Polens Lotse Kaczynski ist wieder an Bord

Er ist wieder da! Die Spekulationen haben ein Ende. Der Chef der in Polen regierenden PiS-Partei, Jaroslaw Kaczynski, ist nach einer Kniebehandlung nach mehr als fünf Wochen aus dem Krankenhaus entlassen worden.

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Jaroslaw Kaczynski an Krücken

Bilder zeigen, wie der 68-Jährige das WIM-Militärkrankenhaus in Warschau am Freitag nach 37-tägigem Aufenthalt an Krücken verlässt. Seine lange Abwesenheit aus der Öffentlichkeit hatte in Polen Spekulationen um seinen Gesundheitszustand ausgelöst. Nun sorgte die Krankenhausleitung für Aufklärung: Kaczynski sei wegen Arthrose operiert und anschließend fachübergreifend behandelt worden. Die Behandlung sei „komplex“ gewesen und solle ambulant fortgesetzt werden.

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Spekulationen um den Gesundheitszustand

Das plötzliche Verschwinden Kaczynskis war eines der wichtigen Themen in den polnischen Medien, die über den wahren Gesundheitszustand der grauen Eminenz der polnischen Politik orakelten. Genau wurde aufgezählt, wann welcher Arzt womöglich den PiS-Chef besucht haben könnte. Die liberale „Gazeta Wyborcza“ mutmaßte Schlimmes: die angebliche Knieoperation habe nicht stattgefunden, stattdessen werde Kaczynski wegen eines Krebsleidens behandelt. Beweise dafür gab es freilich nicht.

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Kein Bild aus dem Krankenzimmer

Angeheizt wurden die Spekulationen dadurch, dass immer selbst viele PiS-Politiker offenbar nicht wussten, wie es um den Gesundheitszustand ihres Vorsitzenden stand. Es gab auch keine Bilder aus dem Krankenzimmer. Die Parteispitze erkläre nur immer wieder, dass Kaczynski bald aus dem Krankenhaus entlassen werde.

Schließlich berichtete die „Gazeta Wyborcza“, innerhalb der PiS gebe es bereits Kämpfe darum, wer dem 68-Jährigen als Parteichef nachfolgen solle. Polnische Medien nennen immer wieder Kaczynskis engen Vertrauten Joachim Brudzinski als möglichen Nachfolger. Er ist derzeit Innenminister.

Nun ist Kaczynski also wieder an Bord – die Spekulationen über seinen Gesundheitszustand dürften allerdings nicht verklingen.

Aber das Geld nimmt Polen gerne

Die Hetze Polens gegen die EU geht weiter. Präsident Andrzej Duda hat die Mitgliedschaft seines Landes in der Europäischen Union kritisiert und Parallelen zur 123-jährigen Besatzung Polens durch Russland, Österreich und Preußen zwischen 1795 und 1918 gezogen.

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Irgendwo in fernen Hauptstädten

Duda hat in einer Rede in Kamienna Gora in Niederschlesien erklärt, „irgendwo in der Ferne, in entfernten Hauptstädten wird über unsere Angelegenheiten entschieden (…), und in Wirklichkeit arbeiten wir für die Rechnung anderer“. In seiner Rede zum Gedenken an Polens Unabhängigkeit vor hundert Jahren sagte Duda außerdem, einige Menschen fänden die EU wichtiger als Polen.

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„Bo bardzo często ludzie mówią nam: po co nam Polska? Unia Europejska jest najważniejsza. Przecież państwo wiecie, że bywają takie głosy. To niech sobie ci wszyscy przypomną te 123 lata zaborów. Jak Polska wtedy, pod koniec osiemnastego wieku swoją niepodległość straciła i zniknęła z mapy. Też byli tacy, którzy mówili: a może to lepiej, swary się wreszcie skończą, te rokosze, te wszystkie insurekcje, wojny, awantury, konfederacje, wreszcie będzie święty spokój”.

