschaft: Laut einer Umfrage für die Satirezeitung „Charlie Hebdo“ sind die Hälfte der Franzosen für die Freiheit zur Religionskritik, auch wenn sie mit Schmähungen einhergeht, die andere Hälfte lehnt dies ab. „Charlie Hebdo“ war 2015 Ziel eines islamistischen Anschlags mit zwölf Toten, nachdem die Zeitung mehrfach Mohammed-Karikaturen veröffentlicht hatte.

Muslime in Frankreich – fremd im eigenen Land 

Die Diskussion über den Islam spaltet die Gesellschaft. Die rechtsextremen Parteien nutzen das Thema geschickt für ihre politischen Ziele.

.

19.11-Demol-IMG_3966

In Paris sind viele Muslime auf die Straße gegangen, um gegen die Islamophobie zu protestieren.

.

Die Enttäuschung der Muslime

Frankreich diskutiert über den Islam – wieder einmal. „Ich bin es leid“, sagt Monique, „ständig müssen wir uns dafür rechtfertigen, dass wir hier leben.“ Die junge Frau reagiert auf das Thema überraschend empfindlich. Sie arbeitet bei einer kleinen Immobilienfirma im schicken 16. Arrondissement in Paris, lebt als Französin, fühlt sich als Französin, zieht sich an wie eine Französin – und muss sich aber immer wieder anhören, dass sie im Grunde keine Französin sein kann. Denn sie ist Muslima. Ihre Großeltern sind aus Algerien nach Frankreich gekommen, schon ihre Eltern sind in Paris geboren. „Aber das alles zählt nichts“, sagt Monique.

Das Klima verschlechtert sich

Nach den Terroranschlägen 2015 hat sich das Klima im Land dramatisch verschlechtert. In den vergangenen vier Jahren sind in Frankreich bei Attentaten durch radikale Islamisten mehr als 200 Menschen ums Leben gekommen. Nach jeder Tat beginnt die Diskussion von neuem. Dabei werden die immer wieder gleichen Themen miteinander vermengt: Islam, Zuwanderung, Radikalisierung. So auch nach dem jüngsten Anschlag Anfang Oktober in der Pariser Polizeipräfektur, bei dem ein muslimischer Mitarbeiter der Geheimdienste vier Kollegen tötete.

Die extreme Rechte schürt die Stimmung

Die extreme Rechte versucht diese Stimmung für sich auszunutzen und treibt das Spiel mit den Ängsten geschickt voran. So forderte im Regionalparlament von Dijon kurz nach den Morden in Paris ein Vertreter der rechtsextremen Rassemblement National eine Frau mit Kopftuch auf den Zuschauerrängen medienwirksam dazu auf, das Plenum zu verlassen. Sie war als Begleiterin einer Schulklasse im Parlament. In der aufgeheizten Stimmung wurde aus dieser Provokation eines Lokalpolitikers schnell ein landesweiter Skandal.

.

.

Dass die Angst vor Überfremdung längst die Mitte der französischen Gesellschaft erreicht hat, zeigt eine aktuelle Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Ifop, der zufolge denken acht von zehn Franzosen, dass der Säkularismus in Gefahr sei. Sie sehen den Islam zunehmend als Bedrohung für den französischen Lebensstil – öffentlich sichtbar durch das Kopftuch, dem Symbol einer vermeintlich radikalen Religion.

In den sehr emotional geführten Diskussionen fällt immer wieder ein Wort: Laizismus. Dieser müsse verteidigt werden. Doch sei nicht allen klar, was dieser Begriff wirklich bedeute, sagt Nicolas Cadène von der „Laizismus-Beobachtungsstelle“ der französischen Regierung. In Frankreich herrscht seit dem Jahr 1905 offiziell die Trennung von Staat und Kirche. Anders als von einigen Seiten suggeriert, erklärt Cadène, gehe es in diesem Gesetz aber nicht um den Schutz einer „mythischen Identität“ einer weißen und katholischen Kultur.

