Nafri? Entspannt Euch!

Es ist eine typische Internet-Diskussion. In den Sozialen Medien wird reichlich erregt über den Begriff „Nafri“ diskutiert. Der Grund dafür ist, dass die Polizei in Köln während ihres Einsatzes in der Neujahrsnacht diesen Begriff auf Twitter für die Gruppe der Nordafrikaner benutzte, die sie kontrolliert hat.

Ein Kommentar:

17-01-02-nafri

Nafri ist eine Abkürzung

Als „Nafris“ werden in internen Polizeiberichten Menschen nordafrikanischer Herkunft bezeichnet. Es ist also eine –  ziemlich naheliegende – Abkürzung. Was das Wort zum Schimpfwort macht, ist eine Verwendung mit dem Ziel, Menschen zu diskriminieren. Das ist in dem besagten Tweet der Polizei in der Silvesternacht nicht der Fall. Zugegeben, die öffentliche Verwendung der Abkürzung ist mehr als ungeschickt. Das hat inzwischen auch die Polizei eingeräumt. Den Beamten nun aber pauschal vorzuwerfen, sie seien rassistisch, ist völlig überzogen – und macht vergessen, dass die Einsatzkräfte in Köln offensichtlich einen guten Job gemacht haben.
.

.

Steigende Erregungskurve

Der Verlauf der Diskussion entspricht aber der bekannten Erregungskurve in Internet-Foren. Dass ausgerechnet der Comedian Jan Böhmermann via Twitter scheinheilig fragt: „Was ist eigentlich der Unterschied zwischen Nafri und Neger?“ hat eine ganz eigene, subversive Qualität. War er es nicht, der dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan in einem Schmähgedicht einst die schändlichsten Beleidigungen entgegen schleuderte? Der Mann ist eben ein Social-Media-Profi und benutzt das Netz für seine eigenen Zwecke. Die Amateure unter den Internet-Nutzern sollten für das neue Jahr 2017 allerdings einen wichtigen Vorsatz fassen: zwei Mal nachdenken, den Schaum vor dem Mund wegwischen und die Dinge entspannter angehen.

Grünen-Chefin Peter greift daneben

Dass aber die Grünen-Chefin Simone Peter auf den Zug der Populisten aufspringt und die Polizei wegen der „Nafri“-Äußerung öffentlich rügt, ist  unnötig und sie wird selbst in der eigenen Partei dafür kritisiert.  Fakt bleibt, dass die Einsatzkräfte in Köln unter genauster Beobachtung der gesamten Republik in einer höchst explosiven Situation einen sehr guten Job gemacht haben. Ihnen jetzt die falsche Wortwahl in einem Tweet vorzuwerfen, ist weltfremde Besserwisserei.

Der Fake-Artist Jan Böhmermann

Jan Böhmermann beendet seine Fernsehpause – und provoziert wieder. Seine Behauptung, einen schüchternen Eisenbahn-Fan als Fake-Kandidaten in die RTL-Show „Schwiegertochter gesucht“ geschleust zu haben, lässt die Erdogan-Debatte vergessen.
16.05.13-Böhmermann

Seine Fans feiern Böhmermann.

Böhmermann tut das Überraschende

Jan Böhmermann hätte vieles tun können: Ziegen durchs Studio jagen, ein feixendes Erdogan-Double neben sich setzen, ein Schmähgedicht über Angela Merkel rezitieren. Aber Jan Böhmermann hat beim Comeback des „Neo Magazin Royale“ nach vierwöchiger Pause nichts dergleichen getan. Der Satiriker hat die „Causa Erdogan“, die an Intellektuellenstammtischen und Redaktionsstuben quer durch die Republik heftig diskutiert wurde und sich zu einer Staatskrise zwischen Berlin und Ankara ausgewachsen hat, lediglich in Halbsätzen und vagen Andeutungen erwähnt. Und er hat gut daran getan, denn Böhmermann hatte einen ganz anderen Coup auf Lager – er gab einmal mehr den investigativen Satiriker. Das Ziel seiner Recherche war dieses Mal die Moderatorin Vear Int-Veen und deren RTL-Trash-Sendung „Schwiegertochter gesucht“. Der Hashtag der Woche lautete denn auch: #verafake.

Sein selbst erklärtes Ziel: „Dokumentieren, was RTL und Vera Int Veen für eine Scheiße mit Kandidaten abziehen, die sich nicht wehren können.“ Das ist Böhmermann, der schon mit dem gefälschten Varoufakis-Fake die Redaktion von Günther Jauch bloßstellte, grandios gelungen.
.

.

