Die AfD darf eine zweite Fraktion bilden

Mit dieser Entscheidung hatten nur wenige gerechnet: Der Bildung einer zweiten AfD-Fraktion im Landtag von Baden-Württemberg steht nichts im Weg. Das besagt ein Gutachten, das im Auftrag des Landtages in Auftrag gegeben worden ist. Damit hat die Abspaltung der 14 Abgeordneten um den ehemaligen AfD-Fraktionschef Jörg Meuthen ein eigenes Existenzrecht. 

16.06.07-Meuthen

Diese Runde im Streit um die AfD geht an Jörg Meuthen

Der Status der neuen AfD ist nun geklärt

In dem Gutachten heißt es unter anderem, der Landtag könne zwar eine Regelung erlassen, die die Gründung einer Parallel-Fraktion untersage. Eine derartige Änderung könne aber einer bereits existierenden Fraktion den Status nicht entziehen.  Auch aus der Landesverfassung und den Regelungen für die Fraktionen und den Landtag lasse sich nicht ableiten, dass Abgeordnete keine Fraktion bilden dürften, nur weil Kollegen derselben Partei schon eine Fraktion gebildet hätten. Das letzte Wort über die von Meuthen neu gegründete „Alternative für Baden-Württemberg“ hat nun  das Präsidium des Landtags, das am Dienstagabend tagt. Die Reaktionen der Parteien auf das Gutachten legen aber nahe, dass sie das Urteil  nicht gutheißen, aber akzeptieren werden.

„Die AfD inhaltlich stellen“

Andreas Schwarz, Fraktionschef der Grünen, betrachtet die Rechtsfrage als geklärt. Er betonte seine Partei werde die AfD im Landtag weiterhin inhaltlich stellen. „Die Debatten der noch jungen Wahlperiode haben gezeigt, dass die Partei über ihre internen Skandale hinaus nichts zu bieten hat“, unterstrich Schwarz am Montag in Stuttgart. Die Grünen-Landeschefs Oliver Hildenbrand und Thekla Walker verwiesen auf die hohen Kosten, die mit zwei AfD-Fraktionen auf die Steuerzahler zukämen. „Nicht alles was rechtlich möglich sein mag, ist auch politisch anständig“, sagten sie und spielten darauf, dass die Mitglieder der AfD den etablierten Parteien immer wieder wortstark  Steuerverschwendung vorwerfen.  Auch die CDU verwies auf die hohen Kosten, die nach der Spaltung auf die Steuerzahler zukommen werden. „Bei Aufrechterhaltung dieser Rechtsmeinung stünden einer abgespaltenen Fraktion auf Kosten des Steuerzahlers erheblich Privilegien zur Seite“, erklärte CDU-Fraktionschef Wolfgang Reinhardt.  Er glaubt auch nicht, dass der Streit in der AfD ausgestanden ist. „Im Übrigen bleibt abzuwarten, ob es bei dieser einen Spaltung bleibt oder ob sich nicht in absehbarer Zeit erneut neue Abgeordnetenzusammenschlüsse bei der AfD ergeben.“

Die Sicht der AfD

Ganz anders stellt sich die Lage aus Sicht der Alternative für Deutschland dar. Nach Darstellung der Rest-AfD-Fraktion soll die Fraktion in absehbarer Zeit wieder fusionieren. Trotz des Gutachtens  liefen dazu auf  allen Ebenen Gespräche, sagte Heiner Merz, der die Restfraktion leitet. Angesichts des angestrebten „dritten Weges“ sei die Expertise „hinfällig“, fügte er am Montag in Stuttgart zu. Am Samstag  hätten sich die Kreisvorsitzenden der AfD für ein Zusammengehen der Gruppe um AfD-Bundeschef Jörg Meuthen und der Rest-Fraktion ausgesprochen. Sowohl Meuthen als auch Merz waren bei dem Treffen dabei. Demnach soll die Neugründung der AfD-Fraktion bis Ende der Sommerpause mit Hilfe eine Mediators erfolgen. Das allerdings würde eine totale Kehrtwende Jörg Meuthens bedeuten. Der hatte in diesen Tagen eine Fusion der beiden Gruppen  definitiv  ausgeschlossen.