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Auch damals – bevor Polen 1918 seine staatliche Souveränität wiedererlangte – hätten Leute die Auffassung gehabt: „Vielleicht ist es besser. Es wird keinen Streit mehr geben, keine Aufstände, keine Erhebungen, keine Kriege, keine Abenteuer, keine Konföderationen. Endlich wird es Frieden geben.“ Doch dann hätten diese Leute „schnell begriffen, dass Kriege und Abenteuer weitergingen“ und die Polen keinerlei Einfluss mehr hätten und über ihre Köpfe hinweg entschieden werde. Heute sei Polen „souverän und unabhängig“. Er glaube daran, dass es ein Staat sein werde, in dem es sich „immer besser“ leben lasse.

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Die Beziehungen zur EU sind gespannt

Duda ist aus der rechtsnationalen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) hervorgegangen, die Polen seit ihrem Wahlsieg im Oktober 2015 regiert. Die Beziehungen zur Europäischen Union sind gespannt. Die EU-Kommission wirft Warschau insbesondere vor, mit umstrittenen Maßnahmen die Unabhängigkeit der Justiz zu gefährden. Die polnische Regierung weist das zurück.

Im Dezember beantragte die Kommission ein bisher beispielloses Strafverfahren gegen Polen, das bis zum Entzug von Stimmrechten auf EU-Ebene führen kann. Polen gehört der EU seit 2004 und dem Nato-Militärbündnis seit 1999 an. Es ist mit etwa zehn Milliarden Euro jährlich abzüglich seines Beitrags zum EU-Haushalt größter Nettoempfänger der Europäischen Union.

In Polen fällt die Pressefreiheit

Das ist der Beweis: in Polen steht die Pressefreiheit vor dem Aus. Der polnische private Nachrichtensender TVN24 hat über Proteste der Opposition berichtet. Nun soll er 350.000 Euro Strafe zahlen – wegen „unrechtmäßiger“ Berichterstattung.

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Aufruf zur „Teilnahme an illegalen Protesten“?

Verhängt wurde die Strafe in Höhe von 1,5 Millionen Złoty (350.000 Euro)  von der polnischen Medienaufsicht KRRiT. Zur Begründung heißt es von einer Sprecherin, der Sender habe es versäumt, die Zuschauer darüber zu informieren, dass die Proteste „unrechtmäßig“ gewesen seien. Zudem habe er die Zuschauer zur „Teilnahme an illegalen Protesten“ aufgerufen. Der Sender befindet sich in US-Besitz und ist einer der beiden größten Nachrichtensender Polens.

Der national-konservativen Regierung sind die seit Dezember anhaltenden  Demonstrationen ein Dorn im Auge. Auf die Straße gehen die Menschen unter anderem weil die Regierungspartei PiS den Zugang von Journalisten zum Plenarsaal erschweren wollte. Nach Massenprotesten lenkte die Regierung aber ein und setzte das Vorhaben aus. Doch die Berichterstattung des Senders über diese Proteste rief die Medienaufsicht auf den Plan.

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„Mehrere Beschwerden“ gegen den Sender

Die Sprecherin der Medienaufsichtsbehörde KRRiT, Teresa Brykczyńska, sagte, es habe „mehrere Beschwerden“ gegen die Berichterstattung des Senders gegeben. Dieser habe „ein Klima der Spannung“ erzeugt und das Gebot der Meinungspluralität missachtet.

Der Sender kündigte Berufung gegen die Entscheidung an. Die Anschuldigungen der Behörde würden auf Angaben beruhen, denen es an „Objektivität und Genauigkeit“ mangele, erklärte TNV24.

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Inzwischen hat sich sogar die US-Regierung voller Sorge zu Wort gemeldet. In einer Erklärung heißt es:

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„The United States is concerned by Poland’s decision to fine the private TV broadcaster TVN for alleged biased reporting of demonstrations outside Parliament last December. This decision appears to undermine media freedom in Poland, a close ally and fellow democracy. Free and independent media are essential to a strong democracy. As Secretary Tillerson has said, “Societies built on good governance, strong civil society, and an open and free media are more prosperous, stable, and secure. We remain confident in the strength and ability of Poland’s democracy to ensure Poland’s democratic institutions are fully functioning and respected.“

Die hässliche Fratze des Nationalismus

Am  11. November haben die  Polen allen Grund zu feiern. 123 Jahre war das Land  praktisch von der Landkarte verschwunden, bevor es 1918 wieder zum Staat wurde. Bejubelt wird an diesem Datum die Einheit des Landes – eigentlich.

