Das UN-Welternährungsprogramm WFP muss wegen Geldmangel seine Hilfe für die syrischen Flüchtlinge drastisch kürzen. Hunderttausende könnten in Zukunft nicht mehr mit Essen versorgt werden.

Die Helfer schlagen Alarm
„Wir müssen unsere Hilfe für die syrischen Flüchtlinge im Libanon und in Jordanien wegen des massiven Geldmangels drastisch zurückfahren“, sagt Cornelia Pätz, Sprecherin des UN-Welternährungsprogramms (WFP) in Deutschland. In den vergangenen Monaten seien die Nahrungsmittelrationen bereits mehrere Male reduziert worden, und viele Familien wüsste schon jetzt kaum mehr, wie sie überleben sollen. Doch nun könne es sein, dass mehrere Hunderttausend Flüchtlinge bald überhaupt keine Hilfe mehr bekämen, warnt Cornelia Pätz.
Die Menschen sind auf das WFP angewiesen
Die Vereinten Nationen schätzen, dass über vier Millionen Syrier vor den Kämpfen in die Nachbarländer geflohen sind, etwa 1,6 Millionen von ihnen sind auf die Hilfe durch das WFP angewiesen. „Allein für die Unterstützung der Flüchtlinge rund um Syrien benötigen wir 26 Millionen Euro pro Woche“, erklärt die WFP-Sprecherin. „Wir sind aber weit entfernt davon, diese Summe aufbringen zu können.“ Die UN-Organisation hängt fast völlig von Zuwendungen der internationalen Gemeinschaft ab. Bereits im vergangenen Jahr hatte sie wegen Geldmangels ihre Hilfe für syrische Flüchtlinge zeitweise einschränken müssen.
Schlechte Lage im Libanon
Schwierig ist die Lage vor allem im Libanon. Dort sind keine großen Flüchtlingslager aufgebaut worden und das WFP verteilt an die Familien Wertgutscheine, mit denen sie sich in den lokalen Geschäften versorgen können. Auf diese Weise wird nicht nur den Flüchtlingen geholfen, unterstützt wird auch die libanesische Wirtschaft vor Ort. Das lindert auch in gewissem Maße die Spannungen in der Region zwischen Flüchtlingen und der einheimischer Bevölkerung. Wegen des Geldmangels muss das WFP nun aber den Wert der Gutscheine halbieren und die Flüchtlinge müssen mit nur 13,50 Dollar im Monat auskommen, was weniger als die Hälfte ihres Nahrungsmittelbedarfs abdeckt.
Es leiden die Kinder
„Die Situation wird mit der Dauer des Konfliktes immer komplizierter“, sagt WFP-Sprecherin Pätz. „Die Ersparnisse der Flüchtlinge sind längst aufgebraucht und die Länder, die Hunderttausende Menschen aufgenommen haben ächzen zunehmend unter dieser Belastung.“ WFP-Regionaldirektor Muhannad Hadi ergänzt, dass die Organisation umgehend 139 Millionen US-Dollar benötige, um die Hilfe für die Flüchtlinge in und um Syrien effektiv fortsetzen zu können. „Wir sind extrem besorgt über die Auswirkungen der Kürzungen auf die Flüchtlinge und die Länder, die sie aufnehmen“, fügte Hadi hinzu. Familien griffen schon jetzt zu verzweifelten Maßnahmen erklärte der WFP-Regionaldirektor: „Sie nehmen ihre Kinder aus der Schule, lassen Mahlzeiten aus und verschulden sich, um zu überleben.“
Auch die Caritas warnt
Auch das katholische Hilfswerk Caritas International fordert mehr Hilfe für die Flüchtlinge aus der umkämpften Region – vor allem auch aus Deutschland. „Die Lage für die Zivilbevölkerung hat sich in den vergangenen Monaten dramatisch verschlechtert“, sagt der Präsident des Deutschen Caritasverbands, Peter Neher. Die Caritas unterstützte nach eigenen Angaben im vergangenen Jahr Hilfsprojekte für Flüchtlinge in Syrien, im Libanon und in Jordanien mit rund 7,8 Millionen Euro. Neher verwies in diesem Zusammenhang auf die große Aufnahmebereitschaft der syrischen Anrainerstaaten. Aufgrund verschärfter Einreisebestimmungen gebe es allerdings keinen „sicheren Hafen“ mehr für die Flüchtlinge. Mehrfach seien Syrer an der Grenze zur Türkei oder zum Libanon abgewiesen worden.
Die Regierung in Berlin stockt auf
Ein gutes Zeichen sei, dass die Bundesregierung im kommenden Jahr mehr Geld für die Entwicklungszusammenarbeit zur Verfügung stellen will, sagt WFP-Sprecherin Pätz. Der Etat für das zuständige Ministerium soll um rund 880 Millionen Euro auf 7,42 Milliarden Euro (plus 13,5 Prozent) steigen. Das Bundeskabinett billigte in diesen Tagen einen entsprechenden Haushaltsentwurf für 2016. Den Angaben nach sollen unter anderem rund 600 Millionen Euro in Länder investiert werden, die direkt von Flüchtlingskatastrophe betroffen sind. Das WFP hofft, dass einige dieser Millionen auch den Menschen in und um Syrien zu Gute kommt.
Ein kleines Glossar:
Flucht – Derzeit sind fast 60 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht. Die Hälfte von ihnen sind Kinder. Die Krise in Syrien ist Ursprung der größten Flüchtlingsbewegung unserer Zeit.
Syrien – Die syrische Flüchtlingskrise begann im Mai 2011. Mittlerweile ist die Hälfte der Vorkriegsbevölkerung Syriens vertrieben. Fast acht Millionen Menschen innerhalb Syrien, weitere vier Millionen flohen in die Nachbarländer Jordanien, Libanon, Irak, Ägypten und Türkei.
Aufnahme – Die Türkei ist mittlerweile größtes Aufnahmeland für Syrer in der Region und das Land, das weltweit die meisten Flüchtlinge aufgenommen hat. Derzeit leben fast zwei Millionen Syrer in der Türkei. Diese Zahl wird bis Ende 2015 wahrscheinlich auf 2,5 Millionen steigen.
WFP – Das WFP ist die größte humanitäre Organisation der Welt. Sie hilft jedes Jahr rund 80 Millionen Menschen in über 80 Ländern mit lebensrettender Nahrung.