Mit der Drohne zu Gast beim russischen Premier

Die Russen müssen sparen. Die Menschen bekommen inzwischen die schlechte wirtschaftliche Lage immer deutlicher zu spüren. Das gilt aber nicht für alle Russen. Ein Drohnen-Flug über das Haus von Premierminister Dimitri Medwedew lässt ahnen, wo manche Summe geblieben ist. Veröffentlicht wurde das beeindruckende Video mit dem Titel „Секретная дача Дмитрия Медведева“ von Alexej Nawalny. Der Aktivist rät seinen Mitbürgern, sich vor der Parlamentswahl das Video einmal ganz genau anzusehen. 

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Das Lewada-Institut vor dem Ende?

Auf Druck der Behörden hat Russlands einziges unabhängiges Meinungsforschungsinstitut, das Lewada-Zentrum, seine Arbeit ausgesetzt.

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Das Lewada-Institut in Moskau

Die Aktivitäten eingestellt

Nach der Einstufung seines Instituts als „ausländischer Agent“ durch die russischen Behörden sei die Fortsetzung der Arbeit „praktisch unmöglich“, sagte Lewada-Direktor Lew Gudkow der Nachrichtenagentur Ria Nowosti. Zwar sei das Institut noch nicht endgültig geschlossen, „aber man kann sagen, dass die Aktivitäten eingestellt sind“, sagte Gudkow. Der Institutsdirektor kündigte Berufung gegen die behördliche Entscheidung an, die das Justizministerium am Montag bekannt gegeben hatte.

 

 

In Russland werden politisch aktive Organisationen, die ganz oder teilweise aus dem Ausland finanziert werden, seit 2012 per Gesetz gezwungen, sich als „ausländische Agenten“ registrieren zu lassen. Das erschwert ihre Arbeit erheblich. Im Mai 2015 trat ein weiteres Gesetz in Kraft, wonach ausländische Nichtregierungsorganisationen (NGOs) als „unerwünscht“ erklärt werden können.

Finanzierung aus dem Ausland

Die Finanzierung aus dem Ausland ist auch beim Lewada-Institut der Knackpunkt. Nach Angaben des Ministeriums hat Lewada den Löwenanteil seiner Auslandsmittel von der US-Universität Wisconsin erhalten, die ihrerseits vom Pentagon in Washington Geld bekommen haben soll. Der Zeitung „RBK“ zufolge betrugen die Zahlungen 107 000 US-Dollar (95 000 Euro) im Jahr 2014. In den vergangenen zwei Jahren soll Lewada demnach zudem rund 50 000 Euro aus dem Ausland verbucht haben.

„Wir erhalten Geld aus dem Ausland, aber das sind kommerzielle Aufträge und keine Fördergelder, die das Justizministerium als politisch einstuft“, räumt Gudkow ein. „Andere Einkünfte haben wir nicht.“ Mit dem Erlös finanziere Lewada seine eigenen Erhebungen über die politische und soziale Stimmung in Russland.

 

Schon viele NGOs kaltgestellt

Mehr als hundert Organisationen wurden in Russland bereits als „ausländische Agenten“ eingestuft, darunter zahlreiche NGOs, die sich für den Schutz der Menschenrechte einsetzen. Mehrere Organisationen mussten ihre Arbeit einstellen, andere kämpfen aufgrund von Strafzahlungen mit finanziellen Problemen.

Das Lewada-Zentrum wurde 2003 von Juri Lewada gegründet. Der 2006 verstorbene Soziologe hatte zuvor als Direktor des Umfrageinstituts Wziom gearbeitet. Als die russische Regierung diese Einrichtung unter staatliche Kontrolle stellen wollte, schuf Lewada das nach ihm benannte Institut.

Wird auf der Krim ein Krieg vorbereitet?

Was geht da ab auf der Krim. Vergleiche mit den Vorbereitungen Deutschlands zum Überfall auf Polen machen schon die Runde. Klar scheint im Moment nur, dass es in der Nacht von Samstag auf Sonntag wohl einen Zwischenfall an der Grenze gegeben hat. Russlands Geheimdienst FSB erklärt, er habe ukrainische Anschläge auf der annektierten Halbinsel Krim verhindert. Der ukrainische Präsident sagt, das sei Unsinn und spricht von einer russischen Provokation. Beunruhigend ist allerdings, dass Russland Präsident Putin dem Nachbarland mit Gegenmaßnahmen gedroht hat – also doch die Vorbereitung auf einen Krieg?

16.08.11-Putin-Ukraine

Putin erklärte nach dem Zwischenfall auf der Krim, dass es sinnlos sei, beim kommenden G-20-Gifpel im „Normandie-Format“ über den Konflikt zu sprchen.

Putin meldet sich zu Wort

Die Nachrichten, die über den Ticker von Intefax laufen, sind beunruhigen: „Allem Anschein nach sind die Leute, anstatt nach Wegen einer friedlichen Lösung zu suchen, zur Praxis des Terrors übergegangen“, sagte Putin der Agentur zufolge in Moskau. „Wir können so etwas nicht einfach durchgehen lassen.“ Der Präsident verwies zugleich auf einen kürzlich missglückten Anschlag auf den Separatistenchef von Luhansk, Igor Plotnizki.