Ein Kommentar:

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Erschreckend viele Neonazis

Was dieses Mal in Warschau bei der Kundgebung die Welt zu sehen bekam, war die hässliche Fratze eines enthemmten Nationalismus. Unter den Demonstranten waren erschreckend viele Neonazis, die mit rassistischen Spruchbändern wie „Reines Blut“ ihre Hetze öffentlich zur Schau tragen durften. Das ist die eine Seite des Skandals.

Bedenklicher ist, dass die Regierung die nationalistischen Ausfälle von zehntausenden Menschen in Warschau billigend in Kauf nimmt. Mehr noch, mit ihrer aggressiven Rhetorik heizt die Regierung die Stimmung im Land immer weiter an. Jaroslaw Kaczynski, Chef der Regierungspartei PiS, hetzt hemmungslos gegen Flüchtlinge, die Krankheiten einschleppen würden. Die Opposition im eigenen Land verunglimpft er als Marionetten Russlands, unabhängige Richter und Journalisten werden bedroht.

Von Feinden umzingelt

Im Ausland sitzen seiner Ansicht nach nur Feinde, von Deutschland fordert er Reparationen, mit der Ukraine eskaliert der Streit wegen eines Soldatenfriedhofes und die EU wird als Hort allen Übels verspottet. Europa darf diesem gefährlichen Treiben nicht länger tatenlos zusehen, denn in Polen – und auch in anderen osteuropäischen Ländern – ist längst die Demokratie in Gefahr. Es ist höchste Zeit, diesem rücksichtslosen Nationalismus entschieden die Stirn zu bieten.

Polen auf einem bedenklichen Weg

Zehntausende Polen waren wieder auf der Straße. Sie haben in mehreren Städten für eine Stärkung des Verfassungsgerichts und die Rücknahme der Justizreform der nationalkonservativen Regierung demonstriert. Auch die Kommentare aus dem Ausland sind harsch – doch nicht immer gerechtfertigt.

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Die Entscheidungsfreiheit Polens respektieren

Es ist war, in Polen geschieht Bedenkliches. Die neue Regierung baut den Staat in atemberaubender Geschwindigkeit um. Doch darf das nicht dazu führen, alles blindlings zu verdammen. In diesem Sinne schießen viele Kommentatoren über das Ziel hinaus. Natürlich, vieles, was die PiS tut, verdient Kritik, ist aber kein ausreichender Anlass für eine Intervention von außen. Zum Beispiel, wenn sie die Chefposten in staatlichen Medien mit eigenen Leuten besetzt. Solche Entscheidungen muss man nicht billigen. Die Entscheidungsfreiheit der Regierung Polens sollte aber jeder respektieren.

Eine andere Qualität hat allerdings die offene Missachtung des Verfassungstribunals. Die Rechtsexperten des Europarats werten die umstrittene Reform des polnischen Verfassungsgerichts als Gefahr für die Demokratie. Das Gesetz würde den Rechtsstaat gefährden, warnte die sogenannte Venedig-Kommission. Das heißt: die Schwere des Rechtsbruchs verlangt ein Eingreifen der EU und berechtigt die Bundesregierung zur Stellungnahme.

INFO: Darum geht es: Das Verfassungstribunal hatte das Gesetz über die Arbeit der Verfassungsrichter für verfassungswidrig erklärt. Die Regierung will dieses Urteil aber nicht im Amtsblatt veröffentlichen und damit unwirksam machen. Die Verfassungsexperten kritisieren vor allem zwei Punkte: Eine Zwei-Drittel-Mehrheit für Urteile und die Pflicht, Klagen chronologisch nach ihrem Eingang bei Gericht abzuarbeiten. Kritiker sagen, dass umstrittene Gesetze so womöglich erst nach Jahren zur Verhandlung kämen. Die Änderungen könnten „zu einer ernsthaften Verzögerung der Aktivität des Gerichts führen und es als Hüter der Verfassung wirkungslos machen“, heißt es in der Stellungnahme. Das Verfahren der Brüsseler Behörde ist bislang beispiellos. Es beruht auf einem erst 2014 geschaffenen Mechanismus zum Schutz der Rechtsstaatlichkeit in den Mitgliedstaaten.

