Besser streiten, als schweigen

Der Petersburger Dialog hat ein großes Eklat-Potenzial. Allein deshalb ist es ein Erfolg, dass er in diesem Jahr wieder stattfindet. Treffpunkt von Vertretern aus Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur ist Berlin. Die Erwartungen an die Veranstaltung sind allerdings nicht allzu hoch.

Ein Kommentar: 

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Der Dialog war klinisch tot

Der Petersburger Dialog war im Grunde tot. Im Laufe der Jahre war er zu einer Folkloreveranstaltung zwischen Deutschland und Russland verkommen. Wichtige und brisante Themen wurden tunlichst ausgeschwiegen oder bis zur Unkenntlichkeit verklausuliert diskutiert. Diese Konfliktscheu kam vor allem der russischen Seite entgegen, denn dort bestand allenfalls in der Anfangsphase das Interesse, die kritischen Stimmen im eigenen Land zu Wort kommen zu lassen. Die Deutschen haben das über Jahre akzeptiert.
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Grundsätzliche Reformen

Dann kam der Neuanfang. So bitter es klingt: die Irritationen nach dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine haben dem Petersburger Dialog offensichtlich gut getan. Zumindest auf deutscher Seite wurde das Format grundsätzlich reformiert. Der exklusive Club wurde grundsätzlich umgekrempelt von deutscher Seite um eine ganze Reihe von russlanderfahrenen und unabhängigen Nichtregierungsorganisationen erweitert. Doch in diesem Jahr zeigt sich, dass diese Reformen nicht genügen. Zudem stellt sich die Frage, was es bringt, sich mit russischen Gesprächspartnern an einen Tisch zu setzen, die nicht gewillt sind, die wirklich brennenden Fragen offen zu diskutieren? Aber Ronald Pofalla, Chef des Petersburger Dialog, hat Recht. Es ist besser, sich über unterschiedliche Positionen zu streiten, als gar nicht zu reden.

Gefährliches Schweigen zwischen Berlin und Moskau

Zwischen Deutschland und Russland herrscht seit der Annexion der Krim Sprachlosigkeit. Das ist eine gefährliche Situation.  Es gibt viele Befürworter, die Kontakte  wieder zu verstärken. Vor allem die deutsche  Wirtschaft macht Druck.

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Bruchpunkt Krim-Anexion

Das  Verhältnis zwischen Deutschland und Russland ist denkbar schlecht. Seit längerer Zeit herrscht auf vielen Ebenen eine beängstigende Funkstille. Der Bruchpunkt in den Beziehungen ist sehr genau zu datieren: die völkerrechtswidrige Annexion der Krim durch Russland im April 2014. Hinzu kam die darauf folgende Unterstützung Moskaus der prorussischen Separatisten im Krieg in der Ostukraine. Der Westen reagierte mit Sanktionen, die in diesen Tagen um ein weiteres halbes Jahr verlängert worden sind, und legte auch die militärische Zusammenarbeit auf Eis.

Der Konflikt in Syrien und der Abschuss eines russischen Kampfjets durch die Türkei aber machen deutlich, dass die Sprachlosigkeit zwischen Russland und dem Westen für beide Seiten längst zu einem gefährlichen Hasardspiel geworden ist. Aus diesem Grund versucht jetzt vor allem Deutschland, das sich immer wieder als Mittler zwischen den Fronten übt, das Schweigen zwischen Brüssel und Moskau zu brechen. Auf anhaltenden Druck von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier wird nun versucht, den Nato-Russland-Rat wiederzubeleben. Das wurde diese Woche auf der Nato-Tagung beschlossen. Beide Seiten hatten das Kooperationsgremium nach dem Ende des Kalten Krieges eingerichtet.