Nach dem Vorfall kündigte Putin auch eine zusätzliche Ausweitung der russischen Militärpräsenz auf der Halbinsel Krim an. Die zusätzlichen russischen Sicherheitsmaßnahmen auf der annektierten ukrainischen Halbinsel sollten „zu Lande, im Wasser und in der Luft“ umgesetzt werden, hieß es in einer vom Kreml veröffentlichten Erklärung von Präsident Wladimir Putin nach einer Sitzung des Nationalen Sicherheitsrates. Ziel der „antiterroristischen“ Maßnahmen sei es, „die Sicherheit der Bürger und der wichtigen Infrastruktur“ auf der Krim zu garantieren.

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Poroschenko meldet sich zu Wort

Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko bezeichnete die Anschuldigungen des Kremls als haltlos. „Gerade Russland unterstützt und finanziert bereits seit langem großzügig den Terrorismus auf dem Gebiet der Ukraine“, sagte er einer Mitteilung zufolge. Nach diesen Worten versetzte er die Soldaten an der Grenze in Alarmbereitschaft.

Der FSB meldet sich zu Wort

Vorher hatte der russische FSB mitgeteilt, bei drei bewaffneten Zusammenstößen mit eingedrungenen Saboteuren auf der Krim seien ein FSB-Mitarbeiter und ein Soldat getötet worden. Mehrere ukrainische und russische Staatsbürger seien festgenommen worden. Bei ihnen seien Sprengstoff gefunden worden. Ein Verdächtiger arbeite für den ukrainischen Militärgeheimdienst.

Das Verteidigungsministerium in Kiew wies jede Beteiligung an den angeblichen Vorfällen zurück. Moskauer Vorwürfe seien haltlos, dass die Krim vom ukrainischen Festland aus beschossen worden sei. Unabhängige Berichte zu den angeblichen Vorfällen gab es nicht.

Seit über zwei Jahren bekämpfen sich in der Ostukraine Separatisten, die von Moskau mit Waffen und Soldaten unterstützt werden, und ukrainische Regierungstruppen. Bei den Kämpfen sind bereits etwa 10 000 Menschen getötet worden.

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Immer wieder wird im Zusammenhang mit den Vorgängen aus der Krim eine Verbindung zu Gleiwitz gezogen. Was damals passierte, erzählt der SS-Mann Alfred Naujocks.  Dokumentiert ist es im NS-Archiv. Dort findet sich auch die gesamte Aussage:

 

"Ungefähr am l0. August 1939 befahl mir Heydrich, der Chef der
Sipo und des SD, persönlich, einen Anschlag auf die Radiostation
bei Gleiwitz in der Nähe der polnischen Grenze vorzutäuschen und
es so erscheinen zu lassen, als wären Polen die Angreifer
gewesen. Heydrich sagte: "Ein tatsächlicher Beweis für polnische
Übergriffe ist für die Auslandspresse und für die deutsche
Propaganda nötig." Mir wurde befohlen, mit 5 oder 6 anderen SD-
Männern nach Gleiwitz zu fahren, bis ich das Schlüsselwort von
Heydrich erhielt, daß der Anschlag zu unternehmen sei. Mein
Befehl lautete, mich der Radiostation zu bemächtigen und sie so
lange zu halten, als nötig ist, um einem polnisch sprechenden
Deutschen die Möglichkeit zu geben, eine polnische Ansprache über
das Radio zu halten. Dieser polnisch sprechende Deutsche wurde
mir zur Verfügung gestellt. Heydrich sagte, daß es in der Rede
heißen solle, daß die Zeit für eine Auseinandersetzung zwischen
Polen und Deutschen gekommen sei und daß die Polen sich
zusammentun und jeden Deutschen, der ihnen Widerstand leistet,
niederschlagen sollten. Heydrich sagte mir damals auch, daß er
Deutschlands Angriff auf Polen in wenigen Tagen erwartete."

 

Hier ist noch die Aussage der Zeitzeugin Erna Hartkopf:

Bildhauer Neiswestny ist tot

Der bedeutende russische Bildhauer Ernst Neiswestny, Schöpfer zahlreicher Monumentalskulpturen, ist tot. Er starb mit 90 Jahren am Dienstag in New York, wie russische Medien am Mittwoch berichteten. 

Ïðåçèäåíò ÐÔ Âëàäèìèð Ïóòèí âðó÷èë îðäåí Ïî÷åòà èçâåñòíîìó ðóññêîìó ñêóëüïòóðó Ýðíñòó Íåèçâåñòíîìó.