Warschau zeigt sich unbeeindruckt

Die Regierungspartei PiS zeigt sich allerdings unbeeindruckt – von der Kritik der EU und auch von den Demonstrationen im eigenen Land. Sie versucht, ihre Kritiker lächerlich zu machen und sich selbst als einzig mögliche Lösung der Probleme in Polen zu präsentieren.

Gemunkelt wird, dass das Ziel des PiS-Vorsitzenden Jaroslaw Kaczysnki ein tiefgreifender Umbau des Staates sei – so sollen etwa viele Kompetenzen vom Verfassungsgericht auf den Staatspräsidenten übergeben. Polen würde sich in Richtung eines autoritären Staates entwickeln. Die EU sollte sich jetzt schon einen Plan bereitlegen, wie die Union darauf reagieren will. Die Einrichtung der Venedig-Kommission ist zumindest ein guter Anfang. Hier geht es zur Seite der Venedig-Kommission

Kaczynski – der Missionar

Polens neue Regierung hat eine Mission. Politik ist in diesem Sinne eine Sache des Glaubens und bekommt eine fast religiöse Dimension. Aus diesem Grund lässt sich Jaroslaw Kaczynski, Chef der nationalkonservativen PiS und begnadeter Strippenzieher, von niemandem beirren. Nicht durch die Demonstrationen im eigenen Land – und schon gar nicht durch die Kritik aus dem Ausland.

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Kaczynskis klare Weltbild

Es zeigt sich, dass das Weltbild Kaczynskis klar geteilt ist: es gibt Gute und Böse! Die Menschen sind für ihn – oder gegen ihn. Dazwischen gibt es nichts.

Auch der Umgang mit den politischen Gegnern orientiert sich an dieser bipolaren Weltsicht: wer sein Wort gegen die neuen Machthaber erhebt, wird beschimpft. Die Zigtausende, die in Polen gegen das neue Mediengesetz oder den Umbau des Verfassungsgerichtes auf die Straße gehen, sind laut Kaczynski  „Diebe und Kommunisten“.

Alberne Kommentare über Polen

Und Justizminister Zbigniew Ziobro erklärte in einem Brief an EU-Kommissar Günther Oettinger, was er von den Einlassungen aus Brüssel hält. Es sei eigentlich nicht seine Art, „auf alberne Kommentare von ausländischen Politikern über Polen zu antworten“, schreibt Ziobro. Dieser Satz zeigt vor allem eines: die neue Regierung in Polen will sich mit der Kritik an ihrem durchaus zweifelhaften Tun überhaupt nicht auseinandersetzen – schon gar nicht, wenn sie aus Deutschland kommt. Derartige Bemerkungen  „von einem deutschen Politiker lösen bei den Polen die schlimmsten Assoziationen aus. Ich bin der Enkel eines polnischen Offiziers, der im Zweiten Weltkrieg im Untergrund gegen die ‚deutsche Aufsicht‘ kämpfte“, sagte Ziobro.

Und natürlich vergisst der Minister den Hinweis auf die Missstände im Nachbarland nicht.  „Das Mediengesetz, an dem die polnische Regierung arbeitet, sieht bedeutend demokratischere Lösungen vor (als in Deutschland)“, heißt es in dem offenen Brief, der unter anderem auf der rechtskatholischen Webseite „Fronda.pl“ veröffentlicht wurde. In Deutschland gelte: „Wer die Macht hat, hat das Radio“, schrieb Ziobro über die Zusammensetzung der Rundfunkräte in Deutschland. Dass er in diesem Fall Äpfel mit Birnen vergleicht, erwähnt er natürlich nicht.