Die Diskussion um den Islam dauert schon Jahrzehnte

19.11-Demo-IMG_3971

Die Anfänge dieser Diskussion um den Einfluss des Islam liegen schon Jahrzehnte zurück. Erste wirklich sichtbare Reaktion war, dass es vor 15 Jahren Schülern verboten wurde, in Klassenräumen „auffällige“ religiöse Symbole wie das Kopftuch zu tragen. Sieben Jahre später wurden Schleier, die das Gesicht bedecken, per Gesetz von öffentlichen Straßen verbannt. In beiden Fällen sind formell zwar auch andere Kleidungsstücke oder Symbole verboten. Es wurde aber nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass die Regelungen vor allem auf Muslime abzielen.

Inzwischen hat die Diskussion über den Islam eine neue Schärfe erreicht – und selbst die extremsten Positionen sind längst hoffähig geworden. So orakelte der sehr populäre französische Journalist Éric Zemmour jüngst auf einem Treffen der rechtsextremen Marion Maréchal, der Nichte von Marine Le Pen, nicht nur über den die „totalitären Islam“, der dabei sei, die Demokratie zu zerstören. Ziel seiner Attacken waren auch die Muslime im Allgemeinen, deren Plan der „Bevölkerungsaustausch“ und damit die Übernahme Macht in Frankreich sei.

Eine Demo gegen Islamophobie in Paris

19.11-Demo-IMG_3950

Viele Muslime wollen sich diese Ausgrenzung im eigenen Land nicht mehr bieten lassen. In diesen Tagen gingen in Paris Zehntausende auf die Straße, um für mehr Zusammenhalt in der Gesellschaft zu demonstrieren. Die meisten politischen Parteien sagten ihre Teilnahme allerdings in letzter Sekunde ab, da sich unter den Organisatoren des Marsches auch Gruppen befanden, deren Haltung zur Gewalt und zur Demokratie nicht ganz geklärt ist. Mit von der Partie waren schließlich auch radikale linke Organisationen und Gruppen, die das Existenzrecht Israels in Frage stellen. Für die rechtsextreme Marine Le Pen, Chefin der Rassemblement National, war dies natürlich ein gefundenes Fressen. Sie wies süffisant darauf hin, dass die Zusammensetzung des Marsches zeige, wer sich hinter dem freundlichen Gesicht des Islam in Wahrheit verberge.

Streit um ein Stück atmungsaktiven Stoff

Die Sportartikelkette Decathlon nimmt in Frankreich einen muslimischen Hidschab vom Markt. Die Kritik und der Hass, die dem Unternehmen entgegen schlug war einfach zu groß.

.

19.02.26-Decathlon

.

Fehlstart für Decathlon

Die Sportartikel-Kette verzichtet in Frankreich auf den Verkauf eines Jogging-Kopftuches für Frauen. Grund für die Entscheidung sind allerdings nicht schlechte Verkaufsaussichten. Die Kritik und auch der Hass, die dem französischen Unternehmen entgegenschlug war zu groß. Eine vorher noch nie dagewesene „Welle von Beleidigungen und Drohungen“ sei über das Unternehmen niedergegangen, schreibt Decathlon auf dem Kurznachrichtendienst Twitter.

Der atmungsaktive muslimische Hidschab, der Haare und Hals der Sportlerinnen bedeckt, wurde bisher nur in Marokko verkauft, sollte nun aber auch in Frankreich auf den Markt kommen. „Wir stehen zu unserer Entscheidung, den Sport Frauen in aller Welt zugänglich zu machen,“ erklärte Xavier Rivoire, Kommunikationsdirektor des Unternehmens, in einem Radio-Interview nach der Entscheidung, den Hidschab aus dem Programm zu nehmen. Es handele sich „fast schon um ein gesellschaftliches Engagement“, da es auch Musliminnen das Joggen ermögliche.

.

.

Scharfe Kritik aus der Politik

Das sehen allerdings vor allem französische Politikerinnen ganz anders. Aurore Bergé glaubt sogar die Werte der französischen Republik in Gefahr. „Der Sport emanzipiert. Er unterwirft nicht. Meine Wahl als Frau und als Bürgerin wird es sein, einer Marke, die mit unseren Werten bricht, nicht mehr zu vertrauen“, schreibt die Sprecherin der Regierungspartei La République en Marche auf Twitter. Gesundheitsministerin Agnès Buzyn erklärte, dass der Verkauf zwar legal sei, aber sie die Idee dahinter nicht teile. Manche Politiker fordern sogar ganz offen den Boykott des Unternehmens. In den sozialen Netzwerken werden die Nutzer allerdings deutlicher. Werde Decathlon in Zukunft auch Bombengürtel in sein Programm aufnehmen, fragt ein Internet-User.