Putin überreicht dem Künstler einen Orden (Foto: Kreml)

Gigantische Skultpuren

Krieg und Leiden, aber auch Lebensfreude – diesen Themen widmete Neiswestny seine großen, oft aus menschlichen Gesichtern gebildeten Skulpturen. Seit 1996 erinnert eine 15 Meter hohe „Maske der Trauer“ in der Häftlingsstadt Magadan an die Opfer sowjetischer Repression. Andere Werke stehen im ehemaligen deutschen Konzentrationslager Auschwitz, bei den Vereinten Nationen in Genf oder im Vatikan. Neiswestny habe in seinen Werken „der Kraft und Unzerstörbarkeit des menschlichen Geistes Ausdruck verliehen“, sagte Kulturminister Wladimir Medinski nach Angaben der Agentur Tass als Reaktion auf den Tod des Künstlers.

Kein Freund Chrustschows

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Maske der Trauer

Der unangepasste Avantgardekünstler wurde 1926 in Swerdlowsk (heute wieder Jekaterinburg) geboren. 1962 lieferte er sich mutig einen Streit mit dem damaligen sowjetischen Parteichef Nikita Chruschtschow. Der Bildhauer forderte Freiheit von der herrschenden Kunstrichtung des Sozialistischen Realismus. Chruschtschow nannte Nieswestnys Skulpturen Schund. „Warum verzerrst Du die Gesichter der sowjetischen Menschen“, fragte er.

Trotzdem wünschte sich Chruschtschow später ein Grabmal aus der Hand Neiswestnys. Der Künstler schuf eine eindrucksvolle Büste, umrahmt von weißem und schwarzem Marmor – Symbol der guten und schlechten Seiten des Sowjetpolitikers. Aus der Sowjetunion emigrierte Neiswestny 1976 zunächst in die Schweiz und später in die USA. Die letzten Jahrzehnte lebte und arbeitete er vor allem in New York.

Hier geht es zu einem ausführlichen Lebenslauf, veröffentlicht anlässlich seines 90. Geburtstages

Und wer noch einige Meisterwerke des Künstlers ansehen möchte. Die Agentur TASS hat einige Bilder zusammengestellt : Скульптуры мастера: лучшие работы Эрнста Неизвестного

Wieder allerbeste Freunde

Wenn der Druck groß genug ist, beweisen Autokraten eine erstaunliche Flexibilität. Nur deshalb konnten Recep Tayyip Erdogan und Wladimir Putin ihren erbitterten Streit in St. Petersburg vergessen lassen. Die Inszenierung war derart perfekt, dass das Treffen im Westen sogar die Sorge über eine mögliche Neuorientierung der Türkei auslöst.

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So sehen Freunde aus!

Die Frage der Energieversorgung ist wichtig

Die Absichten Putins liegen auf der Hand. Für den Kreml hat die Türkei energiepolitisch strategische Bedeutung – da kann der der russische Präsident über den Abschuss eines Kampfflugzeuges über Syrien durch die Türkei hinwegsehen. Gesprochen wurde offensichtlich vor allem über das Projekt Turkish Stream zum Transit von russischem Erdgas durch das Schwarze Meer via Türkei nach Südeuropa. Hier sagte Erdogan in St. Petersburg, Turkish Stream solle rasch gebaut werden. Ein milliardenschweres Vorhaben ist zudem das Atomkraftwerk Akkuyu, das Russland in der Türkei baut.

 

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Eine Tass-Grafik zeigt den Verlauf der Pipelines

 

Während des Gespräches wurde schnell klar, dass deutlich kleinere Brötchen gebacken werden, als angekündigt. Im Vorfeld hieß es, Putin wolle der Türkei die von Russland dominierte Eurasische Wirtschaftsunion schmackhaft machen. Zumindest vor laufenden Kameras war davon nichts zu hören.

Putin ist der Chef im Ring

Deutlich wurde auch, dass Putin auf keinen Fall gewillt ist, Erdogan als gleichberechtigten Partner zu sehen. Die Schmeicheleien des türkischen Präsidenten an seinen „geschätzten Freund“ Wladimir erwiderte Putin in St. Petersburg nicht. Der Kremlchef kann sich auf jeden Fall als Sieger in dem Streit mit Erdogan fühlen. „Der Kreml nimmt Erdogans Gesprächsangebot aus der Position des Stärkeren an“, sagt der Außenpolitikexperte Wladimir Frolow. Auch wenn Ankara darauf beharrt, dass Erdogan sich bei den Angehörigen des russischen Piloten, nicht aber beim Kreml entschuldigte für den Abschuss des Kampfjets: Um Verzeihung bat der Präsident doch. Für Erdogan ein seltener Schritt – und ein Indiz für den Druck, unter dem er steht.

Keine Wende im Syrien-Konflikt

Auch ist nach dem Treffen nicht davon auszugehen, dass es nun zu einer Wende im Syrien-Konflikt kommt. Weder Russland noch die Türkei lassen Anzeichen erkennen, dass sie von ihrer Haltung abweichen könnten. Zwar sagt Erdogans Sprecher Ibrahim Kalin vor der Reise des Präsidenten: „In Zusammenarbeit mit Russland würden wir gerne so bald wie möglich einen politischen Übergang in Syrien ermöglichen.“ Kalin macht aber auch klar, dass das aus Sicht Ankaras nur mit der Ablösung des Regimes geschehen kann. Moskau hält zwar nicht um jeden Preis an Assad fest, will aber nur eine prorussische Regierung in Damaskus zulassen. Seine Machtposition – und auch seine Militärbasen – in Syrien will Russland um keinen Preis aufgeben.