Zwischen zwei Extremen

Die polnische Regierungspolitik bewegt sich im Moment zwischen zwei Extremen – zwischen missionarischem Eifer und rückwärtsgewandter Weltsicht.

Dass die neuen Machthaber in Warschau längst den von ihnen immer wieder proklamierten Rückhalt in der Bevölkerung verloren haben, ficht sie nicht an. In Umfragen ist die Regierung tief abgestürzt.

Jaroslaw  Kaczynski wird weiter unbeirrt seinen Weg fortsetzen. Das hat er schon einmal getan – damals stolperte er schließlich über das eigene Unvermögen, Kompromisse zu schließen. Und am Ende wurde er vom Volk gestoppt. Eine krachende Niederlage bei den vorgezogenen Parlamentswahlen im Jahr schien sein politisches Ende gewesen zu sein. Nun ist Kaczynski wieder da – und beweist, dass er sich nicht verändert hat.

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Dieses Mal wird ihm kein abtrünniger Koalitionspartner einen Strich durch die Rechnung machen. Auch von der EU wird er sich nichts sagen lassen. Es gibt eine einzige Möglichkeit, diesem Spuk ein Ende zu bereiten und die Demokratie in Polen vor weiterem Schaden zu bewahren. Nur das polnische Volk hat die Macht, Kaczynski in die Schranken zu weisen.


Hier noch das Video eines Flashmobs in Torun. Die Menschen demonstrieren gegen die neue Regierung. Am selben Tag gingen in Warschau rund 20.000 Menschen auf die Straße.

Und hier noch ein Interview mit Gerhard Gnauck, Korrespondent der „Welt“ mit der polnischen Zeitung „Super Express“. Sein Fazit: Mit Kaczynski verliert Polen 20 Jahre.

Hier geht es zum Interview

Polen wehrt sich!

Viele Polen wollen nicht tatenlos der Demontage ihrer Demokratie zusehen. Tausende Menschen sind in mehr als 20 polnischen Städten für Demokratie und gegen die neue nationalkonservative Regierung auf die Straße gegangen.

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Bombendrohung in Warschau

Das staatliche Fernsehen schätzte die Zahl der Demonstranten auf je rund 4000 in Posen und Danzig sowie tausend in Lublin. Die zentrale Kundgebung fand in Warschau statt. Doch sie musste wegen einer anonymen Bombendrohung nach zwei Stunden vorzeitig abgebrochen werden.

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Das Komitee zur Verteidigung der Demokratie (KOD) hatte zum Widerstand gegen ein „rechtloses Polen“ aufgerufen, das eine Partei sich zu ihrem Besitz mache. Die Kritik richtet sich gegen die seit Kurzem mit absoluter Mehrheit regierende nationalkonservative Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS).

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Angriff der PiS auf die Demokratie

Die Kritiker werfen der PiS-Regierung von Premierministerin Beata Szydlo vor, Justiz und Verwaltung unter ihre Kontrolle bringen zu wollen. Die Nationalkonservativen von Parteigründer Jaroslaw Kaczysnki haben in den vier Wochen seit ihrem Regierungsamtsantritt damit begonnen, Polen umzubauen – und dabei, so sehen es ihre Kritiker, die Verfassung mehrmals gebrochen:

  • Geheimdienste: Die PiS-Regierung entließ vier von fünf Chefs der Geheimdienste. Zum neuen Geheimdienstkoordinator wurde der einstige Chef des Anti-Korruptions-Büros CBA, Mariusz Kaminski, ernannt. Er war allerdings wegen Amtsmissbrauchs zu drei Jahren Haft verurteilt worden. Damit Kaminski sein Amt antreten konnte, begnadigte ihn Präsident Andrzej Duda kurzerhand – obwohl das Urteil gegen Kaminski noch gar nicht rechtskräftig war.
  • Verfassungsgericht: Die Vorgängerregierung der liberalkonservativen Bürgerplattform (PO) hatte fünf der 15 Richter neu ernannt, obwohl eigentlich nur zwei nötig gewesen wären – laut Juristen ein Gesetzesbruch. Doch die neue Regierung ging nun noch viel weiter, sie wollte die Posten mit eigenen Leuten besetzen. Um die bereits ausgewählten Richter wieder aus dem Amt zu holen, erließ sie deshalb extra ein Gesetz. Obwohl die übrigen zehn Verfassungsrichter dies für ungültig erklärten, vereidigte Duda die von der PiS ernannten Juristen.