Decathlon ist von Reaktionen erstaunt

Mit solch heftigen Reaktionen hatten die Verantwortlichen von Decathlon offensichtlich nicht gerechnet, zumal der US-Sportartikelhersteller Nike schon seit einer Zeit einen Hidschab im Programm hat. „Das Produkt provoziert Reaktionen“, schreibt Decathlon auf Twitter. „Man kann verstehen, dass nicht die ganze Welt einer Meinung ist“, heißt es, es dürfe aber nicht sein, dass „unsere Angestellten in unseren Geschäften beleidigt und bisweilen sogar körperlich bedroht werden“.
.

.

Die Leiterin von Decathlons Jogging-Sparte Kalenji, Angélique Thibault, hatte den Sport-Hidschab noch mit emotionalen Worten verteidigt. Sie werde von dem Wunsch angetrieben, „dass jede Frau in jedem Viertel laufen kann, in jeder Stadt, in jedem Land, unabhängig von ihrem sportlichen Können, ihrer Fitness, ihrem Körperbau, ihrem Einkommen. Und unabhängig von ihrer Kultur.“ Genützt hat es wenig – der Hidschab wird in Frankreich nicht verkauft werden.

Der Halbmond leuchtet in den Schweizer Alpen

Auf dem Gipfel des Berges Freiheit in den Schweizer Alpen thront weithin sichtbar ein Halbmond. Der sorgt für einige Aufregung.

16-09-08-gipfelkreuz

„All diese absurden Gipfelkreuze“

Nein es ist kein Anlauf zur Islamisierung des Schweizer Alpenlandes. Es ist auch kein feindlicher Akt fanatischer Muslime.  Es die provozierende Kunstaktion eines bekennenden Atheisten! „Ich wollte schon lange etwas Solches machen – etwas Polarisierendes, Trotziges”, erzählt Christian Meier dem Radiosender „FM1Today“. Der Künstler stammt aus Appenzell, lebt aber in Peking, ist seiner alten Heimat offensichtlich aber noch immer sehr verbunden. „Immer wenn ich zurück komme, gehe ich wandern und sehe alle diese absurden Gipfelkreuze – da musste ich halt etwas machen.”

In diesem Fall war der Gedanke die Vorform zur Tat. Christian Meier mobilisierte also eine Handvoll Freunde und einen Hubschrauber. Ihr Ziel: der nur schwer zugängliche Gipfel auf dem Berg mit dem bezeichnenden Namen „Freiheit“ im ostschweizer Kanton Appenzell Innerrhoden. In einer Nacht- und Nebelaktion montierten sie einen fast drei Meter großen Halbmond auf dem 2140 Meter hohen Fels. Und damit das Kunstobjekt auch nachts ins rechte Licht gerückt ist, wird es von Scheinwerfern angestrahlt. „Auf der Freiheit thront jetzt ein Halbmond“, triumphiert Meier.

 

Eine wissenschaftliche Messanlage?

Nicht alle erkennen allerdings den tieferen Sinn hinter der Aktion. Ein Bergwanderer schreibt auf einer Internet-Plattform etwas irritiert: „Neben dem Halbmond waren mehrere Solarpannele installiert.“ Der Mann hielt die ungewöhnliche Konstruktion schlicht für eine wissenschaftliche Messanlage.

In den Dörfern am Fuße der Freiheit stößt die Aktion allerdings auf sehr wenig Verständnis. Es sei eine bodenlose Frechheit, dass da jemand so etwas aufstellt, ohne sie zu informieren, empören sich die Bewohner. Der Betreiber eines Berggasthofes hält das alles für „eine bodenlose Sauerei“.

.