Klares Signal an die EU

Die Reise ist natürlich auch ein klares Signal an die EU. Zum einen hofft Moskau mit einer Annäherung an Ankara, einen Keil zwischen die Türkei und den Westen treiben zu können. Zum anderen signalisiert Erdogan der EU, dass er andere mächtige Partner hat. Das dürfte ihm auch deswegen gelegen kommen, weil die Beziehungen zur EU seit dem Putschversuch noch schlechter geworden sind.

Hier sind noch Reaktionen russischer Politiker auf die neu eingeleitete Ära (russisch):

Реакция российских парламентариев на итоги переговоров Путина и Эрдогана

 

Das Treffen war natürlich ein gefundenes Fressen für die Satiriker – zumal bekannt ist, dass weder Putin noch Erdogan mit dieser Form der Kritik wirklich umgehen können. Hier der Tweet der „heute show“ zu der Versöhnungsshow in St. Peterburg.

 

 

Pawel Scheremet durch Bombe getötet

Wieder ist in der Ukraine ein Journalist ermordet worden.  Bei einem Anschlag mit einer Autobombe ist Pawel Scheremet gestorben. Der Sprengsatz im Wagen des 44-Jährigen explodierte am Mittwoch im Zentrum der Hauptstadt Kiew, als der gebürtige Weißrusse zur Arbeit fahren wollte.

16.07.20-scheremet

Ein „schockierender Verbrechen“

Natürlich sind alle entsetzt – und versuchen den Tod Scheremets für ihre Sache zu instrumentalisieren. Generalstaatsanwalt Juri Luzenko kritisierte den Mord als Versuch, das vom Krieg gegen prorussische Separatisten erschütterte Land weiter zu destabilisieren. Der Kiewer Bürgermeister Vitali Klitschko sprach von einer „barbarischen Tat“. Die Täter müssten zur Rechenschaft gezogen werden, forderte Präsident Petro Poroschenko. Er bezeichnete den Mord an dem bekannten Redakteur als „schockierendes Verbrechen“. Russland forderte mit Nachdruck eine lückenlose Aufklärung des Mordes an Scheremet, der einen russischen Pass besaß. Kremlkritische Journalisten in Moskau würdigten den Toten als mutigen Kämpfer für die Wahrheit.

Scheremet ein Freund von Nemzow

Pawel Scheremet hatte viele Feinde. Er war ein Freund des russischen Oppositionspolitiker Boris Nemzow, er schritt an der Spitze des Trauermarsches bei dessen Beerdigung. Die Spekulationen schießen ins Kraut. Russische Medien bezweifeln, dass der Mord auf das Konto des Kremls geht. Die Zeitung „Kommersant“ verwies auf ein Treffen der Führung der Zeitung „Ukrainskaja Prawda“ mit dem russischen Oligarchen Konstantin Grigorischin. Ultranationalistische Ukrainer könnten dies als Verrat empfunden haben und sich gerächt haben. Die russische Agentur RIA Novosti verwies darauf, das Scheremet nicht nur Putin, sondern auch Poroschenko kritisiert hatte.

Scheremet nicht das erste Opfer

Oder sollte der Anschlag jemanden ganz anderen treffen? Der Wagen, in dem Pawel Scheremet starb, gehörte der Chefin des bekannten Nachrichtenportals „Ukrainskaja Prawda“ (UP), Aljona Pritula. Auch ist er nicht das erste Opfer. Erst vor einem Jahr war der regierungskritische Journalist Oles Busina in Kiew erschossen worden.

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Die Organisation Reporter ohne Grenzen befürchtet offenbar, dass der Anschlag nicht aufgeklärt wird. „Der Mord an Pawel Scheremet darf kein weiteres Beispiel für Straflosigkeit werden – das wäre Gift für die Pressefreiheit in der Ukraine“, sagt ROG-Geschäftsführer Christian Mihr.

Hier der Link zur Reaktion von Reporter ohne Grenzen auf den Mord.

Zugleich erinnerte Christian Mihr an die Ermordung des Gründers der Nachrichtenwebseite Ukrainskaja Prawda, Georgij Gongadse, im Jahr 2000, deren Hintermänner bis heute ungeklärt sind.

Nachtrag:

 

16.07.22-kiew-beerdigung

Kollegen und Freunde verabschieden sich am Freitag von Pawel Scheremet.

Neustart in St. Petersburg

Das Verhältnis zwischen Deutschland und Russland steckt in der Krise. Nun will man wieder enger zusammenarbeiten, ohne allerdings ihre Meinungsunterschiede auszublenden. Der aktuell stattfindende „Petersburger Dialog“ könnte ein guter Einstieg sein. Vor allzu großen Erwartungen sei allerdings gewarnt.

