Es ist kalt, der Winter noch lang, da nimmt der Streit ums Gas zwischen Kiew und Moskau nimmt wieder einmal an Fahrt auf. Offensichtlich hat die Ukraine die Transitgebühren für russisches Erdgas Richtung EU zu Jahresbeginn mehr als verdreifacht – trotz laufender Verträge.
Russland will nicht bezahlen
Auf 100 Kilometer soll das russische Staatsunternehmen Gazprom an den ukrainischen Staatskonzern Naftogaz für den Transport von 1000 Kubikmeter nun umgerechnet knapp 7,25 Euro statt vorher 2,3 Euro bezahlen, wie Kiewer Medien am Montag berichteten. Die Transitkosten würden sich demnach für Gazprom von 1,8 Milliarden Euro auf mehr als 5,5 Milliarden Euro im Jahr erhöhen. Der russische Konzern sei aber bisher nicht bereit, den höheren Tarif zu bezahlen, hieß es.
Dieser Schritt der Ukraine ist ein weiteres Puzzleteil in einem Milliardenstreit mit Russland. Kiew versucht, eine Auflösung der 2009 auf zehn Jahre geschlossenen Liefer- und Transitverträge zu erreichen. Dem stellt Russland Forderungen entgegen aus Strafzahlungen für Gas, das die Ukraine nicht abgenommen hat. Die Ukraine ist das wichtigste Transitland für russisches Gas in die Europäische Union.
Falls Gazprom seine Zahlungen nicht anpasst, wird Naftogaz Beobachtern zufolge die Differenz in laufenden Verfahren vor dem Schiedsgericht in Stockholm geltend machen.
Eine Eskalation folgt der nächsten
Die letzte Eskalation ist nur wenige Wochen her. Ende November hatte Kiew den Luftraum für russische Flugzeuge gesperrt. Es handele sich um eine Reaktion auf die „aggressiven Handlungen“ Moskaus, sagte Ministerpräsident Arseni Jazenjuk damals zur Begründung. Kurz vor der Entscheidung hatte der russische Energiekonzern Gazprom seine Gaslieferungen an die Ukraine gestoppt, da Kiew die vereinbarten Vorauszahlungen nicht überwiesen hatte. Gazprom-Chef Alexei Miller warnte schon damals vor „ernsthaften Risiken“ für die Belieferung Europas.
Nervosität bei der EU
Der Streit zwischen den beiden Ländern sorgt auch immer wieder für Nervosität in der EU, weil mehrere Länder auf Gaslieferungen aus der Ukraine angewiesen sind. Immer wieder werden Alternativrouten gesucht, doch auch das sorgt bei vielen EU-Ländern für große Sorge.
Auch beim aktuellen EU-Gipfel wurde über den Ausbau einer Gaspipeline zwischen Russland und Deutschland für zum Teil heftige Diskussionen gesorgt. Die Debatte über das Projekt Nord Stream 2 mit dem russischen Gazprom-Konzern sei „hart“ und „sehr emotional“ gewesen, sagte EU-Ratspräsident Donald Tusk zum Abschluss des Treffens in Brüssel.
Streit um die neue Leitung Nord Stream 2
Der Hintergrund: Im Juni war der Bau einer weiteren Leitung zum Transport von Erdgas von Russland nach Europa beschlossen worden. An Nord Stream 2 sind Gazprom, die BASF-Tochter Wintershall und die Energiekonzerne Eon, Shell, OMV aus Österreich sowie Engie aus Frankreich beteiligt. Durch den Ausbau wird Deutschland zum Hauptverteiler für russisches Erdgas in Westeuropa. Polen und die Ukraine werden als Transitländer für Gaslieferungen geschwächt.
Tusk verwies darauf, dass die Kommission der Meinung sei, dass das Nord-Stream-2-Projekt Europas Abhängigkeit von einem Anbieter erhöhen würde. 80 Prozent der russischen Gasimporte würden dann über eine Route laufen, sagte der Pole. Auf dem deutschen Markt werde dies „die dominanten Position von Gazprom“ auf über 60 Prozent erhöhen. Aus seiner Sicht helfe das Projekt „weder bei der Diversifizierung noch würde es unsere Energieabhängigkeit verringern“.
Die Ukraine bangt um seinen Status
Auch in der Ukraine wird der Bau einer zweiten Pipeline mit großem Argwohn betrachtet. Denn das Land ist auf die Einnahmen durch die Transitgebühren angewiesen. Zudem würde Kiew dadurch seine starke Position als Transitland verlieren – und würde einen Joker in den Verhandlungen mit der EU und Russland aus der Hand geben.
In Deutschland werden diese Einwände zwar gehört, aber nicht wirklich geteilt. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel sagte zur Frage, ob die Pipeline der Ukraine wirtschaftlich schaden könne, sie wünsche Lösungen, „bei denen die Ukraine als Transitland nicht völlig unbedeutend wird“. Eine solche Antwort kann aber keinen der Partner befriedigen.
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