Eine Visite mit Symbolwert

Es ist eine Premiere. Angela Merkel besucht als erste Regierungschefin der Bundesrepublik das kleine Kirgistan.  Manche fragen sich, was das soll – doch die Visite hat einen hohen symbolischen Wert.

16.07.15-kirgistan

Eine wichtige Zwischenstation

Das eigentliche Ziel der Reise Angela Merkels ist eine anderes. Sie will nach Ulan Bator, dort findet der Asien-EU-Gipfel statt. Doch sie nutzt einen kleinen Zwischenstopp auf dem weiten Weg in die Mongolei, um ein kleines Zeichen zu setzen. Mit ihrem Besuch in Kirgistan ist eine Anerkennung dafür, dass sich das Land als einzige parlamentarische Demokratie in der ganzen Region behauptet.

Von westlichen Demokratiestandards ist das Steppenland allerdings noch immer weit entfernt. Unter den anderen zentralasiatischen Ländern, die vor allem durch Korruption und autoritäre Herrscher von sich reden machen, ragt das seit 1991 unabhängige Kirgistan allerdings wohltuend hervor.

Ein Pony zwischen Elefanten

„Ein kleines friedliebendes Pony zwischen zwei Elefanten“, hat Präsident Tsakhia Elbegdorj die Lage seines Landes zwischen China und Russland einmal beschrieben. Noch klappt dies: So haben die Parlamentswahlen in der Mongolei gerade einen bisher friedlichen Machtwechsel gebracht. In Kirgisistan wiederum habe das Parlament in Bischkek im April sogar ein Gesetz zur schärferen Kontrolle von Nichtregierungsorganisationen gestoppt, lobt Merkel. Die deutsche Regierungschefin hat sich denn auch demonstrativ mit Mitgliedern der Zivilgesellschaft getroffen.

 

INFO zu Kirgistan:

Kirgistan ist das zweitkleinste zentralasiatische Land, mit 200.000 Quadratkilometern aber trotzdem mehr als halb so groß wie Deutschland. Es ist allerdings wesentlich dünner besiedelt: Nur knapp sechs Millionen Menschen leben hier, ein Drittel von ihnen ist nach Angaben der UN jünger als 15 Jahre.

Etwa 80 Prozent der Einwohner sind sunnitische Muslime, acht Prozent russisch-orthodoxe Christen. Kirche und Staat sind in Kirgistan aber getrennt. Hauptstadt ist Bischkek, das zu sowjetischer Zeit noch Frunse hieß – benannt nach einem General. Fast das gesamte Land ist gebirgig. Der höchste Berg ist der 7439 m hohe Dschengisch Tschokusu, der als „nördlichster Siebentausender der Welt“ gilt. Das Land verfügt über Bodenschätze wie Gold, Kohle, Öl oder Kupfer. Trotzdem ist die wirtschaftliche Lage vieler Kirgisen schlecht, jeder Dritte lebt unterhalb der Armutsgrenze.

 

Von Russland abhängig

Kirgistan liegt nicht nur zwischen zwei Elefanten, das Verhältnis zu seinen Nachbarn ist auch nicht ganz spannungsfrei. Mit seinen knapp sechs Millionen Einwohnern ist das Land stark von Russland abhängig. Im vergangenen Jahr hat Moskau seine Macht spielen lassen und das Land in die von Russland kontrollierte eurasiatische Wirtschaftsunion gewzungen – obwohl dies etwa den Handel des rohstoffarmen Staates mit China erschwert. Die Überweisungen der in Russland arbeitenden Landsleute machen fast ein Drittel der Deviseneinnahmen des Landes aus. Auf russischen Druck musste 2014 die letzte US-Militärbasis in dem Land schließen.

Angespanntes Verhältnis zu Russland

Dennoch bleibt das Verhältnis zu Russland schwierig: Gerade erst sind russische Firmen aus wichtigen Wasserprojekten ausgestiegen, die für die Stromerzeugung Kirgisistans sehr wichtig wären. Deshalb schielt Präsident Atambaew nun nicht nur auf Investoren aus China, sondern auch aus Europa. Merkel versicherte er, dass sein Staat seit der ethnischen Unruhen 2010 „beim Aufbau eines freien demokratischen Landes“ sei.

Die demokratischen Reformen in Kirgisistan sind allerdings auch eine Art Selbstschutz. Der Präsident warnt immer wieder, dass wenn in der Region die Demokratie nicht Fuß greifen werde, in Zentralasien ein neues Afghanistan entstehen könnte. Die Angst vor einem Erstarken der Extremistenmiliz IS ist  mittlerweile auch in Zentralasien sehr groß. Einige der Attentäter von Istanbul sollen der in Kirgisistan lebenden usbekischen Minderheit angehören – die immer noch über erhebliche Diskriminierung klagt.

