Kein Unglück hat die Deutschen in den vergangenen Monaten mehr bewegt als der Absturz der Germanwings-Maschine in Frankreich. Natürlich war es auch das Topthema in den Sozialen Medien. Dort wurde aber auch heftig die Rolle der Journalisten diskutiert. Das Munich Digital Institute hat nun Zahlen vorgelegt, wie sich die Katastrophe in den Sozialen Medien verfolgt wurde. Die Analyse belegt, wie versessen und auch sehr zielgerichtet viele Nutzer nach den neusten Informationen über die Katastrophe im Netz gesucht haben.
Eine Germanwingsmaschine bei der Landung
Die Macher der Studie konstatieren, dass sich das Informationsbedürfnis der Deutschen in den vergangenen Jahren deutlich verändert habe. Es würden nicht mehr die großen Nachrichtenseiten angesteuert. Die meisten Nutzer gingen dazu über, sich ihre Informationen und Informationsquellen über Suchmaschinen selbst zusammenzustellen.
Der Amoklauf von Winnenden als Vergleichspunkt
Als Vergleichspunkt zieht das Munich Digital Institute die Zahlen zum Amoklauf von Winnenden heran. 2015 seien 1,5 mal mehr Suchanfragen zu der Germanwings-Katastrophe gestellt worden als noch 2009 zum Winnenden-Amoklauf.
Aus dieser Tatsache leiten die Macher der Studie einen Trend zur Personalisierung ab. Denn sobald am 26. März erstmals der Name des Co-Piloten veröffentlicht wurde, sei im Netz ein mehr als doppelt so großes Interesse am Namen entflammt, als am Absturz selbst. So wurde „Andreas Lubitz“ rund 2,5 mal häufiger gegoogelt als das die eigentliche Katastrophe.
Der Name ist wichtig
Das Ausmaß der Personalisierung habe erst in den letzten 5 Jahren so stark zugenommen, schließen die Autoren aus den vorliegenden Zahlen. Wieder ist das Winnenden-Unglück der Referenzpunkt. “Während noch vor 5 Jahren etwa fünf mal häufiger nach dem Ereignis (Amoklauf von Winnenden) gesucht wurde als nach der Person des Täters, hat sich dieser Trend 2015 ins Gegenteil verkehrt und es wird stattdessen ca. 2,5 mal so häufig nach der Person des „Täters“ gegoogelt als nach dem Ereignis (Flugzeugsabsturz) selbst”, steht in der Analyse.
Diese gewachsene Fokussierung auf die Person eines tatsächlichen oder vermeintlichen Täters scheint die Tendenz vieler Zeitungen zu bestätigen, im Fall des Germanwings-Absturzes den vollen Namen des Co-Piloten zu veröffentlichen. Eine wesentliche Rechtfertigung der Medien für die Veröffentlichung des Namens und des Fotos stellte auch die bereits erfolgte Benennung des Co-Piloten durch die französische Staatsanwaltschaft dar.
Empörung der Netz-Gemeinde
Allerdings haben gerade bei diesem Unglück viele Nutzer empört auf Namens- und Fotoveröffentlichungen des Co-Piloten reagierte. Der Grund liegt laut Ansicht des Münchner Instituts auf der Hand: “Das Risiko, dass eine Veröffentlichung von Namen und Fotos eine öffentliche Vorverurteilung eines wohlmöglich Unschuldigen auslöst, ist in den letzten fünf Jahren drastisch gestiegen. Solch öffentliche Vorverurteilungen wiederum haben statistisch signifikanten Einfluss auf den Ermittlungsfortschritt und auf nachfolgende Gerichtsprozesse.”
Auch die Nutzer suchen Sensationen
Die Kritik der Macher der Studie trifft aber nicht nur den Medien mit dem Ereignis, sondern auch die Internet-Nutzer selbst. Der Proteststurm an der bisweilen sensationsheischenden Berichterstattung habe zwei Seiten.
So schreibt das Munich Digital Institute: “Betrachtet man die Suchanfragen der Woche vom 24. März bis 31. März genauer, so lässt sich an diesem Protest zweifeln. Am Tag des Absturzes, dem 24.3., überwog noch das rein sachliche Informationsbedürfnis am Ereignishergang. Über 2.000.000 mal wurde an diesem Tag nach ‚Germanwings‘ gesucht, über 100.000 mal nach ‚Absturz German Wings‘ und verwandten Begriffen und weitere 100.000 mal nach dem Ort Haltern. Am 25.3. wurde dann verstärkt nach der Flugnummer gegoogelt, über 10.000 Suchanfragen. Doch am 26.3., als der Name des Co-Piloten bekannt wurde, verändert sich der Trend: Weit über 1.000.000 mal wurde danach der Name des Piloten gesucht, sein Wohnort (Montabaur) wurde von weiteren 20.000 Nutzern angefordert und über 20.000 Menschen suchten nach der Facebook-Seite des Co-Piloten. Ab dem Zeitpunkt der Namensnennung bleibt dieser Trend konstant und das Interesse an dem Ereignishergang kann die Zahl der Suchanfragen nach Privatdaten des Co-Piloten nicht mehr einholen. Am 31.3.2015, knapp eine Woche nach dem Absturz, streben die Suchanfragen sowohl für den Ereignisverlauf als auch für den Namen allmählich gegen Null.”
Ein Fazit
Das heißt, dass die Menschen inzwischen bei einer Katastrophe mit Hilfe der modernen Medien im Internet ihre eigenen Informationen zusammensuchen – sich auf der anderen Seite aber sehr schnell über die “sensationsheischende” Berichterstattung der Medien aufregen, wenn sie genau dieses Interesse befriedigen. Die Journalisten werden lernen müssen, mit diesem Widerspruch umzugehen. Ein schwacher Trost ist die Bemerkung der Autoren der Studie, dass die Kritik an den Medien für viele offenbar ein Ventil ist, mit der Unfassbarkeit des Ereignisses umzugehen.
Hier ist der Link zu der Studie des Munich Digital Institutes
Hier ist der Lind zur Homepage des Munich Digital Institutes