Warum Marine Le Pen Frankreichs nächste Präsidentin wird

Die Rechtspopulistin wird 2022 die Wahl sehr wahrscheinlich gewinnen. Ins Amt gehoben wird sie vom Streit und Egoismus bei den demokratischen Parteien. Auf Frankreich wartet im Fall ihres Sieges eine politisch bleierne Zeit.

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Marine Le Pen ist auf den Sozialen Netzwerken sehr aktiv und weiß ihre Anhänger zu mobilisieren.

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Die Parteien diskreditieren sich selbst

Marine Le Pen wird die Präsidentenwahl im kommenden Jahr in Frankreich gewinnen. Noch vor nicht allzu lange Zeit wäre das eine gewagte Prognose gewesen, doch je näher die Abstimmung rückt, desto mehr verdichtet sich diese Annahme zu einer Gewissheit. Das Verwirrende dabei ist, die Chefin des extrem-rechten Rassemblement National braucht für ihren wahrscheinlichen Sieg nichts zu machen. Ihr genügt es, stoisch abzuwarten, den Rest erledigt die politische Konkurrenz. Der Grund: Sozialisten, ganz Linke, Konservative und der Ich-bin-nicht-links-und-nicht-rechts-Wahlverein von Emmanuel Macron zerlegen sich im Moment selbst.

Kurz vor der wichtigen Regionalwahl im Juni wird gestritten, intrigiert, Parteiposten werden verschachert und um jedes Stückchen Macht wird eifersüchtig gerangelt. Viele Frontleute der politischen Kaste erscheinen nur noch als Zerrbilder von Volksvertretern, die nicht das Wohl ihrer Wähler, sondern nur noch den eigenen Vorteil im Sinne haben. Und das Volk, der Souverän? Viele Franzosen haben sich längst abgewendet von diesem Schauspiel – die einen mit Grausen, die anderen gelangweilt, die meisten enttäuscht. Immer häufiger wirkt Marine Le Pen in diesem Durcheinander wie ein politischer Fels in der Brandung.

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Die Fehl-Kalkulation von Emmanuel Macron

Aus diesem Grund wird auch die machttaktisch kühle Kalkulation von Emmanuel Macron nicht aufgehen. Er ist überzeugt, es gegen Marine Le Pen in die Stichwahl zu schaffen. Und dann würden sich die Franzosen, so seine kühne Rechnung, mit zusammengebissenen Zähnen wie schon im Jahr 2017 wieder gegen die Rechtspopulistin entscheiden und ihm die Stimme geben.

So wird es aber nicht ablaufen. Immer deutlicher wird, dass sehr viele Wähler in einem Jahr gar nicht mehr zu Wahl gehen werden – oder sogar Marine Le Pen inzwischen als das kleinere Übel zu Emmanuel Macron sehen. In manchen Umfragen liegt sie im direkten Vergleich bereits vor dem Präsidenten. Der Politikerin ist es gelungen, ihrer Partei einen moderaten Anstrich zu geben, und gleichzeitig ihren rechtsextremen Markenkern zu behalten. Macron aber, der sich einst mit Jupiter verglich, hat seine Aura verloren.

Macron hat die Erwartungen nicht erfüllt

Vor vier Jahren ist er mit nur 39 Jahren in das Amt des Präsidenten katapultiert worden. Die Erwartungen waren riesig, doch der Hoffnungsträger hat zu viel versprochen und zu wenig gehalten. Die durchaus nötigen Reformen wollte er mit der Brechstange durchsetzen und provozierte damit doch nur den sozialen Aufstand der Gelbwesten. Am Ende bleibt das Bild eines Präsidenten der Reichen, der das Land kühl verwaltet wie ein Investmentbanker und jene Menschen verachtet, die in seinen Augen keinen Erfolg haben.

Natürlich weiß Macron, dass er an Abgrund steht. Also versucht er, auf den zentralen Politikfeldern zu punkten. Da das Thema innere Sicherheit über Sieg oder Niederlage entscheiden wird, beweist er einmal mehr seine politische und ideologische Flexibilität. Der Wahlkämpfer Macron zögerte keinen Augenblick, einen atemberaubenden Rechtsschwenk zu vollziehen. Mit einem beinharten Innenminister Gérald Darmanin und Justizminister Éric Dupond-Moretti buhlt er um die Wähler auf der sehr konservativen Seite des politischen Spektrums. Dabei geht Macron volles Risiko und lässt seinen kantigen Justizminister schon jetzt bei den Regionalwahlen im Juni im Pas-de-Calais antreten, der Hochburg von Marine Le Pen und dem Rassemblement National.

Marine Le Pens beißender Spott

Die Rechtspopulistin findet für dieses durchsichtige Manöver allerdings nur beißenden Spott. Sie beschäftige sich nicht mit Éric Dupond-Moretti, ihr Gegner heiße Emmanuel Macron, lässt sie wissen. Die Selbstsicherheit von Marine Le Pen hat ihren Grund. Sie weiß, dass sie sich bei den Präsidentenwahlen auf ihre Stammwähler verlassen kann. Die werden im kommenden Jahr ihrem Idol dann wahrscheinlich zum knappen, aber lang erhofften Sieg verhelfen – allein durch die Tatsache, dass viele enttäuschte Franzosen der Wahl fernbleiben werden, die Le-Pen-Fans aber auf jeden Fall zur Urne gehen.

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Auf Frankreich wartet eine bleierne Zeit

Marine Le Pen wird die Wahl also gewinnen, aber es wird eine bleierne Zeit werden. Im Parlament wird der Rassemblement National nur mit wenigen Abgeordneten vertreten sein. Die zukünftige französische Präsidentin wird über eine unglaubliche Machtfülle verfügen, im Gegenzug aber wird das Parlament eine wohl noch nie dagewesene Blockadehaltung einnehmen. Ohne die Zustimmung der Volksvertretung und auch des Senats wird aber kein wichtiges Projekt realisiert werden können. Auf diese Weise wird der politische Schaden begrenzt, den die Rechtspopulistin im Land anrichten kann. Frankreich allerdings wird über Jahre in eine Art Erstarrung verfallen, und sich damit auch international von der politischen Bühne abmelden. Es wird nicht nur eine verlorene Zeit für Frankreich, es wird auch eine Katastrophe für Europa.