Der Grund für die Spaltung

Die Alternative für Deutschland im baden-württembergischen Landtag hatte sich Anfang Juli aufgespalten. Hintergrund war ein wochenlanger Streit in der Fraktion über dem Umgang mit dem Abgeordneten Wolfgang Gedeon, dem Antisemitismus vorgeworfen wird. Jörg Meuthen hatte am 5. Juli gemeinsam mit einigen Parteikollegen die Fraktion verlassen.

Kein Fünkchen Einsicht bei der AfD

Die aktuelle Debatte im Stuttgarter Landtag war eine Lehrstunde in Demokratie. Gestritten wurde über die AfD, die im politischen Chaos versinkt – die zeigte aber wenig Fähigkeit zur Selbstkritik.

Ein Kommentar:

16.06.07-Petry

Auch das Verhalten von Frauke Petry war ein Thema bei der Debatte im Landtag.

Demokratie ist ein schweres Geschäft

Die Arbeit im Stuttgarter Landesparlament ist oft eine eher spröde Angelegenheit. Die Debatten sind nicht selten sehr zäh, die Sachlage meist sperrig – Demokratie ist in vielen Fällen kein Zuckerschlecken. Ganz anders bei der aktuellen Debatte am Mittwoch im Landtag. Zu sehen war ein Schlagabtausch, wie ihn das Parlament selten erlebt. Die Fronten waren klar: hier die AfD, dort die Fraktionen aus Grünen, CDU, SPD und FDP. Gestritten wurde über die große Verantwortung, die die Volksvertreter gegenüber ihren Wähler tragen.

Genau dieses Verantwortungsgefühl lassen die meisten Vertreter der Alternative für Deutschland vermissen. Begleitet von schmutzigen Grabenkämpfen und Antisemitismusvorwürfen hat sich die Fraktion gespalten. Doch wer nun erwartet hat, dass die Redner der AfD ein gerüttelt Maß an Einsicht oder womöglich Selbstkritik zeigen, der sah sich enttäuscht.

Gelächter für den AfD-Chef

Der Vorsitzende der achtköpfigen Alt-AfD-Fraktion, Heiner Merz, redete von politischem Anstand, an dem es den anderen Parteien gebreche – und erntete zu Recht dafür schallendes Gelächter. Gleiches, als er beteuerte, seine Fraktion lehne Antisemitismus ab.

Auch die Botschaft des Ex-Fraktionsvorsitzende Jörg Meuthen war reichlich überraschend: offensichtlich ist er davon überzeugt, alles richtig gemacht zu haben. Sein offen vorgetragener Vorwurf an die anderen Fraktionen, ihn dabei behindert zu haben, den Antisemitismus in den Reihen der AfD zu bekämpfen, ist reichlich weltfremd.

Die AfD sieht sich als Opfer

Es ist klar, als was sich die AfD auch nach dem selbstverschuldeten Chaos sieht: als Opfer.

Die Alternative für Deutschland hat an diesem Tag bewiesen, dass sie zwar mächtig poltern kann, aber offensichtlich nicht zu konstruktiver politischer Arbeit fähig ist. Im Gegenzug haben die anderen Fraktionen etwas sehr deutlich gemacht: Dass Antisemitismus und Rassismus in einem deutschen Parlament keine Chance haben.

AfD-Chaostage in Stuttgart

Die AfD im Landtag von Stuttgart ist zerbrochen. Nun tobt ein offener Kampf um die Macht. Ex-Fraktionschef Jörg Meuthen hat eine neue Fraktion mit dem Namen Alternative für Baden-Württemberg ins Leben gerufen. Sogar AfD-Chefin Frauke Petry hat sich eingemischt. Das hat seine Gründe.

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Frauke Petry will im Machtkampf in Stuttgart ein Wörtchen mitreden.