Die Polizei ist eingeschaltet

Inzwischen hat sich auch die Kantonspolizei in den Fall eingeschaltet. Sie befürchtet, dass der weiße Halbmond in dem schwer zugänglichen Gebiet als Notfallsignal missverstanden werden könnte. Aus diesem Grund sei bereits die Rettungsflugwacht informiert worden, dass an der Stelle nachts ein Licht sichtbar sein könne – also niemand in Bergnot geraten sei. Zudem befürchten sie, dass sich ungeübte Wanderer auf den Weg machen könnten, um die Installation aus der Nähe anzusehen. Der Aufstieg sei aber nur für geübte Kletterer geeignet.

Viel Zeit, den Halbmond zu bestaunen, gibt es sowieso nicht. Wie der Radiosender weiter berichtet, wird der Künstler nach den Angaben des Kantonsvorsitzenden von Innerrhoden, Roland Inauen, zwar kein Bußgeld bezahlen müssen. Aber er sagt weiter: „Wir haben bereits das Gespräch mit dem Künstler gesucht.“ Meier habe zugesichert, die Installation innerhalb einer Woche wieder zu entfernen.

Hier geht es zur Berichterstattung und einer Bildergalerie der Aktion

Hier geht es zu dem Wanderer-Blog mit einigen Kommentaren zur Aktion

 

 

 

Gefundenes Fressen für Populisten

In einer Umfrage sagen 60 Prozent der Bundesbürger, dass der Islam nicht zu Deutschland gehöre. Die Lebenswirklichkeit der allermeisten Deutschen spricht allerdings eine andere Sprache.  

16.03.31-AfD-Moschee

Die Deutschen misstrauen dem Islam – vor allem AfD-Wähler

Die AfD-Anhänger sind gegen den Islam

Nun gibt es also eine neue Umfrage zum Thema Islam. Das Ergebnis: Für 60 Prozent der Bundesbürger gehört der Islam nicht zu Deutschland. Und wen wundert’s, dieser Aussage stimmen 94 Prozent der AfD-Parteigänger zu. In deren Parteiprogramm steht schließlich wortwörtlich der Satz: „Der Islam gehört nicht zu Deutschland.“

Doch was sagt diese eine Antwort in der Umfrage des Instituts? Ziemlich wenig. Klarer wird die Sache, wenn andere Ergebnisse hinzugezogen werden. Eine Mehrheit von 58 Prozent der Deutschen meint, die etablierten Parteien CDU/CSU, SPD, Grüne, Linke und FDP kümmerten sich nicht ausreichend darum, dass Sorgen und Bedenken gegenüber dem radikalen Islam ernst genommen werden. Und: Relativ groß ist derzeit die Furcht vor einem islamistischen Terroranschlag in Deutschland. Dass es dazu kommen wird, befürchten fast drei von vier Deutschen (72 Prozent). Das ist ein wenig überraschendes Ergebnis nach den Attentaten in Paris und Brüssel.

Die Angst vor dem Terror

Die Deutschen haben also keine Angst vor dem Islam, sondern vor dem Terror, der von Islamisten ausgeht. Das eint sie mit den Einwohnern von Istanbul oder Ankara. Dort haben in den vergangenen Wochen mehrere Bomben Dutzende Menschen in den Tod gerissen, gelegt wurden die Sprengsätze von Fanatikern des Islamischen Staates.

Die Lebenswirklichkeit der allermeisten Deutschen spricht gegen einfache Antworten auf scheinbar einfache Fragen. Ein herausragendes Beispiel dafür ist die Wahl der türkischstämmigen Grünen-Politikerin Muhterem Aras zur Präsidentin des Landtages von Baden-Württemberg, einem doch eher christlich-konservativen Bundesland. Die meisten Menschen gehen offensichtlich viel entspannter und realistischer mit der Islam-Frage um, als mancher Politiker glauben machen will.