 

In den Augen vieler Polen ist dieses Vorgehen ein Anschlag auf die demokratische Kontrollinstanz – und sie wehren sich dagegen (Das obige Video ist von „Euronews“). Das Komitee zum Schutz der Demokratie, das zu den Protesten aufgerufen hatte, knüpft dabei an eine Keimzelle der legendären Gewerkschaft Solidarnosc an: an das Komitee zur Verteidigung der Arbeiter (KOR) aus dem Jahre 1977. Hier geht es zur FB-Seite von KOD. Von Dort stammen auch alle Bilder dieses Textes.

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Die Verachtung Kaczynskis

Bereits am vergangenen Wochenende waren daher Zehntausende Menschen in Warschau auf die Straße gegangen. Kaczynski hat für seine Gegner indes nur Verachtung übrig. Der bezichtigt die Demonstranten des „Vaterlandsverrats“.

Polens Kampf um die Demokratie

Einen solchen Protestmarsch hat Warschau schon lange nicht mehr gesehen. In der polnischen Hauptstadt gingen rund 50.000 Menschen gegen eine „Schleifung der Demokratie“ durch die neue Regierung der konservativen Partei für Recht und Gerechtigkeit (PiS) auf die Straße.

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„Freiheit, Gleichheit, Demokratie“

Die Demonstranten halten es für nicht legitim, dass die seit November regierende PiS mit ihrem Parteichef Jaroslaw Kaczynski ihre Macht nutzt, um etwa ihr genehme Verfassungsrichter einzusetzen. Der Warschauer Protestzug, der unter dem Schlagwort „Freiheit, Gleichheit, Demokratie“ stattfand, startete am Sitz des Verfassungsgerichts, um von dort zum Parlament und zum Präsidialamt weiterzuziehen. Die Demonstranten schwenkten polnische Flaggen und Fahnen der Europäischen Union.

Der Streit um die Zusammensetzung des Verfassungsgerichts wird immer erbitterter geführt. Das Büro von Ministerpräsidentin Beata Szydlo blockiert einen Versuch des Gerichts, drei von der Vorgängerregierung benannte Richter im Amt zu halten.

Polen ist ein wichtiges Land

Fakt ist: Polen ist in Europa ein wichtiges Land. Deshalb darf die EU Warschau gegenüber nicht den gleichen Fehler wiederholen wie seinerzeit Ungarn und seinem Präsidenten Victor Orban gegenüber: Glauben, dass die Probleme sich schon von selbst regeln werden, weil man unter Europäern ist. Wenn ein EU-Mitgliedsland gegen Regeln des Rechtsstaates verstößt, muss es entschieden zur Ordnung gerufen werden. Täte man dies nicht, entstünde die Gefahr, dass der gesamte frühere kommunistische Teil der EU in Zentraleuropa sich darin gefällt, eine seltsame Praxis der Demokratie zu entwickeln.

Schon seit Jahren steht die Kaczynskis Drohung im Raum, den „ungarischen Weg“ einzuschlagen. „Der Tag wird kommen, an dem wir es schaffen, wir werden Budapest in Warschau haben.“ Das sagte der konservative Politiker nach der Niederlage seiner Partei für Recht und Gerechtigkeit (PiS) bei der Parlamentswahl 2011. Nun – nach dem Erdrutschsieg der PiS – treibt er das Projekt scheinbar unbeirrbar voran. Dazu versucht er die Einflussnahme auf die Schaltstellen der Macht zu vergrößern.