Marine Le Pen zeigt ihre nette Kazen-Seite

Die Rechtspopulistin kann sich berechtigte Hoffnungen darauf machen, die nächste Präsidentin Frankreichs zu werden.

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Nur für geladene Gäste – der Katzen-Instagram-Account von Marine Le Pen

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Ein Blick in das Privatleben Marine Le Pens

Die französische Wochenzeitung „Valeurs Actuelles“ wird nicht wegen ihrer menschelnden Homestorys gekauft. Die rechte bis extrem-rechte Leserschaft labt sich eher an Geschichten in denen etwa die Gefahren der Einwanderung nach Frankreich beschrieben werden. Im März hatte das Magazin allerdings etwas ganz Besonderes zu bieten. Marine Le Pen gab einen der sehr seltenen Einblicke in ihr Privatleben. Die Chefin des extrem rechten Rassemblement National plauderte über Kindererziehung und präsentierte stolz fünf bengalische Kätzchen.

Der Leser erfährt, dass die Politikerin bereits sechs Tiere besitzt und inzwischen sogar ein Diplom und damit die Erlaubnis zur Zucht dieser Rasse hat. Die nette Geschichte, dekoriert mit einigen Katzenbildern, machte natürlich die Runde in mehreren französischen Klatschblättern wie „Gala“ und beschrieb eine freundliche Frau, die nicht nur das harte Politikgeschäft im Kopf hat. Marine Le Pen hatte ihr Ziel erreicht, ihr war ein kleiner PR-Coup geglückt.

Ein großes Faible für Katzen

Dass die rechtspopulistische Politikerin tatsächlich ein großes Faible für Katzen hat, ist ein offenes Geheimnis – sie betreibt sogar einen Instagram-Kanal, auf dem sie einem ausgesuchten Publikum ihre Lieblinge präsentiert. Doch zum ersten Mal in ihrer Karriere versucht sie, einen Vorteil daraus zu ziehen. Denn müssten die Franzosen Marine Le Pen beschreiben, fielen sehr oft die drei Worte: hart, verbissen, rücksichtslos. Angesichts dieser Ausgangslage kann ein weichzeichnender Katzen-Content nicht schaden, schließlich will Marine Le Pen im kommenden Jahr zur Präsidentin von Frankreich gewählt werden. Dazu reichen aber die Stimmen ihrer rechten Hardcore-Wähler nicht aus, also muss sie auch weit im bürgerlichen Lager um Zustimmung buhlen.

Es ist nicht das erst Mal, dass sie am Image feilt. Anders als ihr polternder Vater Jean-Marie Le Pen hat sie erkannt, dass die Präsidentenwahlen in der Mitte gewonnen werden. Aus diesem Grund arbeitet sie seit Jahren daran, ihre Partei auch für bürgerliche Schichten zu öffnen. Dazu schreckte sie auch vor dem Vatermord nicht zurück. Das rechtsradikale Familienoberhaupt wurde von Marine Le Pen kurzerhand aus der Partei geworfen und der Front National wurde in das weniger aggressiv klingende Rassemblement National (Nationale Sammlungsbewegung) umbenannt.

Die Stimmen von Linken und Rechten

War es über Jahre ihr Ziel, die Stimmen enttäuschter Konservativer und Linker einzusammeln, kann sie nun auch auf desillusionierte Macron-Anhänger hoffen. Ihre Chancen auf den Wahlsieg stehen so gut wie nie zuvor. Während Le Pen im Mai 2017 in der Stichwahl Emmanuel Macron noch deutlich unterlag, muss der Amtsinhaber diesmal ein Kopf-an-Kopf-Rennen fürchten. Nach Gelbwesten-Protesten und einem Zickzackkurs bei der Pandemiebekämpfung halten rund 60 Prozent der Franzosen Macron für einen „schlechten Präsidenten“. Marine Le Pen schlägt immer wieder in diese Kerbe und warnte jüngst, eine zweite Amtszeit für den Staatschef wäre „das größte Unglück Frankreichs“, soziale Unruhen und Plünderungen wären unausweichlich.

Gute Aussichten auf den Sieg

Auch die linksgerichtete Jean-Jaurès-Stiftung sieht laut einer gerade veröffentlichten Studie eine „nicht unerhebliche Möglichkeit“, dass Le Pen im kommenden Jahr einen Triumph feiern kann. Denn viele Wähler scheinen nicht mehr bereit zu sein, Macron zu wählen, nur um die Rechtpopulistin zu verhindern. Lieber enthalten sie sich – was im Zweifelsfall der Rechtsaußen-Frau nützt. Oder sie halten Le Pen angesichts der Grabenkämpfe bei den Konservativen sogar für eine echte Alternative.

Nun hat die Rechtspopulistin einen weiteren, kleinen Sieg errungen. Sie ist in einem Prozess um das Verbreiten von Gräuelfotos der Terrormiliz Islamischer Staat freigesprochen worden. Die Veröffentlichung habe einen informativen Zweck gehabt, sei Teil eines politischen Protestes und trage zur öffentlichen Debatte bei, hieß es am Dienstag im Urteil eines Gerichts in Nanterre. Die Veröffentlichung zu kriminalisieren sei angesichts des Kontextes ein unverhältnismäßiger Eingriff in die Meinungsfreiheit. Für Marine Le Pen ist auch dieses Urteil ein eindeutiger Hinweis dafür, dass sie sich auf dem richtigen Weg befindet. Der soll sie am Ende in den Élysée-Palast führen, den Amtssitz des französischen Präsidenten.