Die Klugheit der Wähler

Die unterschätzen offensichtlich die Klugheit ihrer Wähler und versuchen mit einem dumpfen Populismus politisches Kapital zu schlagen. So bezeichnet die AfD-Landtagsabgeordnete Christina Baum die Wahl von Muhterem Aras als „ein ganz klares Zeichen, dass die Islamisierung Deutschlands in vollem Gang ist.“ Sie spricht auch von einem „schleichenden Genozid an der deutschen Bevölkerung durch die falsche Flüchtlingspolitik der Grünen“. AfD-Fraktionschef Jörg Meuthen versucht, solche verbalen Ausfälle zu relativieren. Er unterstreicht: „Zu Deutschland gehören sehr wohl Millionen Menschen islamischen Glaubens, die bei uns leben, friedlich integriert.“ Nach der Wahl von Aras zur Landtagspräsidentin Abstimmung hat Meuthen der Muslimin gratuliert.

„Der Islam gehört nicht zu Deutschland“

Jörg Meuthen stimmt in die Islamkritik seiner Partei ein. Er nimmt aber in Deutschland lebende Muslime in Schutz, die nicht mit Radikalen in einen Topf geworfen werden wollen.

16.02.01-AfD-Extra3

Die AfD muss immer wieder Spott aushalten. Jörg Meuten (zweiter von rechts) will das ändern und seine Partei zu einer akzeptierten Alternative machen.

Herr Meuthen, Ihre Parteifreunde Beatrix von Storch und Alexander Gauland haben jüngst mit islamkritischen Äußerungen von sich reden gemacht. Teilen Sie ihren Ansatz, der Islam sei nicht mit dem Grundgesetz vereinbar?

Meuthen: „Ich teile die Kritik der Kollegen über weite Strecken. Allerdings muss jeder seine Worte sorgsam wählen. Gewisse zeitgeistige Strömungen im Islam tendieren zu einer krassen Radikalisierung. Denken Sie an den Salafismus oder den militanten Wahabismus, der von Staaten wie Saudi-Arabien und Katar gesteuert wird. Diese Strömungen sollen auch nach Deutschland getragen werden. Es ist unübersehbar, dass diese Strömungen inkompatibel mit unserem Grundgesetz sind. Das Scharia-System geht mit unserem Rechtssystem nicht zusammen. Oder nehmen sie das Bild der Frau, das diese Ausprägungen des Islam zeichnen. Unser Umgang mit dem weiblichen Geschlecht ist glücklicherweise ein anderer.“

Was folgt daraus für die AfD?

„Wir sagen klar, dass der Islam nicht zu Deutschland gehört. Wir sagen aber genauso klar, dass zu Deutschland sehr wohl Millionen Menschen muslimischen Glaubens gehören, die gut integriert sind und unsere Gesetze und Rechtsordnung achten.“

Signalisiert die AfD nicht auch diesen Menschen, dass man sie eigentlich nicht haben will?

„Ich glaube, am meisten entsetzt über radikale Strömungen im Islam sind gerade Muslime, die ganz friedlich bei uns leben. Dieser Tage habe ich eine E-Mail bekommen von einem alten Schulfreund türkischer Herkunft. Er schreibt mir, er sei der AfD dankbar dafür, dass sie das Thema auf die Tagesordnung bringt. Er wolle nämlich mit den Radikalen nicht in einen Topf geworfen werden.“

Haben Sie ihm einen Mitgliedsantrag geschickt?

„Nein, aber er wäre hochwillkommen. Wir sind grundsätzlich für alle Menschen offen, nur mit Radikalen haben wir ein Problem.“

Welche konkreten Forderungen erheben Sie?

„Wir wollen die Religionsfreiheit nicht in Zweifel ziehen. Muslime sollen ihre Religion in Deutschland leben können. Dafür gibt es Moscheen. Wir wehren uns aber dagegen, dass immer mehr Moscheen gebaut werden, die etwa aus Saudi-Arabien finanziert werden und in denen dann ein militanter Islam gepredigt wird.“

Gibt es weitere Forderungen?

„Ich sehe keinen unmittelbaren gesetzgeberischen Handlungsbedarf, wende mich aber gegen das schleichende Einsickern einer falschen Rücksichtnahme. Nehmen sie die Schweinefleisch-Debatten in Kita-Kantinen oder den Streit um Schwimm-Unterricht an Schulen. Wir müssen aufpassen, dass wir nicht in eine falsch verstandene Form der Anpassung hineingeraten. An bestimmten Punkten müssen wir klar sagen, nein, das machen wir nicht.“

Wie wollen Sie als Chef der AfD-Fraktion im Landtag damit umgehen, dass Sie von allen anderen voraussichtlich ignoriert werden?