Keine Zeit verloren

Die neue polnische Regierung verlor keine Zeit: Kaum im Amt, entließ sie die Chefs von vier der fünf Geheimdienste. Der fünfte, der Leiter des Anti-Korruptions-Büros CBA, trat wenige Tage später freiwillig zurück. Duda begnadigte den zu drei Jahren Haft verurteilten einstigen CBA-Chef Mariusz Kaminski – den die neue Regierung umgehend zum neuen Geheimdienstkoordinator ernannte. Auch das Verfassungsgericht besetzte die Regierung Anfang Dezember mit Vertrauensleuten. Duda widersetzte sich einer gerichtlichen Anordnung, drei Verfassungsrichter zu vereidigen, die noch unter der Vorgängerregierung vom Parlament ernannt worden waren, und setzte vier genehme Richter ein. Der Streit darum dauert an.

Doch damit nicht genug: auch die Medien sollen von der Einflussnahme der populistischen katholischen PiS nicht verschont bleiben. Die Partei will die Nachrichtenagentur PAP und den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, die derzeit Aktienunternehmen in Staatsbesitz sind, in nationale Kultureinrichtungen ähnlich der Oper oder der Nationalmuseen umwandeln. Der neue Kulturminister Piotr Glinski hatte angekündigt, die staatlichen Medien sollten „wirklich staatlich“ werden, „mit einer Mission“.

Keine EU-Flagge mehr

Bei den privaten Medien sollen die zurzeit marktbeherrschenden ausländischen Verlage zurückgedrängt werden, indem der Staat deren Anteile zurückkauft. Besonders deutsche Medienkonzerne sind in Polen präsent. Die Reform soll im ersten Halbjahr des kommenden Jahres umgesetzt werden. Der praktizierte Nationalismus der PiS spiegelt sich auch in Details wider: Aus dem Pressesaal der Regierung wurde die Europafahne entfernt. Ministerpräsidentin Szydlo sagte, Polen stehe weiter zu seiner EU-Mitgliedschaft. Aber die Regierung wolle daraus „den größtmöglichen Nutzen für die polnischen Bürger, die polnische Wirtschaft und unser Vaterland ziehen“.

Die Gegner der Willkommenskultur

Viele Länder Osteuropas sind gegen eine verpflichtende Quote für die Aufnahme von Flüchtlingen. Ihre Gründe sind nicht immer einleuchtend.

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„Mutter Merkel“

In den Flüchtlingslagern wird Angela Merkel als „Mutter Merkel“ gefeiert, weil Deutschland Tausende Menschen aufnimmt. Auch EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker fordert Solidarität mit den Notleidenden und will verbindliche Quoten für alle Mitgliedstaaten in der EU. Doch nicht alle unterstützen die aktive „Willkommenskultur“ Deutschlands. Vor allem die osteuropäischen Staaten stemmen sich gegen vehement eine Pflicht zur Aufnahme. Angst ist ein Schlüsselbergriff in ihrer Argumentation.

Angst als Leitfaden

Doch es ist nicht nur die Angst vor dem Fremden –  in vielen Staaten liegt der Ausländeranteil bei nicht einmal einem Prozent. In den noch jungen osteuropäischen Staaten kursiert vor allem die Furcht, die  eigene nationale und kulturelle Identität und Unabhängigkeit  zu verlieren. Zu Zeiten der Sowjetunion wurden nicht nur die Menschen, sondern auch die Länder geknechtet und gleichgeschaltet. Nach dem Fall der Mauer mussten die einzelnen Staaten Osteuropas  als Nationen erst wieder zu sich selbst finden. In der Flüchtlingskrise wird nun offenbar, dass dies den meisten  bis heute noch nicht ganz gelungen ist.

Ungarn am Pranger

Ungarn steht in diesen Tagen besonders im Fokus. Zum einen weigert sich die Regierung beharrlich, eine größere Zahl von Flüchtlingen aufzunehmen und Regierungschef Victor Orban wettert offen gegen die EU. Zum anderen ist das Land – trotz des Baus eines Grenzzauns –  zur Durchgangsstation Richtung in Deutschland und damit zu einem der Brennpunkte der Flüchtlingskrise geworden. Orban fürchtet vor allem, dass die EU dauerhafte Aufnahmequoten beschließen könnte und fordert vor jeder Verteilungsdebatte der EU, zuerst die Außengrenzen dicht zu machen. Die Einwanderung erfülle die Menschen in Ungarn „mit Angst“, sagt der rechtskonservative Politiker mit Hang zum Populismus.