Marine Le Pens dritter Anlauf aufs Präsidentenamt

Die Rechtspopulistin steht in Umfragen gut da. Sie profitiert von der Schwäche Emmanuel Macrons, stolpert bisweilen aber über die eigenen Aussagen.

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Marine Le Pen und ihre schlechten Tage

Manchmal hat Marine Le Pen sehr gute Tage. Dann sitzt sie ihren Gesprächspartnern gegenüber, beantwortet Fragen konzentriert, routiniert und mit einer fast schon präsidentiell anmutenden Gelassenheit. Ihre Berater aber zittern vor den schlechten Tagen, wenn bei der Chefin des extrem rechten Rassemblement National (RN) wieder einmal die Dämme brechen, wenn in hitzig geführten Diskussionen vor den laufenden Fernsehkameras plötzlich wieder jene unbeherrschte Frau zum Vorschein kommt, die ihre Gegner nicht mit Argumenten auskontert, sondern lautstark mit hässlichen Tiraden überzieht. An solch einem schlechten Tag hat Marine Le Pen im Jahr 2017 die Präsidentenwahl gegen Emmanuel Macron endgültig verloren. Im direkten TV-Duell gegen den smarten Aufsteiger wirkte sie völlig überfordert, aggressiv bis hin zur Hysterie und vor allem: inkompetent.

Nun nimmt die 52-Jährige einen neuen Anlauf. Im kommenden Jahr will Marine Le Pen zur Präsidentin von Frankreich gewählt werden. Es ist ihre dritte und letzte Chance, denn hinter der RN-Chefin wartet die junge Konkurrenz aus den eigenen Reihen – nicht zuletzt ihre eigene Nichte Marion Maréchal.

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Marine Le Pen in Umfragen vorne

In den Umfragen steht Marine Le Pen im Moment nicht schlecht da. Den ersten Wahlgang könne sie mit rund 26 Prozent für sich entscheiden, so die Zahlen des Instituts Harris Interactive. Emmanuel Macron landet demnach mit 23 Prozent auf Platz zwei. In der Stichwahl würde nach diesen Angaben dann aber der Amtsinhaber mit knapp 52 Prozent gewinnen. Für viele bürgerliche Gesellschaftsschichten scheint die Rechtspopulistin noch immer nicht wählbar zu sein.

Ihre aktuelle Stärke zieht Marion Le Pen allerdings nicht aus dem eigenen, überzeugenden Auftreten, sondern aus der Schwäche von Emmanuel Macron. Seit dem Beginn der sozialen Proteste der „Gelbwesten“ vor über zwei Jahren dümpelt der Präsident in einem nicht enden wollenden Umfragetief. Der große Hoffnungsträger der Franzosen brachte mit seinem vor allem an Zahlen und nicht an Menschen orientierten Reformkurs das eigene Volk gegen sich auf. Und in der Corona-Pandemie gab er bei mehreren TV-Ansprachen zwar den Macher, erwies sich am Ende aber als erstaunlich schlechter Krisenmanager.

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Schlingerkurs der Rechtspopulistin

Marine Le Pen kann aber von der aktuellen Krise nicht profitieren, was auch mit ihrem Schlingerkurs in Sachen Pandemiebekämpfung zu tun hat. So hat die Rechtspopulistin zwar immer wieder die harten Beschränkungen des öffentlichen Lebens der Franzosen kritisiert, war aber auch nie wirklich gegen den von der Regierung verhängten Lockdown. Dasselbe desolate Bild gibt Marine Le Pen beim Thema Impfungen ab. Zuerst kritisierte die, dass die Regierung vorpresche und einen „unsicheren Impfstoff“ verwende, was ihr viel Beifall von Seiten der Verschwörungsfraktion einbrachte. Dann geißelte sie allerdings, dass zu langsam geimpft werde, um dann schließlich Anfang Januar zu verkünden, dass sie sich nun – entgegen ursprünglicher Aussagen – so schnell wie möglich impfen lasse.

„Wenn ich Präsidentin von Frankreich bin …“

Immer deutlicher wird, dass Marine Le Pen ein sehr grundsätzliches Problem hat. Sie muss auf der einen Seite die eigene Basis befriedigen, den Protest gegen „das System“ verkörpern und den Rassemblement National als Anti-Establishment-Partei positionieren. Will sie aber die Präsidentenwahl gewinnen, muss Marine Le Pen die Mehrheit der Franzosen überzeugen, dass sie eine würdige Staatschefin wäre. Dieser politische Drahtseilakt gelingt ihr nicht immer. Allerdings drohen sich in Frankreich die wirtschaftlichen und sozialen Verwerfungen wegen der Corona-Krise dramatisch zu vertiefen, weswegen die Rechtspopulistin in den nächsten Monaten ihre Chancen weiter steigen sieht, im dritten Anlauf doch noch den Élyséepalast zu erobern. Marine Le Pen gibt sich in Diskussionen aus diesem Grund sehr selbstbewusst. Ihre Ausführungen beginnt sie inzwischen sehr gerne mit den Worten: „Wenn ich Präsidentin von Frankreich bin …“. Das geht ihr überraschend locker über die Lippen.

Buhrufe für Marine Le Pen – PR-Gau für die Rechtsauslegerin

Marine Le Pen ist Ablehnung gewöhnt. Aber diesen Auftritt hatte sich das dann doch anders vorgestellt. Beim Gedenken an General de Gaulle auf der île de Sein wurde sie von den Bewohnern unschön empfangen.