„Wir sind freundliche und offene Menschen. Als solche sind wir gesprächsbereit gegen jedermann. Ich war in der vergangenen Woche bei Herrn Klenk, dem Landtagspräsidenten. Das war ein ganz angenehmes Gespräch. Aber es gibt andere, die betrachten uns als den quasi Gottseibeiuns.“

Sie werden voraussichtlich Oppositionsführer Landtag. Mit welchem Selbstverständnis gehen Sie an die Arbeit?

„Das Recht, in Debatten als erster auf die Regierung antworten zu können, will ich nutzen. Wir haben jetzt das Parlament als öffentliches Sprachrohr, das ist eine große Chance für die AfD. In der Sache werden wir eine harte Opposition machen, weil wir zu wichtigen Themen auf unterschiedlichen Positionen stehen. Wir werden uns den anderen Fraktionen nicht anbiedern und keine Kumpanei machen. Das ist das eine. Das andere ist der Umgang miteinander. Ich erwarte, dass man anständig miteinander umgeht. Im Wahlkampf bin ich teilweise erschrocken. Herr Kretschmann hat uns noch am Wahlabend abgesprochen, eine demokratische Partei zu sein. Mal sehen, ob er diesen Duktus immer noch verfolgt.“

Der Programmentwurf, den die AfD auf dem Bundesparteitag in Stuttgart diskutieren wird, ist in Teilen von einer gewissen Staatsverachtung geprägt. Es hagelt Kritik gegen Parteien und Parlamente. Wollen Sie anderes politisches System?

„Eine Staatsverachtung liegt uns fern. Wir verachten weder die Parlamente noch die anderen Parteien. Aber wir haben ein anderes Demokratieverständnis, indem wir auf die direkte Demokratie setzen. Wir streben sozusagen eine Schweizerisierung an – das Volk soll über wichtige Fragen entscheiden können. In der Schweiz gibt es auch Parlamente. Die haben aber weniger zu sagen, weil das Volk mehr zu sagen hat. Es ist ein Unding, dass die Bürger bei uns in Grundsatzfragen nicht direkt und unmittelbar entscheiden können. Niederländer und Franzosen durften etwa über die EU-Verfassung abstimmen, die Deutschen nicht. Natürlich bringen Volksabstimmungen eine gewisse Selbstentmachtung des Parlaments mit sich. Aber gerade dafür stehen und werben wir.“

Die AfD sei die Partei des „gesunden Menschenverstands“, heißt es im Leitantrag von Bundesprogrammkommission und Bundesvorstand für das Programm. Was heißt das für Sie persönlich?

„Nehmen sie zum Beispiel die Euro-Rettungspolitik. Damit habe ich mich als Wirtschaftswissenschaftler intensiv beschäftigt. Zwischen den Positionen der Wissenschaft und dem, was der Stammtisch aus dem Bauch heraus fordert, gibt es einen relativ hohen Deckungsgrad. Die politischen Eliten folgen aber einer ganz anderen Agenda. Die kommen dann mit dem Fraktionszwang und hauen das Ding in 48 Stunden durch. Das widerspricht dem gesunden Menschenverstand.“

Bereitet es Ihnen Bauchschmerzen, dass manche in Ihrer Partei statt vom gesunden Menschenverstand lieber vom gesunden Volksempfinden zu sprechen scheinen?

„Ich habe kein Problem mit dem Begriff Volksempfinden, solange man ihn patriotisch interpretiert. Wenn man ihn dagegen völkisch auslegt, reagiere ich hochsensibel. Bauchgrimmen bereitet mit eher die mögliche Vereinnahmung des Begriffs gesunder Menschenverstand. Das ist ja ein ganz schwammiger Begriff. Damit kann man alles und jedes für sich reklamieren. Es ist gut, dass wir auf unserem Programmparteitag auch um solche Begriffe ringen können. Die AfD braucht einen klaren Kompass. Völkisch-nationale Positionen akzeptiere ich nicht. Die AfD muss eine moderne konservative Partei sein, weltoffen und freiheitlich. Dafür stehe ich.“

In Ihrer Partei scheint es eine Art Aufgabenteilung zu geben. Frau von Storch und Frau Petry lassen es gerne krachen. Ihr Stil ist das erkennbar nicht. Sie müssen aber immer wieder erklären, dass die AfD gar nicht so schlimm ist, wie sie manchmal zu sein scheint. Nervt Sie das?

