Kant und das Problem in Kaliningrad

Er ist der berühmteste Sohn der Stadt –  als Namensgeber für den Flughafen in Kaliningrad ist Immanuel Kant aber offenbar nicht willkommen. Der deutsche Philosoph sorgte in den vergangenen Tagen für eine skurrile Kontroverse in der russischen Exklave, in deren Verlauf er von offizieller Seite sogar als „Verräter“ gebrandmarkt wurde.

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18.12.04-kant

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Ein Sturm der Entrüstung gegen Kant

Kant wurde 1724 im damaligen Königsberg geboren und verbrachte fast sein ganzes Leben in der Stadt, die später unter sowjetischer Herrschaft in Kaliningrad umbenannt wurde. Bis vor kurzem führte Kant eine Online-Abstimmung zur Umbenennung des derzeitigen Chrabrowo-Flughafens an. Dies löste einen Sturm der Entrüstung aus. Der regionale Abgeordnete Andrej Kolesnik beschuldigte den Philosophen der „Russophobie“, obwohl es hierfür keine historischen Belege gibt. Er halte es für unpatriotisch, den Flughafen zu „germanisieren“.

Auch der Stabschef der russischen Ostseeflotte schaltete sich laut örtlichen Medien in die Debatte ein. In einem Video ist er zu sehen, wie er in einer Rede vor Soldaten dazu aufruft, nicht für den Philosophen zu stimmen. Kant wirft er vor, „sein Vaterland verraten“ zu haben.

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„Kant“ verliert die Online-Umfrage

Die Kritik zeigte Wirkung: Kant verlor in der Online-Umfrage an Zustimmung und landete schließlich hinter der russischen Kaiserin Elisabeth I., deren Armee Königsberg 1758 eroberte, aber fünf Jahre später wieder verließ. Kant hatte sich während der kurzen russischen Herrschaft erfolglos um einen Lehrposten an der örtlichen Universität bemüht – sein Brief an Elisabeth I. kam nie an.

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Wie aufgeheizt die Stimmung ist, hatte sich bereits in der vergangenen Woche gezeigt, als Kants Grab, ein Denkmal zu Ehren des Philosophen sowie eine Gedenktafel, die an sein Wohnhaus erinnert, mit Farbe beschmiert wurden. Auf Flugblättern äußerten Aktivisten sich erleichtert, „dass der Name des Deutschen nicht unseren Flughafen beflecken wird“.

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Die Stimmungsmache gegen Kant stieß aber auch auf Widerstand. Für „denkende Menschen“ sei Kant nicht Bürger eines bestimmen Landes, sondern ein Weltbürger, sagte der Sprecher der Kathedrale, die das Grab des Philosophen beherbergt. Auch der Leiter der Philosophischen Fakultät der Immanuel-Kant-Universität in Kaliningrad zeigte kein Verständnis für die Proteste.

Die neue Angst vor Russland

Polen will angesichts des Ukraine-Konflikts seine rund 200 Kilometer lange Grenze zur russischen Exklave Kaliningrad verstärken – mit neuen Wachtürmen.

15.04.09-wachturm

Politiker in Ost und West warnen wegen der Ukraine-Krise seit Monaten  vor einem neuen Kalten Krieg. An der polnischen Ostgrenze werden die Folgen der Spannungen  nun sichtbar.  Polen will  seine rund 200 Kilometer lange Grenze zur russischen Exklave Kaliningrad verstärken. Nach Angaben des polnischen Grenzschutzes sollen sechs Beobachtungstürme errichtet werden, um die Außengrenze rund um die Uhr von dort aus zu überwachen. Kaliningrad liegt an der Ostsee, umgeben von Polen und Litauen. Derzeit werde die technische Ausstattung der 35 bis 50 Meter hohen Türme getestet, sagte Miroslawa Aleksandrowicz von der Grenzschutzstelle Masuren in Ketrzyn der polnischen Tageszeitung „Gazeta Wyborcza“.

Atomwaffenfähige Iskander-Raketen stationiert

Die Baukosten betragen den Angaben zufolge rund 14 Millionen Zloty (etwa 3,5 Millionen Euro). Das Geld  muss das Land allerdings nicht alleine aufbringen, denn die Summe wird zu drei Vierteln aus einem EU-Fonds für die Sicherung der Außengrenzen der Europäischen Union finanziert. Die Regierung in Warschau hatte bereits vor Monaten angedeutet, wegen der Ukraine-Krise die Militärstandorte in Ostpolen verstärken zu wollen. Aber nicht nur  die polnischen Politiker  beobachten die Entwicklung in Kaliningrad mit großem Misstrauen.  Die litauische Präsidentin Dalia Grybauskaite hatte bereits im März erklärt, Russland habe in der Exklave atomwaffenfähige Iskander-Raketen stationiert, die „sogar Berlin erreichen“ könnten. Auch in russischen Medien hatte es entsprechende Berichte gegeben. Der Verdacht, dass Moskau in der Region heimlich aufrüste, war schon vor zwei Jahren immer wieder geäußert worden. Entsprechende Berichte wurden von Russland damals aber dementiert.

Kleiner Grenzverkehr

Die zwischenstaatlichen Streitigkeiten hatten bisher keinen Einfluss auf das Leben der  Menschen vor Ort.  Zwischen den Grenzregionen Polens und Kaliningrad besteht ein „kleiner Grenzverkehr“, der eine visumfreie Einreise ermöglicht und vielen Familien auf beiden Seiten ein gutes Einkommen gesichert hat. Im vergangenen Jahr reisten rund 3,2 Millionen Polen und 3,3 Millionen Russen in die Nachbarregion. Das könnte nun mit der Verstärkung der Grenze ein Ende haben.