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Marine Le Pen spaziert durch ein leeres Dorf

Es sollte ein PR-Coup werden. Marine Le Pen, Chefin des rechtsextremen Rassemblement National, gedenkt an historischer Stätte dem General de Gaulle. Auf der île de Sein hielt sie eine kurze Rede und legte medienwirksam einen Kranz an einem Denkmal nieder. Soviel zur medialen Inszenierung, doch die Bilder, die dann die Runde machten, sind ganz andere.

Zu sehen ist, wie Marine Le Pen durch eine Geisterstadt spaziert. An ihrer Seite nur ihre eigenen Getreuen. Im regnerischen bretonischen Wetter legt sie einen Kranz nieder. Beim Rückweg zum Hafen geht sie an einer Gruppe von Einwohnern vorbei – die hat ihre jedoch den Rücken zugekehrt. Zu hören sind Buh-Rufe. Kurz zusammengefasst: dieser Besuch ist ein Fiasko. Der von ihr abgelegt Kranz wurde übrigens innerhalb von Minuten im Müll entsorgt.

 

Marine Le Pen beschuldigt die „Antifa“

Die Wut ist bei Marine Le Pen groß. Das sei eine Aktion der „Antifa“ gewesen, beklagt sich die Rechtsauslegerin und sie versucht zu erklären, dass auch sie das Recht habe, den 18. Juni feierlich zu begehen. Schließlich sei sie Nachkommin eines bretonischen Seemanns, der für Frankreich im Zweiten Weltkrieg gefallen ist.

„Je ne vois pas en quoi le fait de venir commémorer le 18 juin pourrait être de la part de quelque Français que ce soit une provocation. Particulièrement de la part d’une petite-fille de marin breton mort pour la France en 1942 et dont le nom est inscrit sur le monument aux morts d’une commune bretonne.“

 

Die Sache mit General de Gaulle ist kompliziert

So einfach ist die Sache allerdings nicht, denn der Rassemblement National – zuvor hieß die Partei Front National – hat ein eher gespaltenes Verhältnis zu General de Gaulle. Dazu muss man auch in die Familiengeschichte der Le Pens durchstöbern.

 Jean-Marie Le Pen, der Vater von Marine Le Pen, verspottete Charles de Gaulle stets als „Landesverräter“ und eigentlicher Erzfeind aller wahren Franzosen. Der Grund: der General gewährleistete einst den Rückzug Frankreichs aus Algerien. Auf Parteitagen des damaligen Front National wurden gerne auch Schweigeminuten für Jean Bastien abgehalten, einen rechtsradikalen Offizier und Organisator eines – misslungenen – Anschlags gegen De Gaulle. Bastien wurde deswegen 1963 hingerichtet.

 

Marine Le Pen wirft ihren Vater aus der Partei

Bei der Gründung des Front National im Jahr 1972 waren übrigens viele ehemalige Kollaborateure der deutschen Besatzer im Zweiten Weltkrieg mit von der Partie. Auch alte Partisanen aus Algerien fanden damals eine neue politische Heimat.

Marine Le Pen aber hat sich, nachdem sie ihren Vater aus der Partei geworfen hatte, auch in Sachen Vorbilder neu orientiert. Sie beruft sich nun auf General Charles De Gaulle, den Exil-Führer des Widerstands gegen Hitler-Deutschland und späteren Staatschef. Doch auch wenn Marine Le Pen immer wieder mit ihren Anhängern an das Grab des Generals pilgert, haben die Franzosen den Hass nicht vergessen, der über Jahre von den extremen Rechten über den in Frankreich verehrten General niederging.

Die Île de Sein – eine sehr besondere Insel

Warum sich der Streit gerade auf der île de Sein hochkochte, muss man etwas zurück in der jüngsten Geschichte Frankreichs. Am 18. Juni 1940 verlas General Charles de Gaulle über die BBC seinen berühmten Appell, um die Franzosen zum Widerstand gegen die Nazis aufzurufen. Am 18. Juni finden in Frankreich auch heute noch viele Feiern statt, im Gedenken an die Kämpfer gegen die Faschisten.

Dabei spielt die Insel Île de Sein eine besondere Rolle. Die Einwohner waren besonders häufig in der Résistance zu finden. Unmittelbar nach dem Aufruf von Charles de Gaulle  – die Île de Sein war, anders als die übrige Bretagne, noch nicht von der deutschen Wehrmacht besetzt – legten alle männlichen Bewohner im wehrfähigen Alter, die im Zivilberuf Fischer waren, mit ihren Schiffen ab und schlossen sich den Streitkräften des Freien Frankreich an. Sie machten anfangs ein Viertel der Forces Navales Françaises libres („Freie Französische Marine“, kurz FNFL) aus und veranlassten de Gaulle zu der Bemerkung: „Die Insel Sein ist ein Viertel Frankreichs“.

 

 

Der Bürgermeister war gegen den Besuch

Didier Fouquet, Bürgermeister der Insel im Atlantik, hatte schon vor dem Besuch Marine Le Pens erklärt, dass die Politikerin nicht willkommen sei. Das ist doch nur ein PR-Coup von Marine Le Pen, um von sich reden zu machen, sagte er. Nun sprechen tatsächlich viele über den Auftritt der Rechtsauslegerin – allerdings auf eine andere Weise, als der womöglich lieb sein dürfte.

Marine Le Pen ist auf der Île de Sein nicht willkommen

Marine Le Pen ist nicht willkommen auf der die Île de Sein – schon gar nicht am 18. Juni. Didier Fouquet, der Bürgermeister der Insel, macht der Chefin des rechtsextremen Rassemblement National den unschönen Vorwurf, dass die Feiern an jenem Tag von der Politikerin schlicht gestohlen würden. Fakt ist: er würde Marine Le Pen am liebsten das Anlegen verwehren.