„Meinen Sie, ich sollte es auch mal krachen lassen?“

Vielleicht würde es helfen.

„Nein, im Ernst. Wir haben in der AfD keine abgesprochene Rollenverteilung. Jeder folgt einfach seinem Naturell. Meinem Naturell entspricht es, mich eher differenziert und zurückhaltend zu äußern. Im Inhalt sind die Unterschiede zwischen den Verantwortlichen an der Parteispitze nicht so groß.“

Hier der Link zu dem Interview in der Stuttgarter Zeitung

Die AfD und ihre Idee vom Islam

Beatrix von Storch hat sich wieder einmal zu Wort gemeldet. Wieder einmal geht es um das Parteiprogramm der AfD. In einem Interview mit der „FAS“ sagt die Politikerin, dass der Islam nicht mit dem Grundgesetz vereinbar sei.

16.04.18-storch

Die Ideen von Storchs haben viele Anhänger. Auf Facebook feiert sie 50.000 Follower.

Mit dem Grundgesetzt nicht vereinbar?

„Der Islam ist an sich eine politische Ideologie, die mit dem Grundgesetz nicht vereinbar ist“, sagte die stellvertretende Parteivorsitzende und Europa-Abgeordnete Beatrix von Storch der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“. Mit ihrer Aussage steuert sie sich allerdings in einen Widerspruch, der ihrer Ansicht aber offensichtlich keine ist. Die AfD-Politikerin betont, der Islam könne in Deutschland keine Heimat finden. „Viele Muslime gehören zu Deutschland, aber der Islam gehört nicht zu Deutschland.“

Auf ihrem Parteitag Ende April in Stuttgart will die AfD ihren Anti-Islam-Kurs in ihrem ersten Parteiprogramm beschließen. Dabei soll es laut Bericht auch darum gehen, Symbole des Islams aus der Öffentlichkeit zu verbannen. „Wir sind für ein Verbot von Minaretten, von Muezzins und für ein Verbot der Vollverschleierung“, sagte von Storch. Diese Forderungen erhebe der Bundesvorstand im Programmentwurf.

16.02.01-AfD-Logo

Auch Gauland sieht Deutschland in Gefahr

Im Sinne von Beatrix von Storch äußerte sich auch Alexander Gauland, Fraktionschef der AfD in Brandenburg und ebenfalls stellvertretender Parteichef. „Der Islam ist keine Religion wie das katholische oder protestantische Christentum, sondern intellektuell immer mit der Übernahme des Staates verbunden. Deswegen ist die Islamisierung Deutschlands eine Gefahr“, sagte Gauland der „FAS“.

Gauland wandte sich gegen die Vorstellung, dass es neben der fundamentalen Ausrichtung des Islams auch einen aufgeklärten Islam gebe, der mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung vereinbar sei. „Wir sind ein christlich-laizistisches Land, der Islam ist ein Fremdkörper. Einen Euro-Islam gibt es in Wirklichkeit nicht“, sagte der stellvertretende AfD-Vorsitzende.

AfD will Koranschulen stärker kontrollieren

Die AfD will laut FAS, dass Koranschulen und Moscheen schärfer kontrolliert werden. Es sei notwendig, „den Wildwuchs von islamischen Religionslehrern und Koranschulen, die privat finanziert werden, zu stutzen“. Das gelte vor allem für Moscheen, in denen Imame aus Saudi-Arabien predigten und die auch von dort bezahlt würden, betonte Gauland.

Den Vorschlag des AfD-Bezirksverbandes Niederbayern, den Bau und Betrieb von Moscheen ganz zu verbieten, lehnen von Storch und Gauland ab, weil die Freiheit der Religionsausübung geachtet werden solle.