16.07.15-Peterburger Dialog

Sieht nicht gerade spannend aus, ist aber eine interessante Veranstaltung – der Peterburger Dialog 2016

Über die brisanten Themen lange geschwiegen

Der „Petersburger Dialog“ war im Grunde tot. In den 15 Jahren seines Bestehens war er zu einer Folkloreveranstaltung zwischen Deutschland und Russland verkommen. Wichtige und brisante Themen wurden tunlichst ausgeschwiegen oder bis zur Unkenntlichkeit verklausuliert diskutiert. Diese Konfliktscheu kam vor allem der russischen Seite entgegen, denn dort bestand allenfalls in der Anfangsphase das Interesse, die kritischen Stimmen im eigenen Land zu Wort kommen zu lassen. Die Deutschen haben das über Jahre akzeptiert.

Grundlegende Reformen

Nun also der Neuanfang. So bitter es klingt: die Denkpause nach dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine hat dem „Petersburger Dialog“ offensichtlich gut getan. Zumindest auf deutscher Seite wurde das Format grundsätzlich reformiert. Der exklusive Club wurde grundsätzlich umgekrempelt von deutscher Seite um eine ganze Reihe von russlanderfahrenen und unabhängigen Nichtregierungsorganisationen erweitert. Nun sitzen etwa die für Russland eher unbequemen Vertreter von Anmesty International oder Greenpeace mit am Tisch. Auch im Vorstand des „Petersburger Dialogs“ sind die Reformkräfte vertreten und mit Ronald Pofalla wurde ein neuer Vorsitzender installiert, der sich nicht scheut, auch die schwierigen Fragen anzusprechen.

Das ist wichtig, denn das offizielle Russland ist zu einem schwierigen Gesprächspartner geworden. Internationale Selbstisolation, militärische Aggression gegenüber europäischen Nachbarstaaten wie die Ukraine oder Georgien und systematische Unterdrückung kritischer Kräfte im eigenen Land machen den Dialog mit dem Kreml äußerst schwer. Aber gerade deshalb ist es wichtig, dass Deutschland und Russland im Gespräch bleiben.

Kein Kuschelkurs mit Russland

Das hat auch Roland Pofalla bei dem aktuellen Treffen in St. Peterburg unterstrichen. Es gebe keine Alternative zum Gespräch, lautet sein Kredo gleich zu Beginn der Veranstaltung  – aber der deutsche Verhandlungsführer machte im selben Atemzug deutlich, dass das er keinen Kuschelkurs einschlagen will. Pofalla kritisierte die russische Einverleibung der Krim als völkerrechtswidrig und prangerte auch Moskaus Unterstützung für Separatisten in der Ostukraine an.

Auch ein weiteres brisantes Thema wurde angesprochen. Vertreter der russischen Zivilgesellschaft klagten in St. Petersburg über Repressionen vonseiten der Führung in Moskau. Sie äußerten unter Kritik an einem Gesetz, demzufolge sich Nichtregierungsorganisationen mit Zuschüssen aus dem Ausland selbst als „ausländische Agenten“ bezeichnen müssen.

Erstaunte Russen

Die russische Seite muss sich wohl erst an diese neue Offenheit gewöhnen. Deren Delegationsleiter Viktor Subkow sagte zur Kritik lediglich, die russischen Gesetze seien derzeit eben so. Eine solche Haltung ist an Zynismus und Gleichgültigkeit wohl kaum zu überbieten.

Diese Reaktion zeigt, dass bei der Verständigung zwischen Deutschen und Russen nicht allein auf den „Petersburger Dialog“ gesetzt werden darf.  Auf russischer Seite sitzen noch immer vorwiegend kremltreue Vertreter oder sogar direkte Freunde des Präsidenten Wladimir Putin. Unabhängige Geister oder kritische Medienvertreter sucht man vergebens. Aus diesem Grund ist es auch praktisch ausgeschlossen, dass der „Petersburger Dialog“ in die russische Gesellschaft ausstrahlt. Ziel muss es sein, abseits dieses offiziellen Forums auch andere Gesprächskanäle zu finden, um die normalen Menschen in Russland erreichen. Dieses Ziel ist umso wichtiger, da die Propaganda des Kremls täglich auf das Volk niederprasselt. Eine unabhängige Diskussion gesellschaftlich relevanter Themen ist unter diesen Umständen kaum mehr möglich.

Zu lange die Augen verschlossen

Zu lange hat Europa die Wichtigkeit der Zivilgesellschaft in Russland für die Entwicklung der Demokratie unterschätzt. Zu fixiert war man in Brüssel und auch Berlin auf die Repräsentanten des Kremls – der „Petersburger Dialog“ war ein gutes Beispiel für diese Arbeitsweise. Unter Schmerzen wurde das Forum auf deutscher Seite reformiert und vom alten Ballast befreit. Das Gespräch wird nun offener und ehrlicher geführt werden. Auch darin könnte der „Petersburger Dialog“ zum Vorbild werden.