 

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Der Appell von General Charles de Gaulle

Um diesen Streit zu verstehen, muss man etwas zurück in der jüngsten Geschichte Frankreichs. Am 18. Juni 1940 verlas General Charles de Gaulle über die BBC seinen berühmten Appell, um die Franzosen zum Widerstand gegen die Nazis aufzurufen. Am 18. Juni finden in Frankreich auch heute noch viele Feiern statt, im Gedenken an die Kämpfer gegen die Faschisten.

Dabei spielt die Insel Île de Sein eine besondere Rolle. Die Einwohner waren besonders häufig in der Résistance zu finden. Unmittelbar nach dem Aufruf von Charles de Gaulle  – die Île de Sein war, anders als die übrige Bretagne, noch nicht von  der deutschen Wehrmacht besetzt – legten alle männlichen Bewohner im wehrfähigen Alter, die im Zivilberuf Fischer waren, mit ihren Schiffen ab und schlossen sich den Streitkräften des Freien Frankreich an. Sie machten anfangs ein Viertel der Forces Navales Françaises libres („Freie Französische Marine“, kurz FNFL) aus und veranlassten de Gaulle zu der Bemerkung: „Die Insel Sein ist ein Viertel Frankreichs“.

 

De Gaulle, das Hass-Objekt der extremen Rechten

Besonders kompliziert wird die ganze Angelegenheit mit den Feierlichkeiten durch die Halten der extremen Rechten in Frankreich. Jean-Marie Le Pen, der Vater von Marine Le Pen, verspottete Charles de Gaulle stets als „Landesverräter“ und eigentlicher Erzfeind aller wahren Franzosen. Der Grund: der General gewährleistete einst den Rückzug Frankreichs aus Algerien. Auf Parteitagen des damaligen Front National wurden gerne auch Schweigeminuten für Jean Bastien abgehalten, einen rechtsradikalen Offizier und Organisator eines – misslungenen – Anschlags gegen De Gaulle. Bastien wurde deswegen 1963 hingerichtet.

Marine Le Pen aber hat sich, nachdem sie ihren Vater aus der Partei geworfen hatte, auch in Sachen Vorbilder neu orientiert. Sie beruft sich nun auf General Charles De Gaulle, den Exil-Führer des Widerstands gegen Hitler-Deutschland und späteren Staatschef. Doch auch wenn Marine Le Pen immer wieder mit ihren Anhängern an das Grab des Generals pilgert, haben die Franzosen den Hass nicht vergessen, der über Jahre von den extremen Rechten über den in Frankreich verehrten General niederging.

 

Der Bürgermeister will Marine Le Pen nicht auf der Insel

Bürgermeister Didier Fouquet hatte sich nach eigenen Aussagen über eine kleine Feier auf der Insel gefreut, die 80 Jahre nach dem Appell angehalten wird. Erwartet wird auch ein Schoner der französischen Marine und einige Vertreter des Staates sollten die Rolle der Inselbewohner während des Zweiten Weltkrieges ins Gedächtnis rufen. „Vor der Ankunft von Frau Le Pen wird es hier auf der Insel eine kleine Zeremonie im kleinen Kreis geben“, sagt Didier Fouquet. „Wir werden einer Feier beraubt, die eigentlich ganz nett sein sollte “, klagt er.

Der rechtsextreme Rassemblement National will sich die Gelegenheit aber nicht nehmen lassen, auf der Insel selbst zu feiern. Marine Le Pen werde am 18. Juni auf die Insel reisen, um an den 80. Jahrestag von General de Gaulles Aufruf zum Kampf gegen Nazi-Deutschland zu erinnern, heißt es aus der Partei. Marine Le Pen selbst erklärt, dass der Rassemblement National die die Ideen von General de Gaulle verkörpere, obwohl ihre Partei früher dagegen gekämpft hat.

Und was macht der Bürgermeister? „Wir Frau Le Pen bitten, nicht zu kommen, aber wir können es nicht verhindern“, sagte Didier Fouquet. In seinen Augen ziele der Besuch nur darauf ab, dem Rassemblement National schöne Bilder für die eigene Propaganda zu liefern. „Es wird niemanden aus dem Rathaus geben, der sie willkommen heißt“, sagte der Bürgermeister. Dann fügte der hinzu, dass er erfahren habe, dass eine Gruppe von Inselbewohnern bereit sei, gegen den Auftritt Marine Le Pens zu protestieren.

Marine Le Pens einsamer Kampf gegen den Präsidenten

Frankreich schart sich angesichts der Krise hinter Emmanuel Macron, nur die rechtsnationale Populistin weiß alles besser

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Marine Le Pen ist im Moment auf allen Kanälen zu finden

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Gemeinsam im Kampf gegen das Virus

In Frankreich macht der Begriff der „unité nationale” (nationale Einheit) die Runde. Präsident Emmanuel Macron wiederholt immer wieder, das Land befinde sich im „Krieg“ gegen das Coronavirus. Kritik von der politischen Konkurrenz ist angesichts dieser dramatischen Rhetorik selten, die rigide kontrollierte Ausgangssperre wird überraschend klaglos mitgetragen. Nur Marine Le Pen schert aus dieser Front aus und tut das, was sie am besten kann. Die Chefin des rechtsextremen Rassemblement National poltert mit wütendem Gestus durch die politische Landschaft. Im Fernsehen, Radio oder via Twitter bezichtigt sie die Regierung jeden Tag der Lüge oder wirft dem Präsidenten totales Missmanagement in der Krise vor. Allerdings gelingt es ihr nicht wie in der Zeit vor der Krise, mit ihren Tiraden auch Themen zu setzen.

Marine Le Pen stilisiert sich als eine Art Whistleblowerin, die schon früh vor der Krise gewarnt habe – aber keiner von den Verantwortlichen in Paris habe auf sie gehört. Der Rassemblement National sei schon immer für die Schließung der Grenzen eingetreten oder habe die Abhängigkeit vom Ausland bei der Produktion etwa von Medikamenten angeprangert. Wer ihr widerspricht oder klaffende Lücken in ihrer Argumentation aufzeigt, dem wirft sie vor, „Fake News“ zu verbreiten.