Der investigative Böhmermann

Genüsslich erzählt der Satiriker, wie einfach es war, die Kollegen vom Privatfernsehen hinters Licht zu führen. Die Zutaten sind denkbar einfach: eine heruntergekommene Wohnung voller Bierflaschen, ein ausgefallenes Hobby, ein schiefes Grinsen und zwei vermeintlich grenzdebile Kandidaten – fertig sind die idealen Kandidaten. Ganz nebenbei deckt Böhmermann auf, unter welchen Bedingungen RTL seine Sendung produziert. Kandidat „Robin“ und sein vermeintlicher Vater unterschreiben einen Vertrag, der sie zu einem 30-tägigen Drehtermin verpflichtet. Dafür sollen sie 150 Euro bekommen.
.

//platform.twitter.com/widgets.js
.

Großer Auftritt von Gregor Gysi

Wer geglaubt hatte, dass der Spannungsbogen der Sendung sich nun merklich senken würde, sah sich getäuscht. Es kam der Auftritt von Gregor Gysi. Der nicht gerade als redescheu bekannte ehemalige Fraktionschef der Linken im Bundestag trieb Böhmermann verbal durch die nächste Viertelstunde der Sendung. Gleich zu Anfang legte Gysi den Finger in die Wunde: „Das Gedicht, das Sie vorgelesen haben, fand ich nicht schön, weil es Vorurteile bedient.“ Böhmermann wollte nicht über das Thema reden, was der Linken-Politiker aber beharrlich ignorierte. Er dozierte über die Freiheit der Kunst, die Sinnlosigkeit des Paragrafen 103 und die unsouveräne  „Scheißpolitik“ Erdogans – da half es auch nichts, dass sich Böhmermann die Ohren zuhielt oder wie wild auf seinem Laptop tipte. Das Urteil Gysis über den Satiriker fiel am ende aber gnädig aus – der Jurist plädierte auf Freispruch. Schon während noch lief, feierten seine Fans das Comeback Böhmermann auf Twitter. Ihm selbst scheint die kleine Pause durchaus gut getan zu haben.

 

———————————

Nachtrag 1

Nach dem entlarvenden Bericht in Jan Böhmermanns „Neo Magazin Royale“ prüft die Medienaufsicht nun die RTL-Sendung „Schwiegertochter gesucht“. Eine entsprechende Vorprüfung sei bereits eingeleitet worden. Das berichtet die „Neue Osnabrücker Zeitung„. „Die Art und Weise, wie die Produktionsfirma Verträge mit den Kandidaten abschließt und sie dabei bedrängt, erinnert stark an Haustürgeschäfte“, wird der Direktor der niedersächsischen Landesmedienanstalt dort zitiert.

Daher sei inzwischen der entsprechende Vertrag angefordert worden, der mit den Kandidaten abgeschlossen werde. Einen Verstoß gegen die Menschenwürde habe die Landesmedienanstalt jedoch nicht festgestellt. Sollte ein offizielles Prüfverfahren eingeleitet werden, drohe dem Sender eine Beanstandung, berichtet die „NOZ“ weiter.

Nachtrag 2

Der Privatsender RTL zieht nach Jan Böhmermanns „Verafake“ Konsequenzen. „Bei der Produktion einer Folge von „Schwiegertochter gesucht“ sind Fehler im Bereich der redaktionellen Sorgfaltspflicht gemacht worden“, sagte Unterhaltungschef Tom Sänger in einer Mitteilung. „Dazu stehen wir gemeinsam mit der Produktionsfirma Warner. Die Produktion der aktuellen Staffel wird daher von einem neuen Team realisiert. Gemeinsam mit dem Produzenten sorgen wir dafür, dass sich die Fehler nicht wiederholen.“

Böhmermann – der deutsche Ai Weiwei?

Ein Lebenszeichen von Jan Böhmermann – und der Weg ist ganz old-school. Nicht über Facebook oder Twitter hat sich der ZDF-Satiriker zu Wort gemeldet, sondern völlig traditionell. Er hat dem Wochenmagazin ein Interview gegeben – und geht dabei mit der Kanzlerin Angela Merkel hart ins Gericht.

16.05.03-böhmermann-fb

Der deutsche Ai Weiwei

Der Skandal um sein Erdogan-Schmähgedicht hat Böhmermann offensichtlich härter getroffen, als viele erwartet haben. Die Kritik an Merkel könnte nicht bissiger sein.  „Die Bundeskanzlerin darf nicht wackeln, wenn es um Freiheit und Menschenrechte geht“, sagte Böhmermann. „Doch stattdessen hat sie mich filetiert, einem nervenkranken Despoten zum Tee serviert und einen deutschen Ai Weiwei aus mir gemacht.“

.

.

Er fühle sich in seinem Glauben daran erschüttert, „dass jeder Mensch in Deutschland ein unverhandelbares, unveräußerliches Recht auf gewisse Grundrechte hat: die Freiheit der Kunst und die Freiheit der Meinungsäußerung“, sagte der 35-Jährige, der das Gedicht nach eigenen Angaben nicht selbst verfasst hat. Am allermeisten habe er sich über die Tatsache amüsiert, „dass die Chefin des Landes der Dichter und Denker offenbar nicht einen Moment über das Witzgedicht und besonders seine Einbindung nachgedacht hat, bevor sie sich mit ihrem öffentlichen Urteil blamiert hat“.