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Eine Chronologie:

Das deutsch-russische Diskussionsforum „Petersburger Dialog“ erlebte in 15 Jahren einige Höhen und Tiefen. Eine Auswahl:

April 2001: Der erste „Petersburger Dialog“ trägt unter Leitung der Gründer Gerhard Schröder (SPD) und Wladimir Putin das Motto „Russland und Deutschland an der Schwelle des 21. Jahrhunderts – Ein Blick in die Zukunft“. Die Oper der Newa-Metropole spielt als kulturellen Höhepunkt Richard Wagners „Rheingold“ in deutscher Sprache.

April 2002: Der zweite „Petersburger Dialog“ findet in Weimar statt. Ein halbes Jahr nach den Terroranschlägen in den USA heißt das Motto „Deutschland und Russland in einer sich neu ordnenden Welt“. Einer der Organisatoren ist Friedensnobelpreisträger Michail Gorbatschow.

Oktober 2006: Am „Petersburger Dialog“ in Dresden nimmt für die Bundesregierung erstmals die gerade gewählte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) teil. Pikant: Putin kehrt als Kremlchef in die Stadt zurück, in der er zu DDR-Zeiten für den sowjetischen Geheimdienst KGB arbeitete.

September 2008: Der „Petersburger Dialog“ in St. Petersburg ist vom Krieg zwischen Russland und Georgien im August überschattet. Für die Führung in Moskau nimmt der neue Präsident Dmitri Medwedew teil.

Juli 2011: Zum zehnjährigen Jubiläum findet der „Petersburger Dialog“ erstmals in zwei Städten statt: in Wolfsburg und Hannover.

Oktober 2014: Kurz vor dem „Petersburger Dialog“ in Sotschi sagen beide Seiten die Veranstaltung ab. Grund ist Russlands Vorgehen in der Ukraine und die massive Kritik des Westens daran.

Oktober 2015: Unter dem Motto „Modernisierung als Chance für ein gemeinsames europäisches Haus“ tagt der personell reformierte „Petersburger Dialog“ in Potsdam. Es ist ein Versuch der Annäherung.

Juli 2016: In weiterhin schwierigen Zeiten nutzen Deutsche und Russen den „Petersburger Dialog“ als Gesprächskanal. Im Jubiläumsjahrgang in St. Petersburg leitet Ronald Pofalla die deutsche Delegation. Der Ex-Kanzleramtschef hatte Lothar de Maizière 2015 abgelöst.

 

Ljudmila Alexejewa – eine kämpferische Dame

Ljudmila Alexejewa polarisiert. Viele Russen verachten sie als Verräterin. Manche aber verehren die 88-Jährige als Kämpferin für die Demokratie in Russland. Im Ausland gilt Ljudmila Alexejewa als Ikone der Bügerrechtsbewegung – weshalb sie nun vom Bundespräsidenten Joachim Gauck empfangen wird. Das ist ein deutliches Zeichen, inmitten der schwersten Ost-West-Krise seit dem Kalten Krieg.

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Nach fast dreijähriger Pause wird Ljudmila Alexejawa wieder Mitglied des Menschenrechtsrates in Russland

Eine wortstarke Frau

Schweigen ist ihre Sache nicht. Immer wieder schaltet sich die 88-jährige Leiterin der Moskauer Helsinki-Gruppe wortstark in aktuelle Diskussionen ein – sei es über den Konflikt in der Ukraine oder über die Beschränkung von Nichtregierungsorganisationen (NGOs). Zumindest im Ausland wird ihr Einsatz gewürdigt. 2009 erhielt sie das Große Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland als „herausragende moralische Autorität“, den Sacharow-Preis des EU-Parlaments oder auch den Václav-Havel-Menschenrechtspreis.

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Geboren wurde Ljudmila Alexejewa am 20. Juli 1927 in Jewpatorija auf der Schwarzmeerhalbinsel Krim, die sich Russland 2014 gegen internationalen Protest und den Widerstand der Ukraine nach einem Referendum einverleibt hatte. Während zahlreiche Russen die Annexion als „Wiedervereinigung“ begrüßen, verurteilt die Menschenrechtlerin den Schritt. Sie sei erschüttert, dass der Bruch des Völkerrechts vielen Landsleuten egal sei, sagte sie einmal im Interview. „Ich habe 2007 gesagt, in zehn Jahren werde Russland eine Demokratie sein. Es wird länger dauern.“

Im Visier des KGB

Als Initialzündung für ihr politisches Handeln nennt die Grande Dame der russischen Menschenrechtsbewegung die Entstalinisierung in der Sowjetunion der 1950er Jahre. Die schonungslosen Schilderungen der Gräuel in den Arbeitslagern (Gulag) unter dem Diktator Josef Stalin (1878-1953) hätten sie und viele andere schockiert, sagt Alexejewa. Die damalige Geschichtslehrerin traf immer öfter mit Dissidenten zusammen und geriet in Moskau ins Visier des berüchtigten Geheimdienstes KGB.