Das „rote Telefon“

Schon vor einem Jahr hatte Steinmeier zum Dialog mit Russland gedrängt –  zumindest auf militärischer Ebene, um verhängnisvolle Missverständnisse zu vermeiden. Damals wurde von Nato-Seite beschlossen, ein seit  2013 existierendes „rotes Telefon“ zwischen den Militärführungen beider Seiten zumindest wieder für eine Art Minimalkommunikation zu nutzen. Die Allianz habe bisher zweimal angerufen, sagt ein Nato-Diplomat. „Die Russen haben aber nicht geantwortet.“ Das soll sich  ändern.

Aber auch auf wirtschaftlicher Ebene wird vor allem in Deutschland versucht, die seit zwei Jahren fast brachliegenden Kontakte nach Russland wiederzubeleben. Zu diesem Zweck haben sich Ende Oktober die wichtigsten deutschen und russischen Wirtschaftsverbände zu einer neuen Unternehmerplattform zusammengeschlossen. Ziele dieser gemeinsamen Initiative seien der verstärkte Austausch über aktuelle Rahmenbedingungen für Investoren im jeweiligen Land, die Formulierung konkreter Maßnahmen zur Verbesserung des Investitionsklimas und ein „gemeinsamer Auftritt gegenüber der Politik zum Nutzen der Wirtschaft“, heißt es von Seiten der Deutsch-Russischen Außenhandelskammer in Moskau.

Druck der deutschen Wirtschaft

Schon seit längerer Zeit steigt der Druck aus Teilen der deutschen Wirtschaft, die Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern wieder zu intensivieren. Die deutschen Ausfuhren nach Russland gingen im ersten Halbjahr 2015 um gut 31 Prozent zurück und lagen bei nur noch 10,5 Milliarden Euro. Für das Gesamtjahr 2015 schätzt der Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft das Volumen der Russland-Exporte auf rund 20 Milliarden Euro – „eine Halbierung gegenüber 2012“, klagt der Verband. Russland falle damit auf der Rangliste der deutschen Ausfuhren hinter  kleinere Länder wie Schweden und Ungarn zurück.

„Mit einer Isolierung Russlands werden in Europa viele Probleme nicht gelöst werden können“, unterstreicht der Ost-Ausschuss-Vorsitzende Eckhard Cordes. „Deshalb bedauern wir es sehr, dass Gesprächsformate wie die deutsch-russischen Regierungskonsultationen, die EU-Russland-Gipfel, G 8 oder der Nato-Russland-Rat ausgerechnet zu einer Zeit ausgesetzt wurden, als diese Gremien besonders benötigt wurden.“ Er ergänzt: „Umso wichtiger ist es, dass Netzwerke der Zivilgesellschaft, und dazu zähle ich auch die Wirtschaft, weiter bestehen und gepflegt werden.“ Wichtig sei es nun, auf beiden Seiten neues Vertrauen aufzubauen.

Cordes sieht sich in diesen Anstrengungen inzwischen bestätigt. „Wir erhalten dafür mittlerweile wieder sehr positive Signale aus der Politik, die unsere Wirtschaftstreffen ihrerseits dafür nutzt, neue Gesprächsfäden zu knüpfen. Das war 2014 noch deutlich anders.“ Trotz dieses Hoffnungsschimmers am Horizont unterstreicht er: „Die Wirtschaft kann den politischen Dialog nicht ersetzen.“

Viele Plattformen für den Dialog

Auch Gernot Erler, Russland-Beauftragter der Bundesregierung, beklagt, dass viele Dialogplattformen, wie  der EU-Russland-Gipfel oder die deutsch-russischen Regierungskonsultationen,  im Moment versperrt sind. Allerdings unterstreicht er, dass es „im Zuge des Ukraine-Krisen-Managements zahlreiche Gespräche auf Außenminister- und Regierungschef-Ebene“ gibt. Als Beispiele nennt er die Treffen im Normandie-Format und der ständige Austausch in den Arbeitsgruppen der Trilateralen Kontaktgruppe der OSZE in Minsk. Zudem dürfte nicht unterschätzt werden, dass „auch internationale Events, wie im Moment etwa der Pariser Klimagipfel, für zahlreiche bilaterale Gespräche“ genutzt würden.