Ein Vorspiel für den Kampf im Bund

Die  entscheidende Frage hinter dem Stuttgarter AfD-Theaterdonner lautet: Wer wird kommendes Jahr Spitzenkandidat oder Kandidatin der Alternative für Deutschland bei der Bundestagswahl? Wahrscheinlich kommt die Partei der Antwort in diesen Tagen ein sehr großes Stück näher. Denn der Machtkampf in Stuttgart ist eine Art Vorspiel für den seit längerem erwarteten Schlagabtausch in der Bundespartei. Das wissen natürlich auch die AfD-Vorsitzende Frauke Petry und der Bundesvize Alexander Gauland. Aus diesem Grund haben sie in diesen Tagen die ganz harten Bandagen übergezogen und mischen kräftig mit beim Streit im Landesverband von Baden-Württemberg. Der eine stellt sich mit markigen Solidaritätsadressen an die Seite des Bundesvorsitzenden Jörg Meuthen, während Petry ihre Macht zu zementieren sucht, indem sie sich – natürlich auf Kosten ihres Vorstandskollegen Meuthen – als Schlichterin präsentiert. Damit attestierte sie ihrem Rivalen Meuthen unausgesprochen eklatante Führungsschwäche.

In Stuttgart werden mit den personellen Entscheidungen womöglich auch die entscheidenden Weichen für die politische Zukunft  gestellt. Setzt Frauke Petry sich durch, wird sie versuchen, die AfD weiter zu einer Partei zu formen, die sich um die Belange des „kleinen Mannes“ kümmern soll, jener Menschen die Angst davor haben, dass sie wirtschaftlich und sozial abgehängt werden. Mit ihren rechtspopulistischen Parolen hat die AfD diese Wählergruppe vor allem im Osten Deutschlands angesprochen. Auch schließt Petry ausdrücklich Koalitionen mit anderen Parteien nicht aus. Das bringt ihr parteiintern den Vorwurf ein, das Profil der AfD verwischen zu wollen.

Meuthen gegen Petry

Jörg Meuthen hingegen sieht die Alternative für Deutschland als eine nationalkonservativ-liberale Partei mit klarer wirtschaftspolitischer Kante. Befragungen nach der Landtagswahl haben ergeben, dass die AfD-Wähler in Baden-Württemberg eher dem bessergestellten Bürgertum entstammen. Er positioniert die Partei in der Opposition und sieht die AfD nicht als Koalitionspartner für andere Parteien.

In dieser schwelenden Auseinandersetzung versuchen beide seit Monaten ihre Truppen hinter sich zu sammel. Petry setzt im Machtkampf vor allem ihren Lebensgefährten und NRW-Landeschef Marcus Pretzell und scheint in einer schwächeren Position. Denn hinter Meuthen stehen die einflussreichen Landeschefs in Thüringen und Brandenburg, Björn Höcke und Alexander Gauland, sowie die große Mehrzahl der Bundesvorstandsmitglieder.

Die Keilerei im Bund

Doch sollte Jörg Meuthen den Machtkampf tatsächlich für sich entscheiden, wird das nicht das Ende der Probleme sein. Denn die politische Position des Professors aus Karlsruhe ist nicht kompatibel mit den rechtsnationalen Ideen von Gauland oder der rechtspopulistischen Einstellung von Höcke. Die drei Männer eint allein die Abneigung gegen Frauke Petry. Ist sie weg, wird die parteiinterne Keilerei um das Spitzenamt im Bund erst richtig Fahrt aufnehmen.

 

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Nachtrag:

Am Mittwoch ziehen sich Meuthen und Petry in Stuttgart zu einem Vier-Augen-Gespräch zurück. Doch aus der Schadensbegrenzung wird nichts. Nach dem Treffen gründet Meuthen eine eigene, neue Fraktion mit dem Namen Alternative für Baden-Württemberg. Petry sagt: Die Rest-AfD ist die wahre AfD. Dann reist sie ab. An eine vertrauensvolle Zusammenarbeit der beiden Parteichefs ist nach diesen Vorfällen wohl nicht mehr zu denken.