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Es folgten Hausdurchsuchungen, Berufsverbot und schließlich 1977 die Ausbürgerung, weil sie angeblich als Agentin ihrem Land schade. Nach Jahren im US-Exil kehrte sie 1993 nach Moskau zurück. Ihren Sitz im Menschenrechtsrat des Präsidenten Wladimir Putin gab die aufrechte Dame 2012 aus Protest gegen demokratische Rückschritte ab. Die Zusammenarbeit hat sie mittlerweile wieder aufgenommen. „Man kann als Mitglied mehr für die Bürgerrechte tun“, begründet sie den Schritt.

Kritik am Westen

Dem Westen wirft Alexejewa vor, sich nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 nicht genug um Russland gekümmert zu haben. „Es hätte Gelegenheiten gegeben, uns klarer zu zeigen: Wir erkennen euch als europäisches Volk an“, sagte sie einmal.

In Russland nimmt die Repression der liberalen Opposition durch die Staatsmacht wieder zu. Grund ist wohl auch die Parlamentswahl Mitte September. Ljudmila Alexejewa gibt sich aber kämpferisch: „Die sowjetische Machtführung hat uns Angst und Schrecken eingejagt, aber wo ist sie jetzt? Wir arbeiten weiter!“

Hier noch ein Lesetip aus der Süddeutschen Zeitung. Alexejawa über Russland und sein imperiales Gehabe.

 

Kalter Krieg im Metro-Tunnel

Dmitry Glukhovsky beschreibt in „Metro 2035“ die Apokalypse. Das heutige Russland schimmert in den Roman an vielen Stellen durch.

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Dmitry Glukhovsky in der Metro in Moskau

Das leben nach dem Atomkrieg

Im Jahr 2035 herrscht ewige Dunkelheit. Einige Tausend Menschen haben einen Atomkrieg überlebt und konnten sich ins gigantische Netz der Moskauer U-Bahn retten. Dort vegetieren sie, tief unter der Erde, und gleichen eher den Toten als den Lebenden. Niemand will hinauf ans Licht, die Welt, wie wir sie kennen, ist verschwunden. Dmitry Glukhovsky beschreibt in seinem neuen Buch „Metro 2035“ die Apokalypse. Doch auch in ihrem feuchten und stinkenden Verlies haben die Menschen nichts aus der zerstörerischen Vergangenheit gelernt, sie raufen sich nicht zusammen. Immer wieder brechen ideologische Konflikte aus. Zwischen den einzelnen Metrostationen, in denen sich die Menschen eingerichtet haben, herrscht Neid und Missgunst.

Wie schon in den Vorgängerwerken „Metro 2033“ und „Metro 2034“ des russischen Autors macht sich der junge Artjom Tschorny auf die Suche nach der Wahrheit: Gibt es Leben jenseits der geschlossenen Luken? Wer regiert die Metro wirklich? Glukhovsky schildert die Irrfahrt eines modernen Odysseus. Mit „Metro 2033“ traf Glukhovsky 2008 den Nerv der jungen Generation. Das Buch verkaufte sich über eine Million Mal und wurde in Dutzende Sprachen übersetzt. Die Filmrechte sicherte sich Hollywood.

Die Wahl zwischen Freiheit und Unfreiheit

Das neue Werk von Dmitry Glukhovsky spielt zwar im Moskau der Zukunft, aber das Russland von heute schimmert deutlich durch. „Ich wollte die Wahl zwischen Freiheit und Unfreiheit aufzeigen – und wie gerne Menschen primitive, aber wohlklingende Lügen glauben“, sagt Glukhovsky bei einem kurzen Stopp in Stuttgart über sein Buch. Wenige Monate vor der Parlamentswahl in Russland liest sich der 784-Seiten-Wälzer teilweise wie eine Gebrauchsanleitung für das Reich von Präsident Wladimir Putin.
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Der regierungskritische Autor weist solche Parallelen natürlich nicht zurück. „Das Buch ist ein Versuch, den Leser den Puls der Russen fühlen zu lassen“, sagt der 36-Jährige. „Es war die richtige Zeit, eine dunkle Version von dem zu zeigen, was wir in Wirklichkeit sind.“ Dabei beobachtet der gelernte Journalist, der als Fernsehreporter auch in Krisengebieten gearbeitet hat, die Gesellschaft sehr genau und weiß: „Wir sind unsere eigene schlimmste Bedrohung: unsere Paranoia, unsere Aggression, unser unkontrollierbarer Zorn. Wenn die Menschheit jemals zerstört werden sollte, so wird es gewiss der Mensch selbst sein, der ihr den Todesstoß gibt.“

