Zwischen Deutschland und Russland herrscht seit der Annexion der Krim Sprachlosigkeit. Das ist eine gefährliche Situation. Es gibt viele Befürworter, die Kontakte wieder zu verstärken. Vor allem die deutsche Wirtschaft macht Druck.

Bruchpunkt Krim-Anexion
Das Verhältnis zwischen Deutschland und Russland ist denkbar schlecht. Seit längerer Zeit herrscht auf vielen Ebenen eine beängstigende Funkstille. Der Bruchpunkt in den Beziehungen ist sehr genau zu datieren: die völkerrechtswidrige Annexion der Krim durch Russland im April 2014. Hinzu kam die darauf folgende Unterstützung Moskaus der prorussischen Separatisten im Krieg in der Ostukraine. Der Westen reagierte mit Sanktionen, die in diesen Tagen um ein weiteres halbes Jahr verlängert worden sind, und legte auch die militärische Zusammenarbeit auf Eis.
Der Konflikt in Syrien und der Abschuss eines russischen Kampfjets durch die Türkei aber machen deutlich, dass die Sprachlosigkeit zwischen Russland und dem Westen für beide Seiten längst zu einem gefährlichen Hasardspiel geworden ist. Aus diesem Grund versucht jetzt vor allem Deutschland, das sich immer wieder als Mittler zwischen den Fronten übt, das Schweigen zwischen Brüssel und Moskau zu brechen. Auf anhaltenden Druck von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier wird nun versucht, den Nato-Russland-Rat wiederzubeleben. Das wurde diese Woche auf der Nato-Tagung beschlossen. Beide Seiten hatten das Kooperationsgremium nach dem Ende des Kalten Krieges eingerichtet.
Das „rote Telefon“
Schon vor einem Jahr hatte Steinmeier zum Dialog mit Russland gedrängt – zumindest auf militärischer Ebene, um verhängnisvolle Missverständnisse zu vermeiden. Damals wurde von Nato-Seite beschlossen, ein seit 2013 existierendes „rotes Telefon“ zwischen den Militärführungen beider Seiten zumindest wieder für eine Art Minimalkommunikation zu nutzen. Die Allianz habe bisher zweimal angerufen, sagt ein Nato-Diplomat. „Die Russen haben aber nicht geantwortet.“ Das soll sich ändern.
Aber auch auf wirtschaftlicher Ebene wird vor allem in Deutschland versucht, die seit zwei Jahren fast brachliegenden Kontakte nach Russland wiederzubeleben. Zu diesem Zweck haben sich Ende Oktober die wichtigsten deutschen und russischen Wirtschaftsverbände zu einer neuen Unternehmerplattform zusammengeschlossen. Ziele dieser gemeinsamen Initiative seien der verstärkte Austausch über aktuelle Rahmenbedingungen für Investoren im jeweiligen Land, die Formulierung konkreter Maßnahmen zur Verbesserung des Investitionsklimas und ein „gemeinsamer Auftritt gegenüber der Politik zum Nutzen der Wirtschaft“, heißt es von Seiten der Deutsch-Russischen Außenhandelskammer in Moskau.
Druck der deutschen Wirtschaft
Schon seit längerer Zeit steigt der Druck aus Teilen der deutschen Wirtschaft, die Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern wieder zu intensivieren. Die deutschen Ausfuhren nach Russland gingen im ersten Halbjahr 2015 um gut 31 Prozent zurück und lagen bei nur noch 10,5 Milliarden Euro. Für das Gesamtjahr 2015 schätzt der Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft das Volumen der Russland-Exporte auf rund 20 Milliarden Euro – „eine Halbierung gegenüber 2012“, klagt der Verband. Russland falle damit auf der Rangliste der deutschen Ausfuhren hinter kleinere Länder wie Schweden und Ungarn zurück.
„Mit einer Isolierung Russlands werden in Europa viele Probleme nicht gelöst werden können“, unterstreicht der Ost-Ausschuss-Vorsitzende Eckhard Cordes. „Deshalb bedauern wir es sehr, dass Gesprächsformate wie die deutsch-russischen Regierungskonsultationen, die EU-Russland-Gipfel, G 8 oder der Nato-Russland-Rat ausgerechnet zu einer Zeit ausgesetzt wurden, als diese Gremien besonders benötigt wurden.“ Er ergänzt: „Umso wichtiger ist es, dass Netzwerke der Zivilgesellschaft, und dazu zähle ich auch die Wirtschaft, weiter bestehen und gepflegt werden.“ Wichtig sei es nun, auf beiden Seiten neues Vertrauen aufzubauen.
Cordes sieht sich in diesen Anstrengungen inzwischen bestätigt. „Wir erhalten dafür mittlerweile wieder sehr positive Signale aus der Politik, die unsere Wirtschaftstreffen ihrerseits dafür nutzt, neue Gesprächsfäden zu knüpfen. Das war 2014 noch deutlich anders.“ Trotz dieses Hoffnungsschimmers am Horizont unterstreicht er: „Die Wirtschaft kann den politischen Dialog nicht ersetzen.“
Viele Plattformen für den Dialog
Auch Gernot Erler, Russland-Beauftragter der Bundesregierung, beklagt, dass viele Dialogplattformen, wie der EU-Russland-Gipfel oder die deutsch-russischen Regierungskonsultationen, im Moment versperrt sind. Allerdings unterstreicht er, dass es „im Zuge des Ukraine-Krisen-Managements zahlreiche Gespräche auf Außenminister- und Regierungschef-Ebene“ gibt. Als Beispiele nennt er die Treffen im Normandie-Format und der ständige Austausch in den Arbeitsgruppen der Trilateralen Kontaktgruppe der OSZE in Minsk. Zudem dürfte nicht unterschätzt werden, dass „auch internationale Events, wie im Moment etwa der Pariser Klimagipfel, für zahlreiche bilaterale Gespräche“ genutzt würden.
Eine der zentralen Hürden in der Kommunikation zwischen Berlin und Moskau ist für Gernot Erler, dass über die langfristigen Ziele Moskaus im Ukraine-Konflikt noch immer nur spekuliert werden könne. Der Westen setze im Moment auf eine Beendigung der Kämpfe in der Ostukraine im Sinne des Minsker Übereinkommens vom Februar dieses Jahres. „Aber langfristig müssen wir im Dialog mit Russland versuchen, den Weg zurück zu den Prinzipien der ‚gemeinsamen Sicherheit‘ zu finden.“ Das setze allerdings voraus, dass man sich auf die Aussagen und Aktionen der Gegenseite verlassen können müsse.
Erler beschreibt die deutsch-russischen Beziehungen in der jetzigen Krise als ein „Überwintern“. Dass sie nicht ganz abgebrochen seien, sei „der in Jahrzehnten gewachsenen engen Zusammenarbeit unserer beiden Gesellschaften mit 100 Städtepartnerschaften, 850 Hochschulpartnerschaften, mehr als 1000 Schulpartnerschaften“ zu verdanken. Herausgehoben wird von dem SPD-Politiker der „Petersburger Dialog“. Der hat nach vielen sehr großen Schwierigkeiten in der Vergangenheit in diesen Wochen wieder seine Arbeit aufgenommen.
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