Gedicht mit Beschimpfungen

Der Grund für den Skandal braucht inzwischen eigentlich kaum mehr erklärt zu werden. Böhmermann hatte in seiner bei ZDFneo ausgestrahlten Sendung „Neo Magazin Royale“ am 31. März ein Gedicht mit Beschimpfungen des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan verlesen. Den Auftritt hatte der Moderator damit begründet, er wolle den Unterschied zwischen erlaubter Satire und auch in Deutschland verbotener Schmähkritik erklären. Merkel hatte danach im Gespräch mit dem türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu geäußert, Böhmermanns Text sei „bewusst verletzend“.

Nun versucht der Satiriker im „Zeit“-Interview zu erklären, wie es zu dem Skandal kam. Er habe versucht, seinen Zuschauern „anhand einer knapp vierminütigen satirischen Nummer zu erklären, was eine freiheitliche und offene Demokratie von einer autoritären, repressiven De-facto-Autokratie unterscheidet, die sich nicht um Kunst- und Meinungsfreiheit schert“. Das Gedicht sei „nur ein Teil der Nummer und sollte nicht aus dem Zusammenhangt gerissen und einzeln betrachtet werden“, betonte der Satiriker.

Und dann gibt Böhmermann einen kleinen Einblick in sein Privatleben. Für ihn und seine Familie, die unter Polizeischutz stand, habe der Fall „dramatische und ganz reale Konsequenzen“. Doch können nicht alle das Verhalten Böhmermanns wirklich nachvollziehen.

 

 

Die „Zeit“ sorgt mit dem Interview mit Jan Böhmermann auf jeden Fall für einige Aufregung.

 

Programmhinweis:

Jan Böhmermanns „Neo Magazin Royale“ ist derzeit nicht auf Sendung. Der Moderator hatte wegen des Wirbels um das Schmähgedicht Mitte April eine vierwöchige Fernsehpause angekündigt. Am 11. Mai wird wieder eine Folge von „Neo Magazin Royale“ aufgezeichnet, Sendetermin ist der 12. Mai.

Hier geht es zum Teaser des „Zeit“-Interviews

Jan Böhmermann erklärt Twitter-Gate für beendet

Jan Böhmermann ist zurück. Drei Tage nach seinem groß angekündigten Aus bei Twitter hat der TV-Moderator den Boykottabgebrochen.  Damit ist das Thema Torten-Gate für ihn beendet.

 

16.03.25-Böhmermann01

Offensichtlich hat er erkannt, dass Facebook nicht das ideale Medium für ihn ist. Von ihm stammt auch der Satz: „Bei Facebook sind die Dummen. Bei Twitter sind die Schlauen. Ist so.“ Nach dem Ende des Boykotts schrieb er noch.
.

Rache für keine Torte

Den Grund für seinen Boykott hatte Böhmermann in seiner ZDF-Show „Neo Magazin Royale“ erklärt: Twitter hatte ihm zum zehnjährigen Geburtstag des Kurznachrichtendienstes keine Torte geschickt. „Was mit uns gemacht wurde von Twitter … das war wirklich eine absolute Frechheit.“ 170 Redaktionen und „wichtige Leute in ganz Deutschland“ hätten eine Torte bekommen. „Wir machen seit drei Jahren in jeder Sendung einen Hashtag der Woche!“, rief Böhmermann empört. „Das erste Wort, das ich in jeder Sendung sage, seit drei Jahren, ist Twitter.“ Er habe Twitter quasi erfunden. „Und dann sowas: Wir haben keine Torte bekommen! Keine Torte für uns! Das gibt’s doch gar nicht!“ Sein Profilbild bei Twitter ersetzte Böhmermann mit einem durchgestrichenen Twitter-Logo.

Zudem hetze er auf Facebook immer wieder gegen Twitter:

16.03.25-Böhm02

Der Boykott Böhmermanns gegen Twitter war kurz davor, sich zu einer ausgewachsenen Staatsaffäre auszuweiten. Sogar der Justizminister hatte sich eingschaltet.

.

 

 Die Reaktion von Twitter

Auf Böhmermanns Boykott reagierte Twitter mit einem Tweet: „Unsere Liebe hält das doch aus, oder? Wir machen es auch wieder gut“, gefolgt von dem Hashtag #backenfürböhmi und dem Aufruf, Jan Böhmermann eine Torte zu schicken. Böhmermann nahm das Friedensangebot offenbar an. Das Anti-Twitter-Logo ist aus seinem Profilbild verschwunden.

Hier der Link zur Berichterstattung über Böhmermanns Twitter-Gate