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Das Ziel ist Emmanuel Macron

All diese Angriffe dienen offensichtlich einem einzigen Ziel: sie sollen Emmanuel Macron nachhaltig schaden. Denn es gilt als sicher, dass Le Pen gegen den Amtsinhaber bei den Wahlen in zwei Jahren um den Präsidentensessel konkurrieren wird.

Allerdings muss die Politikerin erkennen, dass ich Katastrophenrhetorik nicht verfängt und die Beliebtheitswerte des ihr verhassten Staatschefs jeden Tag steigen. In der Krise scheinen die Franzosen ein ungeahntes Vertrauen in ihren forsch vorgehenden Präsidenten zu entwickeln. Im Gegenzug steht Marine Le Pen mit ihren Wortmeldungen oft als Besserwisserin da, die selbst keine effektiveren Maßnahmen zur Lösung dieser fundamentalen Krise bieten kann.

Le Pen und die große Verschwörung

Angesichts dieser Situation versteigt sich Marine Le Pen inzwischen in das Verbreiten von Verschwörungstheorien. „Es ist eine Frage des gesunden Menschenverstandes, dass sich die Franzosen die Frage stellen“, raunte sie dieser Tage in einem Interview mit dem Sender „France Info“ ins Mikrophon, „ob das Virus natürlichen Ursprungs ist oder aus einem Labor entkommen konnte.“ Mit solchen Aussagen bedient sie ihr Publikum, denn Studien zufolge sind vor allem die Wähler des Rassemblement National für Verschwörungstheorien empfänglich.

Inzwischen befürchten aber sogar Vertreter aus dem Rassemblement National, dass das aggressive Auftreten von Marine Le Pen der Partei mehr schadet als nutzt. Am Ende, so heißt es warnend, vertraue das Volk dem Zauberer mehr als dem Zauberlehrling.

Todesdrohungen nach einer Wutrede über den Islam

Eine 16-jährige Schülerin in Frankreich beschimpft die Muslime und muss nun zur eigenen Sicherheit untertauchen. Auch viele Politiker wollen an dem Fall ihr eigenes Profil schärfen – doch die Sache ist vertrackt. 

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Mila ist zu ihrer eigenen Sicherheit untergetaucht. Angesichts unzähliger Morddrohungen geht die 16-jährige Französin nicht mehr zur Schule und hat alle ihre Accounts in den sozialen Medien gelöscht. Auslöser der Welle des Hasses ist ein kurzes Video, das sie auf Instagram hochgeladen hat. Darin zieht das Mädchen in derbsten Worten über den Islam her. „Der Koran ist voller Hass, der Islam ist reiner Mist,“ ist einer der wenigen zitierbaren Sätze. Die homosexuelle Schülerin aus dem Département Isère im Osten des Landes reagierte nach eigenen Worten damit auf den Kommentar eines muslimischen Mannes, der sie im Internet als „dreckige Lesbe“ beschimpft habe.

Die Schülerin bereut ihre „Vulgarität“

Inzwischen hat die junge Frau in einem TV-Interview erklärt, sie bereue die „Vulgarität“ ihrer Äußerungen. Sie habe nicht die Absicht gehabt, jemanden persönlich zu verletzen. Zu ihren Aussagen über den Islam stehe sie aber und beruft sich dabei auf das Recht auf Gotteslästerung. Tatsächlich wurde in Frankreich nach der Revolution von 1789 das Delikt der Blasphemie abgeschafft, Beleidigungen von Religionen sind durch die Meinungsfreiheit gedeckt. Aufrufe zum Hass gegen Einzelne oder eine Gruppe sind dagegen verboten.
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Die Politik meldet sich zu Wort

Angesichts der Drohungen, mit denen die Schülerin überschüttet wird, sah sich nun sogar der französische Innenminister Christophe Castaner genötigt, in der Nationalversammlung das Wort zu ergreifen. Mila und ihre Eltern würden inzwischen von der Nationalpolizei geschützt. „Es ist keine ständige Bewachung, denn es gibt keine Hinweise, dass dies nötig wäre“, schränkte er ein.

Da im März in Frankreich die wichtigen Kommunalwahlen stattfinden, wird der Fall der 16-Jährigen selbstverständlich von vielen Politikern kommentiert. Doch die Lage ist vertrackt, denn die wütende Kanonade an Verbalinjurien kann nur mit viel Wohlwollen als Islamkritik gesehen werden. So erklärt die Sozialistin Ségolène Royal, dass es schwierig sei einen Teenager zu unterstützen, dem es offensichtlich an Respekt fehle und sich dabei auf das Recht auf Meinungsfreiheit berufe.

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Empörung über den Islamrat in Frankreich

Als sich Abdallah Zekri, der Vertreter des französischen Islamrates zu Wort meldete, kannte die Empörung vor allem im politisch rechtskonservativen Lager keine Grenzen mehr. Zekri sagte in einem Interview, dass die Drohungen gegen Mila zwar zu verurteilen seien, doch habe sie diese Reaktionen provoziert und müsse damit klarkommen. Marine Le Pen, Chefin des rechtsradikalen Rassemblement National, konterte auf Twitter, man könne die Äußerungen vulgär finden, aber sie würden keine Verurteilung zum Tod im Frankreich des 21. Jahrhunderts rechtfertigen.

Die Gesellschaft in Frankreich ist gespalten

Der Fall spaltet auch die französische Gesellschaft: Laut einer Umfrage für die Satirezeitung „Charlie Hebdo“ sind die Hälfte der Franzosen für die Freiheit zur Religionskritik, auch wenn sie mit Schmähungen einhergeht, die andere Hälfte lehnt dies ab. „Charlie Hebdo“ war 2015 Ziel eines islamistischen Anschlags mit zwölf Toten, nachdem die Zeitung mehrfach Mohammed-Karikaturen veröffentlicht hatte.