Offensichtlich fürchtet er auch, dass die Wähler noch weiter nach rechts abwandern, zur extremen Jobbik-Partei. Dabei würde nach Junckers Plänen gerade Ungarn profitieren: 54 000 der 120 000 Flüchtlinge sollen aus dem Land auf andere EU-Staaten verteilt werden. Das Argument, dass gerade in Ungarn unter der Stalin-Herrschaft viele Menschen im Westen Zuflucht gefunden hätten, verfängt kaum, da dieses Kapitel der Geschichte des Landes lange verschwiegen wurde und den Ungarn dafür das Bewusstsein fehlt.

Polen gegen Quoten

Polen wehrt sich ebenfalls vehement gegen feste Aufnahmequoten in der Europäischen Union. Ein Grund dafür ist die anstehende Wahl am 25. Oktober. Die von der Abwahl bedrohte Regierungschefin Ewa Kopacz kündigte zwar eine Erhöhung der Aufnahmezahlen an, fordert im selben Atemzug aber, es müsse die „souveräne Entscheidung“ jedes Landes bleiben, wie viele Flüchtlinge es aufnehme. Die Nationalkonservative Oppositionspartei PiS – die in den Umfragen im Moment weit vor der aktuellen Regierungspartei PO liegt –  hat bereits mehrfach erklärt, dass die Flüchtlinge kein „polnisches Problem“ seien. PiS-Spitzenkandidatin Beata Szydło behauptet in einem Radio-Interview sogar, Deutschland wolle Europa erpressen. Die Flüchtlinge wollten nach Deutschland, das sei ein deutsches Problem. Beata Szydło liegt damit auf einer Linie mit Ungarns Premier Orban.  Die differenzierter argumentierenden polnischen Politiker  verweisen darauf, dass bald eine große Anzahl von Ukraine-Flüchtlingen über die Grenze kommen könne, die Zuflucht vor den Kämpfen im Osten ihrer  Heimat suchen.

Harte Haltung der Slowakei

Auch in der Slowakei stehen Parlamentswahlen Anfang kommenden Jahres vor der Tür. Das dürfte die Haltung von Regierungschef Robert Fico bestärken „niemals“ einer Quote zuzustimmen. Auch hier wird darauf hingewiesen, dass das Land keinerlei Erfahrung habe, andere Kulturen zu integrieren. Dasselbe Argument ist auch in Tschechien zu hören. „Die Tschechen haben Angst vor dem Unbekannten“, sagt der Soziologin Yana Leontiyeva von der Prager Wissenschaftsakademie. In einer Umfrage aus dem Juni hätten sich 70 Prozent der Tschechen gegen die Aufnahme von Menschen aus Syrien oder Nordafrika ausgesprochen. Präsident Milos Zeman unterstützt nun eine Petition seines Vorgängers Vaclav Klaus, die Quoten zurückweist und vor „einer künstlichen Vermischung der Nationen, Kulturen und verschiedenen Religionen“ warnt.

Die Balten und ihr „Russen-Problem“

Ähnlich wie die osteuropäischen Nachbarn, zählen auch die baltischen Staaten nicht zu den bevorzugten Zielen der Flüchtlinge. In den vergangenen Monaten wurden in Estland, Lettland und Litauen nur sehr wenige Asylanträge gestellt. Auch hier verweisen Experten auf historische Gründe: Insbesondere in Estland und Lettland spiele die Erinnerung an die sowjetische Besatzung und die Ansiedelung von Russen eine Rolle, sagt Andres Kasekamp vom Institut für Regierungsführung und politische Wissenschaft in Tartu. „Esten und Letten haben massenhafte Einwanderung erlebt, die sie fast zu Minderheiten im eigenen Land gemacht haben.“ Eine Verteilung kann aus Sicht der Balten-Staaten nur auf freiwilliger Basis erfolgen.