Die AfD in Stuttgart zerbricht

Die AfD im Landtag von Baden-Württemberg bricht auseinander. Im Streit um die Antisemitismus-Vorwürfe gegen den AfD-Politiker Wolfgang Gedeon haben 13 Abgeordnete die Fraktion verlassen – inklusive Fraktionschef Jörg Meuthen.

Eine Trennung mit Schmerzen

Jörg Meuthen zeigt sich zerknirscht, aber auch erleichtert.   „Wir bedauern ausdrücklich, die Trennung vollziehen zu müssen“, sagte Meuthen, nachdem er den Schritt bekannt gegeben hatte. Und er präzisiert: Grund des Rücktritts sei der Konflikt um Gedeon. Bei einer neuen Abstimmung über den Rauswurf Gedeons sei die nötige Zweidrittelmehrheit nicht zusammengekommen.

Die rechtspopulistische Partei hat 23 Sitze im Stuttgarter Parlament. Die aus der Fraktion ausgetretenen Politiker wollen zunächst als eigenständige Abgeordnete weiter arbeiten, wie sie mitteilten. Ziel sei aber der Aufbau einer neuen Fraktion. Und Meuthen wiederholte einen Satz, den er in den vergangenen Wochen immer wieder wiederholt hatte: Antisemitismus dürfe es in der Partei nicht geben. „Wir denken nicht daran, als Mehrheit zu weichen“, betonte er. Die AfD hatte bei der Landtagswahl 15,1 Prozent der Stimmen erzielt und zwei Direktmandate errungen.

Der Bundesvorstand steht hinter Meuthen

Der AfD-Bundesvorstand unterstützte Meuthen, der auch Co-Vorsitzender der Partei ist. In einer einstimmig beschlossenen Erklärung der Parteispitze vom Dienstag hieß es: „Der Bundesvorstand distanziert sich von denjenigen Mitgliedern der Fraktion, die nicht mit Jörg Meuthen die Fraktion verlassen.“ Als Vertreter der AfD im Landtag von Baden-Württemberg werde nur die Gruppe um Meuthen anerkannt. Die Co-Vorsitzende der AfD, Frauke Petry, nahm an der Besprechung des Bundesvorstandes dem Vernehmen nach nicht teil.

Eigentlich wollte die AfD die Antisemitismus-Vorwürfe gegen Gedeon zuletzt durch Gutachter klären lassen. Es seien bereits zwei Gutachten angefertigt worden, sagte Meuthen. Diese seien zu dem Schluss gekommen, dass die Äußerungen von Gedeon antisemitisch seien. Gedeon sieht sich Kritik ausgesetzt, Holocaust-Leugner zu unterstützen. Er hatte sie als „Dissidenten“ – Gegner in autoritären Regimes – gewürdigt.

Antisemitisches Gedankengut

Auch Gedeons Satz „Das Talmud-Judentum ist der innere Feind des christlichen Abendlandes“ wurde von einigen AfD-Politikern als hinreichender Beleg für antisemitisches Gedankengut gewertet. Gedeon hatte überdies den Holocaust als „gewisse Schandtaten“ bezeichnet.

Zudem hält der Politiker die sogenannten Protokolle der Weisen von Zion, aus denen Antisemiten Theorien über eine angebliche jüdische Verschwörung ableiten, für „eher“ keine Fälschung. Nach Einschätzung der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württemberg (IRGW) sind diese Papiere aus wissenschaftlicher Sicht unhaltbar und dienen der falschen Untermauerung von Ressentiments gegen Juden.

AfD-Chef Meuthen sah sich in den letzten Wochen Vorwürfen ausgesetzt, in den eigenen Reihen Antisemitismus nicht entschieden genug zu bekämpfen. Er hatte zuerst mit Rücktritt gedroht, sollte Gedeon nicht ausgeschlossen werden aus der Fraktion. Dann blieb er aber zunächst doch.