Eine der zentralen Hürden in der Kommunikation zwischen Berlin und Moskau ist für Gernot Erler, dass über die langfristigen Ziele Moskaus im Ukraine-Konflikt noch immer nur spekuliert werden könne. Der Westen setze im Moment auf eine Beendigung der Kämpfe in der Ostukraine im Sinne des Minsker Übereinkommens vom Februar dieses Jahres. „Aber langfristig müssen wir im Dialog mit Russland versuchen, den Weg zurück zu den Prinzipien der ‚gemeinsamen Sicherheit‘ zu finden.“ Das setze allerdings voraus, dass man sich auf die Aussagen und Aktionen der Gegenseite verlassen können müsse.

Erler beschreibt die deutsch-russischen Beziehungen in der jetzigen ­Krise als ein „Überwintern“. Dass sie nicht ganz abgebrochen seien, sei „der in Jahrzehnten gewachsenen engen Zusammenarbeit unserer beiden Gesellschaften  mit 100 Städtepartnerschaften, 850 Hochschulpartnerschaften, mehr als 1000 Schulpartnerschaften“ zu verdanken. Herausgehoben wird von dem SPD-Politiker der „Petersburger Dialog“. Der hat nach vielen sehr großen Schwierigkeiten in der Vergangenheit in diesen Wochen wieder seine Arbeit aufgenommen.

Der Link zum Ostausschuss

Der Link zum Petersburger Dialog

Deutliche Worte in Richtung Russlands

Lange war es sehr still um den Peterburger Dialog. Nicht nur der Krieg in der Ukraine hatte das Gespräch zwischen Deutschen und Russen zum Erliegen gebracht. Auch personelle Querelen innerhalb des Forums waren für die Sprachlosigkeit verantwortlich.

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Eine eindeutige Position

Nun hat es einen Wechsel beim Führungspersonal gegeben und der neue Chef von deutscher Seite, Ronald Pofalla, meldet sich nun sehr zu Wort – und lässt die russische Seite in Grübeln kommen. In Sachen Ukraine und Syrien er eindeutig Position bezogen.

Eines der zentralen Themen in deutsch-russischen Dialog sind die Sanktionen gegen Moskau. Hier wies der Ko-Vorsitzenden des Petersburger Dialoges auf einen entscheidenden Punkt hin: Russland könne nicht auf eine Lockerung der Ukraine-Sanktionen hoffen – selbst wenn es in Syrien mit dem Westen kooperiert. „Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun“, unterstricht Pofalla bei einem Besuch in Moskau.

Die Bedingungen nicht erfüllt

Natürlich will der ehemalige Kanzleramtsminister die Gegenseite nicht völlig vor den Kopf stoßen. Also erklärt er, dass Russland einige Schritte gemacht habe. Doch noch sei das zweite Maßnahmenpaket zur Konfliktlösung im Osten der Ukraine, ausgehandelt im Februar in Minsk, nicht umgesetzt. „Die Koppelung der Sanktionen kann erst gelockert werden, wenn wesentliche Teile von Minsk-2 erfüllt sind.“

Pofalla widersprach damit Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD), der im Oktober in Moskau eine schrittweise Aufhebung gefordert hatte. Seiner Einschätzung nach werde die Europäische Union (EU) im Dezember die Strafmaßnahmen verlängern, sagte der jetzige Bahn-Vorstand Pofalla.