Hier der Link zur weiteren Berichterstattung

Muslime werfen AfD Stimmungsmache vor

Nun regt sich Widerspruch. Deutsche Muslime reagieren bestürzt auf den Vorstoß des AfD-Bezirksverbandes Niederbayern, den „Bau und Betrieb von Moscheen“ zu untersagen.

 

16.03.31-AfD-Moschee

Islamfeindlichkeit wird salonfähig

„Mit Erschrecken, aber nicht überrascht stellen wir fest, wie Islamfeindlichkeit in Hass und Verachtung gegen alle Muslime umschlägt und nun auch keinen Halt mehr vor unseren Verfassungsprinzipien macht“, sagte der Vorsitzende der Zentralrats der Muslime in Deutschland (ZMD), Aiman Mazyek, den Zeitungen des RedaktionsNetzwerks Deutschland. Islamfeindlichkeit werde zum „salonfähigen Rassismus“.

In dem aus Niederbayern stammenden Entwurf zum Grundsatzprogramm der AfD heißt es, Moscheen dienten „nicht nur dem gemeinsamen Gebet, sondern auch der Verbreitung der auf die Beseitigung unserer Rechtsordnung gerichteten islamischen Lehre“. Der Islam gehöre nicht zu Deutschland. Aber auch innerhalb der Partei ist der Entwurf umstritten. Der bayerische AfD-Landeschef Petr Bystron hatte sich bereits am Mittwoch davon distanziert. Der Bezirksverband wirbt jedoch weiter um Unterstützung. Ende April will die AfD auf ihrem Parteitag in Stuttgart ihr Grundsatzprogramm diskutieren und verabschieden.

Gezielte Stimmungsmache der AfD

Der Geschäftsführer der Christlich-islamischen Begegnungs- und Dokumentationsstelle der Deutschen Bischofskonferenz (CIBEDO), Timo Güzelmansur, sprach von gezielter Stimmungsmache gegen Muslime. „Aber wir sollten nicht auf diesen Zug aufspringen, sondern ruhig abwarten, ob diese Forderungen tatsächlich in ein Parteiprogramm hineinkommen oder vielleicht einfach parteiinterne Auseinandersetzungen sind“, sagte der katholische Theologe im Kölner domradio. Hier der Link zum Interview im Domradio

 

16.03.30-AfD-FDP

Nicht nur die Kirche hält den Vorschlag für Unsinn

Den Dialog mit dem Islam suchen

Gleichzeitig erklärte der Theologe und Buchautor Ulrich Nersinger, die Gesellschaft sei auf den Dialog mit dem Islam angewiesen. Dies beziehe sich angesichts der Flüchtlingszahlen auch auf persönliche Gespräche, sagte er dem Internetportal katholisch.de in Bonn. „Auch die aktuellen Ereignisse wie die Terroranschläge in Brüssel verlangen, dass man offen miteinander spricht.“Hier der Link zu dem Text

Dialog sei indes „kein sinnloses, beschönigendes Daherreden“, betonte Nersinger. Er fordere vielmehr „das offene und kritische Gespräch“. Dazu gehöre auch das Festhalten an der eigenen Identität, „dass man sich mit seinem Glauben beschäftigt, sich in ihm auskennt und auch zu ihm steht, sonst ist der Dialog nicht sinnvoll“. – Nersingers Buch „Krieg und Frieden. Die Päpste und der Islam“ ist soeben im Bernardus Verlag erschienen.

Kritik der Israelitischen Kultusgemeinde an der AfD

Einen anderen zweifelhaften Aspekt aus dem offiziellen Programmentwurf der AfD kritisiert die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch. Darin heißt es: „Die aktuelle Verengung der deutschen Erinnerungskultur auf die Zeit des Nationalsozialismus ist zugunsten einer erweiterten Geschichtsbetrachtung aufzubrechen, die auch die positiven, identitätsstiftenden Aspekte deutscher Geschichte mit umfasst.“ Dass eine derartige „Verengung“ existiere, sei eine Unterstellung, sagte Knobloch dem „Handelsblatt“. „Das trägt – gewollt oder bewusst fahrlässig – unterschwellige Züge von sekundärem Antisemitismus“, fügte Knobloch hinzu.

Hier der Link zur weiteren Berichterstattung