Schwere Krise beim Front National

Der rechtsextreme Front National hat schon viele Krisen durchlebt. Dieses Mal ist es wieder einmal ernst. Vizepräsident Florian Philippot verlässt nach einem Streit mit der Chefin Marine Le Pen die Partei. Das wird Folgen auf die Politik des FN haben. 

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Der Intimus kehrt der Chefin den Rücken

Philippot hatte immer einen guten Draht zu seiner Chefin. Er war der Stratege, der die „Entdämonisierung“ des FN bewerkstelligte, indem er Marine Le Pen von ihrem offen antisemtischen Vater löste, dem FN-Gründer Jean-Marie Le Pen. Der Erfolg gab dem bekennenden Homosexuellen Recht. Marine Le Pen ließ ihn gewähren. Doch nach den jüngsten Wahlschlappen gab es in der Partei erhebliche Spannungen, die nun offen zutage treten. Und am Ende ging es ganz einfach um die Macht in der Partei.

Der in Frankreichs Medien omnipräsente EU-Abgeordnete Philippot hatte seine Chefin kaum verhohlen herausgefordert, als er schon kurz nach der verlorenen Präsidentenwahl im Mai seine parteiinterne Bewegung „Die Patrioten“ gründete. Der Verein sei ein Forum, um die von Le Pen nach der Wahl ausgerufene Neubegründung des FN voranzutreiben, behauptete er. Die Chefin aber verlangte von ihm, den Verein wieder aufzulösen – doch Philippot dachte nicht daran.

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Die FN-Chefin Le Pen greift durch

Le Pen sagte, sie respektiere Philippots Entscheidung. Sie hatte ihm einen Interessenkonflikt vorgeworfen und ihm die Verantwortung für den Aufgabenbereich Strategie und Kommunikation entzogen. Philippot, der zugleich Präsident seiner politischen Vereinigung „Die Patrioten“ ist, behielt aber den Titel eines Vizepräsidenten. „Ich verlasse die FN betrübt“, teilte Philippot mit.

Wie viele werden folgen?

Gefolgsleute Philippots kündigten an, sie wollten ihm folgen. Die FN-Europaabgeordnete Sophie Montel erklärte via Twitter, sie wolle ebenfalls die Partei verlassen. Le Pen teilte mit, dass der Bürgermeister von Fréjus, David Rachline, nun für die Kommunikation der Partei verantwortlich sei.

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Philippots deutet an, dass er mit dem Abgang beim FN nicht etwa seine politischen Ambitionen aufgibt. Doch er hat wohl zu wenige Gefolgsleute, um eine wirkliche Spaltung des FN hervorzurufen wie 1999, als Dutzende Kader die Revolte eines internen Widersachers Jean-Marie Le Pens unterstützten.

Kurswechsel in der Partei erwartet

Le Pen hatte im Stichentscheid der Präsidentenwahl im Mai mit knapp 34 Prozent der Stimmen deutlich gegen ihren sozialliberalen Rivalen Emmanuel Macron verloren. Eine TV-Debatte mit Macron vor der Wahl geriet für Le Pen zum Debakel und führte auch im eigenen Lager zu Kritik. Bei der Parlamentswahl im Juni bekam die Partei nur acht Abgeordnetensitze. Le Pen hatte bei den Wahlen ein Ende des Euro als normales Zahlungsmittel gefordert, Beobachter erwarten, dass die von Jean-Marie Le Pen gegründete Partei nach dem Abgang von Philippot wieder verstärkt einen einwanderungsfeindlichen Kurs fahren dürfte. Die FN plant einen Kongress im kommenden Frühjahr.

Machtkampf in der Familie Le Pen

Natürlich tut es der Tante seid leid. Marine Le Pen bedauert den Rückzug ihrer Nichte Marion Maréchal-Le Pen aus der Politik. Doch so ganz unschuldig dürfte die Chefin des Front National an dieser Entscheidung nicht sein.

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Screenshot der Zeitung „Vaucluse Matin“

Machkampf in der Familie Le Pen

Die Niederlange soll eine Wende sein. Marine Le Pen will dem Front National einen gemäßigteren Anstrich geben. Dagegen hat sich ihre Nichte Marion allerdings immer gewehrt, denn sie gehört zum rechten Flügel und steht ihrem Großvater sehr nahe, den Marine allerdings wegen seiner radikalen Ansichten eigenhändig aus der Partei geworfen hat. So ist es nicht erstaunlich, dass die Front-National-Abgeordnete Marion Maréchal-Le Pen den Umbau der Partei nicht mitgestalten will.

Brief in der Zeitung „Vaucluse Matin“

In einem Brief, der in der Zeitung „Vaucluse Matin“ erschien, kündigt die 27-Jährige einen vorübergehenden Rückzug aus der Politik an. Aber sie werde „nicht endgültig den politischen Kampf aufgeben“. Die Nichte von Marine Le Pen erklärte, sie wolle „einige Zeit“ der Politik den Rücken kehren, um mehr Zeit für ihre Familie haben.

In dem Brief heißt es:

„ J’ai beaucoup manqué à ma petite fille dans ses premières années si précieuses. Elle m’a aussi terriblement manquée. Il est essentiel que je puisse lui consacrer plus de temps.“

Sie will sich allerdings nicht ausschließlich der Familie widmen. Ihr Plan sieht vor, in einem Unternehmen zu arbeiten:

„Par ailleurs, je n’ai jamais renoncé à l’idée de m’extirper un jour ou l’autre du monde politique pour une expérience dans la vie civile. J’aime le monde de l’entreprise, je n’ai jamais cessé de le défendre durant mon mandat et j’aspire aujourd’hui à y travailler.“

Den Franzosen müsse bewiesen werden, „dass es auch freie und unabhängige Abgeordnete gibt, die sich nicht um jeden Preis an ihren Status und ihre Aufwandsentschädigungen klammern“.