Mehr NGO’s aufnehmen

Als neuer Ko-Vorsitzender des Petersburger Dialogs sprach er in Moskau mit dem Chef des russischen Präsidialamtes, Sergej Iwanow, und dem Parlamentsvorsitzenden Sergej Naryschkin. Von russischer Seite leitet Ex-Ministerpräsident Viktor Subkow das bilaterale Gesprächsforum. Wichtig: Pofalla traf auch Vertreter von Nichtregierungsorganisationen. „Wir werden darum bitten, dass auch die russische Seite bereit ist, mehr russische NGOs in die Delegationen aufzunehmen“, sagte Pofalla. Er selbst hat die deutsche Seite um neue Teilnehmer wie die Umweltschutzorganisation Greenpeace erweitert.

Derzeit habe die Ukraine Probleme, die in Minsk vereinbarten Gesetze durchs Parlament zu bringen, sagte Pofalla. Dies sei aber noch kein Grund, das Gesamtpaket aufzuschnüren. Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko habe „frei verhandelt und frei unterschrieben. Jetzt muss er sich an dem messen lassen, was er unterschrieben hat.“

Das Problem mit Syrien

Die Aussichten auf eine internationale Kooperation mit Russland in Syrien sah Pofalla positiv. Dabei sei es klug, die Frage nach der Zukunft von Machthaber Baschar al-Assad vorerst ungeklärt zu lassen. Russland will an Assad festhalten. „Sollte eine Allianz gegen den IS in Syrien erfolgreich sein, wird Assad niemals weiter regieren können“, sagte Pofalla dagegen. „Ein Mann, der für mindestens eine Viertelmillion Tote im eigenen Land verantwortlich ist, wird nie wieder das Vertrauen der Bevölkerung bekommen.“

INFO:

Der „Petersburger Dialog“ war früher an die deutsch-russischen Regierungskonsultationen gekoppelt. Beide Veranstaltungen wurden wegen der Krim-Annexion im vergangenen Jahr ausgesetzt.

Der „Petersburger Dialog“ hatte sich bei seiner Gründung 2001 das Ziel gesetzt, dem deutsch-russischen Verhältnis Impulse zu verleihen. Jährlich trafen sich bis zu 200 Vertreter des öffentlichen Lebens und junge Eliten im Plenum und in Arbeitsgruppen. Firmen, Stiftungen und die Regierungen beider Staaten unterstützen das Forum. Premiere hatte der Dialog vor 14 Jahren auf Initiative des damaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder (SPD) und des russischen Präsidenten Wladimir Putin in St. Petersburg.

Lenkungsausschüsse mit Russlands Ex-Regierungschef Viktor Subkow und dem deutschen Co-Vorsitzenden Ronald Pofalla als Nachfolger von Lothar de Maizière (CDU) bereiten den Dialog thematisch vor.

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Und noch jemand versucht, die Kontakte zwischen Deutschland und Russland zu verbessern. Hier die Meldung dazu:

Deutsche und russische Wirtschaftsverbände haben eine gemeinsame Unternehmerplattform gegründet, um enger zusammenzuarbeiten. Ziel der gemeinsamen Initiative solle neben einem verstärkten Austausch beider Seiten über die Rahmenbedingungen für Investoren im jeweiligen Land „ein gemeinsamer Auftritt gegenüber der Politik zum Nutzen der Wirtschaft“ sein, teilte die Deutsch-Russische Außenhandelskammer (AHK) am Donnerstag in Moskau mit. Die Plattform solle ein Vorreiter bei der Verbesserung der bilateralen Beziehungen werden. Die deutsch-russischen Beziehungen hatten sich wegen der Ukraine-Krise massiv verschlechtert, was den Handel zwischen beiden Ländern deutlich hat einbrechen lassen.

An der in Moskau gegründeten Unternehmerplattform beteiligen sich der Verband der russischen Industriellen (RSPP), die Mittelstandsvereinigung Delowaja Rossija, der Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft (OA) und die Deutsch-Russische Auslandshandelskammer (AHK).

Hier der Link zum Peterburger Dialog

Hier der Link zum Deutsch-Russischen Forum

Hier der Link zur Außenhandelskammer