 

Deutschland hat wenig zu bieten

Tatsache aber ist, dass Deutschland außer warmen Worten und einigen kleinen Förderprojekten kaum etwas zu bieten hat. Der Wert des deutschen Handels mit dem Land liegt gerade einmal im dreistelligen Millionenbereich und rangiert damit auf Platz 146 der 200 Länder zählenden Rangliste. Also spricht Merkel über Chancen für Mittelständler, Entwicklungshilfeprojekte etwa im Gesundheitssektor. Möglicherweise könne die Kreditanstalt für Wiederaufbau mehr tun. Steinmeier erhöhte die Förderung für die 2002 gegründete OSZE-Akademie in Bischkek, die das Denken zentralasiatischer Diplomaten in friedlicher Konfliktlösung fördern soll.

Präsident Atambajew sprach sich bei dem Merkel-Besuch für eine gemeinsame Wirtschaftszone von Lissabon im Westen der EU bis Wladiwostok im Osten Russlands aus. Das war auch einmal eine Idee des Kremls – liegt unter den aktuellen Bedingungen für alle Beteiligten allerdings im Reich der Wunschträume.

 

Kirgistan, Kirgisistan, Kirgisien?

Für Verwirrung sorgt die Tatsache, dass es vier verschieden Namen für das Land gibt. Die meisten deutschen Medien verwenden die Bezeichnung Kirgistan. Das Auswärtige Amt gönnt sich noch eine Silbe mehr und nennt den Staat Kirgisistan. „Es gibt kein Richtig und kein Falsch“, sagt Beate Eschment, Herausgeberin der „Zentralasien-Analysen“. Beides sei korrekt. Hinzu komme noch Kirgisien, was aber nur sehr selten genutzt wird. Die Botschaft des Landes selbst verwendet alle drei Namen – und außerdem noch den offiziellen: „Kirgisische Republik“.

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Hier der Link zur Berichterstattung der Bundesregierung

Kirgistans mühsamer Weg in Richtung Demokratie

Man wird bescheiden. In Kirgistan stand das Ergebnis nicht VOR den Parlamentswahlen fest. Das wird als Erfolg gewertet. Gewonnen haben am Ende die pro-russischen Sozialdemokraten (SDPK). Sie wollen den Reformkurs des Landes fortsetzen. Nach Angaben der Wahlleitung kommt die Partei von Regierungschef Temir Sarijew auf etwa 27,4 Prozent der Stimmen.

15.10.05-kirgistan Eins Straße in der Nähe der Hauptstadt Bischkek

Ein steiniger Reformweg

Kirgistan hatte nach dem Sturz des autoritären Staatschefs Kurmanbek Bakijew vor gut fünf Jahren einen steinigen Reformweg beschritten – hin zu einer parlamentarischen Demokratie nach westlichem Vorbild. Dies gilt in der sonst von Diktatoren und Halbdiktatoren geführten Region in Zentralasien als große Ausnahme. Mehrere Regierungsumbildungen hat Kirgistan in den vergangenen Jahren erlebt. Viele Experten hatten das demokratische Experiment in Kirgistan schon abgeschrieben. Offenbar zu Unrecht.

Für die meisten Beobachter überaus Überraschend war die Begeisterung, mit der die Menschen zur Wahl gegangen sind. Das verwundert umso mehr, da keiner der Kandidaten mit seinem Programm wirklich überzeugen konnte. Im Wahlkampf hatten sich viele Parteien für eine Zusammenarbeit mit Russland ausgesprochen, das seinen Einfluss in der Region zuletzt deutlich ausgebaut hatte. So ist Kirgistan in diesem Jahr der von Moskau angeführten Eurasischen Wirtschaftsunion beigetreten.

Korrupte Politiker

Überraschend ist Zudem sind die Politiker in den Augen vieler Kirgisen korrupt. Für Wählerstimmen Geld zu zahlen, war in Kirgistan keine Seltenheit, Wahlfälschungen waren an der Tagesordnung. Damit es dieses Mal zu weniger Ungereimtheiten kommen solle, mussten sich die Menschen mit ihren biometrischen Daten registrieren lassen.

Nach Angaben der Wahlleitung in Bischkek überwanden insgesamt sechs Parteien die Sieben-Prozent-Hürde. Zweitstärkste Kraft wurde demnach die nationalkonservative Partei Ata-Schurt (Vaterland) mit etwa 21 Prozent der Stimmen. Die Beteiligung am Urnengang am Sonntag lag demnach bei etwa 60 Prozent. Insgesamt bewarben sich 14 Parteien um die 120 Mandate. Rund 2,7 Millionen Menschen in dem Hochgebirgsland an der Grenze zu China waren wahlberechtigt.

Zufriedene OSZE

Auch die OSZE-Beobachter waren überraschend zufrieden mit den Wahlen. Auch wenn es Mängel gegeben habe, heißt aus dem OSZE-Büro in Bischkek, hätten die Wähler friedlich und frei ihren Willen bekunden können. OSZE-Koordinator Ignacio Sánchez Amor sprach von einem echten Wettbewerb zwischen den Parteien. Allerdings seien neue Techniken gegen Wahlbetrug, etwa die Registrierung biometrischer Daten, überhastet eingeführt worden. „Es bleibt noch Arbeit“, sagte er.