Aber „ich verzichte nicht endgültig auf den politischen Kampf“, fügt sie hinzu. „Ich könnte niemals dem Leiden meiner Landsleute gleichgültig gegenüberstehen.“

„Je ne renonce pas définitivement au combat politique.“

Und weiter:

„ J’ai l’amour de mon pays chevillé au cœur et je ne pourrai jamais rester indifférente aux souffrances de mes compatriotes.“

Aus den Reihen des rechtspopulistischen Front National hieß es schon seit geraumer Zeit, Maréchal-Le Pen werde sich bei der Parlamentswahl im Juni nicht erneut als Abgeordnete für das südfranzösische Département Vaucluse bewerben. Zudem wolle sie nicht länger als Oppositionschefin im Regionalrat der südfranzösischen Region Provence-Alpes-Côte d’Azur tätig sein. Auch sie selbst hatte mehrfach Andeutungen in diese Richtung gemacht.
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Beobachter vermuten, dass dieser Schritt auch mit dem angespannten Verhältnis zu ihrer Tante Marine und deren Chefstrategen Florian Philippot zusammenhängen könnte. Marine Le Pen hatte auch nicht davor zurückgeschreckt, ihre Nichte in der Öffentlichkeit zu disqualifizieren, indem sie sie als zu „unerfahren“ für einen Ministerposten bezeichnet hat. Auch Philippot legte nach: er hatte gesagt, Maréchal-Le Pen sei in der Partei „allein und isoliert“.

Hier die Erklärung von Marion Maréchal-Le Pen:
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Mit der Ankündigung von Marine Le Pen, die Partei einem grundlegenden Umbau zu unterziehen, scheint der Konflikt eskaliert zu sein und Marion hat die Konsequenzen gezogen. Auch der Name soll sich ändern, da er an Jean-Marie Le Pen erinnert, der die Partei 1972 gegründet hatte. Marine Le Pen hatte ihren Vater 2015 nach wiederholten antisemitischen Ausfällen aus der FN ausgeschlossen. Die 48-Jährige steht der Partei seit 2011 vor und versucht seitdem, sie für bürgerliche Wähler zu öffnen. Vertreter der Front National glauben, dass der Rückzug Maréchal-Le Pens ein „Erdbeben“ ankündige.

Für Marine Le Pen wird es eng

Wird es nun eng für Marine Le Pen? Der französischen Präsidentschaftskandidatin und Europaabgeordneten droht der Verlust der parlamentarischen Immunität. Der Rechtsausschuss des Europaparlaments sprach sich am Dienstagabend (28.02.2017) dafür aus, der französischen Justiz eine Strafverfolgung der Rechtspopulistin zu ermöglichen.

Nachtrag: Marine Le Pen ist die Immunität entzogen worden. 

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Deutliches Ergebnis gegen Le Pen

Die Abstimmung ist ziemlich deutlich: 18 Mitglieder votierten dafür, drei dagegen, wie das EU-Parlament mitteilte. Über die Empfehlung soll nun am Donnerstag in der Vollversammlung abgestimmt werden.

Hintergrund sind Ermittlungen gegen Le Pen wegen der Veröffentlichung brutaler Fotos von Opfern der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) über den Kurznachrichtendienst Twitter. Len Pen hatte unter anderem ein Bild verbreitet, das den enthaupteten Leichnam des US-Journalisten James Foley zeigt. Sie reagierte damit nach eigenen Angaben auf eine TV-Sendung, in dem aus ihrer Sicht eine Parallele zwischen ihrer Partei und dem IS gezogen worden war. Über die über Twitter verbreiteten Bilder der IS-Opfer schrieb sie: „Das ist der IS.“

Le Pen unter Verdacht

Le Pen war zuletzt auch wegen des Verdachts der regelwidrigen Bezahlung von Mitarbeitern unter Druck geraten. Die europäische Antibetrugsbehörde Olaf hatte unlängst mitgeteilt, dass die Abgeordnete für einen Assistenten im EU-Parlament einen „rein fiktiven“ Arbeitsvertrag ausgestellt habe. Le Pen weist die Vorwürfe zurück. Mit diesen Ermittlungen steht die Entscheidung des Rechtsausschuss des EU-Parlaments aber nicht im Zusammenhang.

Die parlamentarische Immunität soll Abgeordnete vor allem vor Einschüchterungsversuchen mit juristischen Mitteln schützen. Staatsanwaltschaften können nicht strafrechtlich gegen einen Abgeordneten ermitteln, so lange die Immunität in Kraft ist. Abgeordnete bleiben auch im Fall eines Immunitätsverlusts im Parlament.

Nachtrag (02.03.2017):

Das Europaparlament stimmte mit breiter Mehrheit dafür, Le Pens Schutz vor strafrechtlicher Verfolgung im Fall der IS-Bilder aufzuheben. Die Präsidentschaftskandidatin könnte nun wegen der Vorwürfe vernommen werden. Am Ende könnte ein Strafprozess stehen. Auswirkungen auf ihre Wahlchancen muss dies jedoch nicht haben.

Dazu schreibt übrigens das kremlnahe russische Boulevardblatt „Komsomolskaja Prawda“ zum Vorgehen der französischen Justiz gegen die Präsidentschaftsbewerber Francois Fillon und Marine Le Pen:

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„Vielleicht ist es nur ein Zufall, aber Fillon wie Le Pen sind mehrfach für eine Aufhebung der Sanktionen gegen Russland eingetreten. Beide haben ohne Zurückhaltung die französische und die europäische Bürokratie kritisiert und eine Normalisierung der Beziehungen zwischen Paris und Moskau gefordert. Wird deshalb versucht, ihren politischen Tod zu organisieren?“