Die Autokraten dieser Welt haben leichtes Spiel in diesen Tagen. Wladimir Putin und Tayyip Recep Erdogan melden sich selbstbewusst zurück auf der internationalen Bühne. Dort werden sie allerdings nicht freudig, sondern eher zähneknirschend begrüßt. Der Westen hat verstanden, dass ohne den russischen Präsidenten und seinen türkischen Kollegen eines der größten Probleme der Weltpolitik nicht unter Kontrolle zu bringen ist: Syrien.
Eine Analyse:

Syrien in der Hand des IS
Vor über vier Jahren hat das Töten in Syrien seinen Lauf genommen und wenig deutet darauf hin, dass es in absehbarer Zeit ein Ende nimmt, die Terroristen des Islamischen Staates scheinen ihren Siegeszug fortzusetzen, die verzweifelten Menschen kommen als Flüchtlinge nun zu Hunderttausenden in Europa an.
US-Außenminister John Kerry und sein deutscher Kollege Frank-Walter Steinmeier sind nun nach einem Treffen zu der fundamentalen und wenig überraschenden Einsicht gelangt, die Welt habe die politische und moralische Verpflichtung, dem Töten ein Ende zu setzen.
Die Rolle von Putin und Erdogan
Das „Was“ ist also geklärt, über das „Wie“ muss allerdings noch nachgedacht werden – und hier kommen Putin und Erdogan ins Spiel. Denn ohne die beiden geht nichts, zudem können sie die sowieso schon sehr explosive Lage noch weiter verschärfen.
In diesem Sinne haben sich die USA nun final von dem Plan verabschiedet, den syrischen Diktator Baschar al-Assad sofort zu stürzen. In der Sprache des US-Oberdiplomaten Kerry hört sich das dann so an: „Ich habe immer gesagt, dass Assad gehen muss, aber es muss nicht an einem speziellen Tag oder Monat geschehen. Dies ist ein Prozess.“
Über den Schatten springen
Damit Bewegung in den Prozess in Syrien kommt, müssen die USA allerdings über ihren Schatten springen. Es ist bekannt, dass US-Präsident Barack Obama mit seinem Kollegen im Kreml in tiefer Abneigung verbunden ist. Das Vertrauen hat Putin zuerst im Syrien-Konflikt verspielt. Er hat Diktator Assad in all den Jahren – trotz der Gewaltexzesse syrischer Sicherheitskräfte gegen die Opposition – vor jeglicher Kritik des UN-Sicherheitsrats geschützt. Die Annexion der Krim und der Krieg in der Ost-Ukraine gaben dem Verhältnis Russlands mit dem Westen den Rest.
Putin sucht die Nähe des Westens
Nun sucht aber ausgerechnet Putin die Nähe zum Westen. Sein Angebot lautet, mit den USA im Kampf gegen die IS-Terroristen (und damit mit gegen den islamistischen Terrorismus) zusammenzuarbeiten. Russland macht dabei Nägel mit Köpfen. Er ist dabei, einen Stützpunkt in der Nähe der syrischen Stadt Latakia auszubauen, um die Terroristen anzugreifen, die Teile Syriens kontrollieren.
Allerdings rätselt der Westen, welche Ziele Putin tatsächlich verfolgt. Im Zweifel sind es immer die eigenen! Die Fragen lauten: Will Putin tatsächlich den IS bekämpften – was im Sinne des Westens ist? Will er Assad stützen – was nicht das Ziel des Westens ist? Will Putin seinen Einfluss in der Region ausbauen – was ziemlich unbestritten zu sein scheint?
Putins Schachzüge
Tatsache ist, dass der Westen mit großem Interesse die diplomatischen Schachzüge des Kremls in der Krisenregion zur Kenntnis nimmt. Putin führt Gespräche mit den Führern der Golfstaaten und versucht, die Kontakte mit der Türkei zu verbessern und wird sich sogar mit Präsident Erdogan treffen. Zuletzt war der türkische Staatschef nicht gerade gut auf Putin zu sprechen, da beide Männer in Syrien diametral entgegengesetzte Ziele verfolgen: Putin will Assad stützen, Erdogan will in stürzen.

Dieses Gespräch wird auch im Europa sehr genau verfolgt werden. Denn Erdogan hat mit den über zwei Millionen syrischen Flüchtlingen im eigenen Land nicht nur eine große Verantwortung, sondern auch ein Druckmittel gegenüber der EU. Sie sind wohl auch einer der Gründe, weshalb Brüssel angesichts des selbstherrlichen Vorgehens Erdogans im eigenen Land gegen die Kurden doch überraschend zurückhaltend reagiert.
Mit dem Rücken zur Wand
Auf den ersten Blick scheint es also, dass Putin alle Trümpfe in der Hand hielte. Dem ist aber nicht so – ganz im Gegenteil. Denn der Präsident bewegt sich, weil er selbst unter enormem Druck steht. Der Krieg in der Ukraine und die völkerrechtswidrige Annexion der Krim haben ihm zwar einen Schub in der Popularität beim eigenen Volk verschafft, doch die Sanktionen des Westens lasten immer schwerer auf Russland. Die Menschen beginnen zu murren, weil der Mangel längst den Alltag erreicht hat. Supermärkte reduzieren ihr Angebot und die Waren werden wegen des Verfalls des Rubels immer teurer. Zudem fließt sehr viel Geld in die Militärausgaben, das wohl besser in der Alimentierung der darbenden Bevölkerung angelegt wäre. Dramatisch auf den Staatshaushalt wirkt sich auch der Verfall des Ölpreises aus. Nun rächt sich, dass Russland keine wirklich funktionierende, diversifizierte Volkswirtschaft ist, sondern sein Reichtum allein auf dem Export von Rohstoffen basiert.
Ein Treffen Putin mit Obama
Russland steht wirtschaftlich also förmlich mit dem Rücken zur Wand. Das ist eine Tatsache. Es kursieren aber auch eher psychologische Erklärungsmuster. Putin will endlich von den Führern dieser Welt Ernst genommen werden. Er sucht jene Anerkennung, die ihm nach eigenem Ermessen zusteht. Die aber wird ihm bisher verwehrt – obwohl er bei der Verständigung mit dem Iran in Sachen Atom-Kompromiss kräftig mitgemischt hat.
Um dieser selbstverschuldeten Isolation zu entkommen, legt Putin in Syrien nach. Der erste Schritt des Geächteten auf dem Weg zurück auf die Weltbühne könnte am Rande der bevorstehenden UN-Generaldebatte in New York stattfinden. Immer dichter werden die Gerüchte, dass Putin dort ein Treffen mit US-Präsident Obama anstrebt. Das Weiße Haus schweigt sich dazu bisher demonstrativ aus. Doch auch Obama wird seine Abneigung gegen Putin überwinden müssen, will er das Morden in Syrien beenden.
Auch Israel hat seine Probleme mit dem russischen Engagement in Syrien. Hier ein Link zum Thema.