Die revolutionäre Energie ist verschwunden

Aus Dmitry Glukhovsky spricht auch die persönliche Enttäuschung über die Entwicklung in seiner Heimat. „Die Massenproteste gegen Putin im Jahr 2011/12 haben mich und mein Denken geprägt“, sagt der Autor. Die revolutionäre Energie habe sich in Rauch aufgelöst, und Putin sei es gelungen, alle zu übertölpeln. Er habe damals einige kleine Konzessionen gemacht, aber anstatt in die Zukunft zu marschieren, mit Reformen und neuen Ideen, drehe sich Russland heute mit unvorstellbarer Geschwindigkeit wieder in Richtung Vergangenheit, indem Putin das alte Imperium neu aufbaue. „Der hysterische Applaus nach dem Anschluss der Krim demonstriert die ganze Sucht vieler Russen nach Größe und Anerkennung.“ Das Gefühl, vom Westen nicht genug respektiert zu werden, sei der größte Komplex Russlands. „Nicht zufällig sagt jemand im Buch: ‚Außerhalb der Metro würden wir aufhören, ein Volk zu sein. Wir wären keine große Nation mehr.‘“ Dmitry Glukhovsky glaubt, dass Russland in einer Art ideologischem Vakuum lebt. „Unsere Führungsschicht ist seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion vor allem damit beschäftigt, Geld zu stehlen und zu horten“, erklärt der Autor. „Uns hat niemand erklärt, wer wir sind, wohin wir gehen, woher wir kommen.“ Das Volk habe nichts, woran es glauben könne. Dieses Vakuum sei in den ersten Jahren nach dem Ende des Kommunismus von der Konsumkultur überdeckt worden. Glukhovsky: „Aber daran kann man nicht ewig glauben. Dann kam Putin und hat uns dieses Imperium-Projekt gebracht.“

Ein ideolgisches Vakuum

Zu diesem Projekt gehört auch ein Feind: der Westen. Putin habe es geschafft, mit seiner hämmernden Propaganda­maschine das Volk davon zu überzeugen, dass Russland von Feinden umzingelt sei, sagt Dmitry Glukhovsky. „Dass man uns in Stücke reißen, okkupieren, kolonisieren, unser wertvolles Öl und unser geliebtes Gas aussaugen will. Uns fressen und verdauen will. Uns zerschlagen und über dem Kreml das Sternenbanner hissen will.“

Mit sichtlichem Erstaunen nimmt es der Autor zur Kenntnis, dass er seine kaum verhohlene Kritik am System Putin in Russland überhaupt noch publizieren darf. „Ich glaube, die Literatur ist die letzte Bastion der Freiheit in Russland“, sagt Dmitry Glukhovsky. Diese Freiheit will er so lange wie möglich nutzen.

Dmitry Glukhovsky: Metro 2035. Roman. Aus dem Russischen übersetzt von M. David Drevs. Heyne Verlag. 784 Seiten,  14,99 Euro.

Zhanna Nemzowa mit eigener Sendung

Die Deutsche Welle  bietet eine neue wöchentliche Sendung im russischen Fernsehangebot. Unter der Überschrift „Nemtsova.Interview“ spricht die Journalistin Zhanna Nemzowa, Tochter des 2015 ermordeten russischen Oppositionspolitikers Boris Nemzow, mit Persönlichkeiten aus Politik und Kultur, die einen engen Bezug zu Russland haben, wie die DW mitteilte.

 

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Der erste Gast ist Boris Akunin

Talkgast der ersten Ausgabe, die am Dienstagabend auf der Internetseite dw.com/nemtsova ausgestrahlt werden sollte, war der russische Schriftsteller und Putin-Kritiker Boris Akunin. Hier geht es zur Mitteilung der DW.

Der seit 2014 in London lebende Autor, dessen realer Name Grigori Tschchartischwili lautet, erläuterte im Interview der Deutschen Welle die Gründe für sein Leben im Exil: „Ich bin fest davon überzeugt, dass die aktuellen politischen Machthaber mein Heimatland in den Untergang führen, deswegen betrachte ich sie als meine Feinde.“ Akunin sagte weiter:

 

„In Russland hat sich alles verändert nach den Ereignissen in der Ukraine im Jahr 2014. Wladimir Putin hat eine Entscheidung getroffen, die man nicht rückgängig machen kann. Für Russlands Position in der Welt bedeutet das eine zunehmende Isolation des Landes, und in Russland bedeutet das für ihn Regieren auf Lebenszeit. Ein Rücktritt ist unmöglich.“

 

In früheren Interviews hatte Akunin die Frage, ob er Putin für korrupt halte, verneint. Jetzt sagte er:

 

„Putin durchläuft eine Evolution. Man braucht eine krankhafte Gier, um Milliarden zu ‚schlucken‘. Korruption bedeutet aber nicht ausschließlich Diebstahl. Korruption ist der Verfall eines Staatssystems auf unterschiedlichste Art und Weise. Wenn man seinen Freunden Privilegien gewährt, ist das Korruption. Wenn man Personen deckt, mit denen man sympathisiert, damit sie nicht für ihre Verbrechen zur Verantwortung gezogen werden, ist das Korruption. Wenn man einen Schattenhaushalt führt, ist das Korruption.“

 

Die 32 Jahre alte Zhanna Nemzowa ist seit August 2015 Reporterin in der Russisch-Redaktion der DW in Bonn. Ihre journalistische Laufbahn begann die Wirtschaftswissenschaftlerin beim russischen TV-Sender RBC, wo sie Sendungen moderierte und Vertreter aus Wirtschaft und Politik interviewte. Einige Monate nach der Ermordung ihres Vaters im Februar 2015 zog sie nach Deutschland.