Orban droht der EU mit einem Veto

Viktor Orban hat ein eher angespanntes Verhältnis zur Europäischen Union. Nun gibt es wieder einmal Streit. Dieses Mal geht es um den neuen EU-Haushaltsplan, die Verteilung der Flüchtlinge in Europa und die Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien.

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Fidesz will eine Änderung der Verfassung

In Sachen Flüchtlinge will die in Ungarn regierende Fidesz-Partei für klare Verhältnisse sorgen. Mit einer Verfassungsänderung will sie der von der EU geforderten Unterbringung von Flüchtlingen in dem Land einen Riegel vorschieben. Die Nachrichtenagentur MIT berichtete unter Berufung auf den Fidesz-Politiker Mate Kocsis, die Gesetzesinitiative solle verhindern, dass die Europäische Union das Land zur Aufnahme von Flüchtlingen im Rahmen ihres Resettlement-Programms verpflichten könne.

Orban hatte das Vorhaben bereits 2016 ins Parlament eingebracht. Damals verfehlte er aber die nötige Zweidrittel-Mehrheit. Nach der Wahl im April verfügt Orban aber über diese Mehrheit, mit der er Verfassungsänderungen im Alleingang durchsetzen kann.

Außenminister auf Konfrontationskurs zur EU

Zuvor war bereits Außenminister Peter Szijjarto auf Konfrontationskurs zur EU gegangen und hatte die von der EU-Kommission geplante Koppelung von Geldzahlung an die Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipen als Erpressung zurückgewiesen.

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Die EU-Kommission wirft der rechts-nationalen Regierung von Orban vor, die Unabhängigkeit der Justiz zu untergraben und die Pressefreiheit einzuschränken. Ungarn gehört zu den größten Netto-Empfängerländern in der EU.

Streit um den EU-Haushalt

Doch damit nicht genug. Am Horizont zeichnet sich eine neue, große Auseinandersetzung mit der EU ab – es geht um den Haushalt der Union. Ministerpräsident Viktor Orban hat mit einem Veto gedroht. Die Mitgliedstaaten müssten einstimmig über den Vorschlag der EU-Kommission entscheiden, „daher müssen sich die Ungarn keine Sorgen machen“, sagte Orban in einem Radiointerview.

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Der Grund für die Aussage: Ungarn hat Angst, in Zukunft weniger Geld aus den Brüsseler Kassen zu bekommen. Orban sagte, er werde keinen EU-Haushalt unterstützen, der weniger Fördergelder für Bauern, Forschung und regionale Entwicklung vorsehe, und das Geld stattdessen an Länder verteile, „die Migranten reinlassen“.

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Der neue Finanzplan der EU

EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger hatte am Mittwoch seine Finanzplanung für die Zeit von 2021 bis 2027 vorgestellt. Dabei kündigte er an, die Vergabe von Fördergeldern künftig auch an die Einhaltung rechtsstaatlicher Standards in den Empfängerländern knüpfen zu wollen. Die EU-Kommission zielt damit auf Länder wie Ungarn oder Polen ab, mit denen sie wegen Zweifeln am Zustand ihres Rechtsstaats im Konflikt ist.

Kein Schiff wird kommen – Kapitän der Identitären Bewegung in Haft

Mitglieder der rechtsextremen Identitären Bewegung wollten mit einem Schiff Flüchtlinge an der Überfahrt über das Mittelmeer hindern. Die Mission hat nun offenbar ein Ende gefunden: der Kapitän soll auf Zypern festgenommen worden sein.

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Der Spott im Netz angesichts der Aktion ist groß.

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Famagusta – Ist diese Geschichte erfunden? Oder ist es Satire? Die Story ist fast zu gut, alle Teile passen perfekt zusammen und sie hat eine Pointe, die an Ironie kaum zu übertreffen ist. Gesichert ist: rechtsextreme Anit-Flüchtlings-Aktivisten haben ein Schiff gechartert, um die Migration über das Mittelmeer zu stoppen und Flüchtlinge wieder nach Libyen zurückzubringen. Nun meldet die Zeitung „Kibris Postasi“, der Kapitän der „C-Star“ sei in Hafen von Famagusta in der Türkischen Republik Nordzypern festgenommen worden. Der Mann sei festgenommen worden, weil er falsche Dokumente vorgelegt habe. Auf linken Internetseiten ist die Rede davon, dass der Kapitän sogar wegen Verdachts der Schlepperei festgenommen worden sein soll.

Tamilen beantragen Asyl

Hier ist Geschichte allerdings noch nicht zu Ende. Durch die sozialen Medien schwirrt eine Nachricht, die tamilische Besatzung des Schiffes, das unter mongolischer Flagge fahren soll, habe in Zypern Asyl beantragt. Die ursprüngliche Quelle dieser Angabe ist ein Blog-Eintrag des französisch-griechischen Filmemachers Yannis Youlountas. „DEFEND EUROPE, c‘est fini!“ schreibt er und bezieht sich auf den Namen den die Rechtsextremen ihrer eigenen Aktion gegeben haben. Zudem soll die tamilische Crew angegeben haben, dass sie für die Fahrt bezahlt haben. Ein offizielle Bestätigung für diese Berichte gibt es allerdings nicht. Der Spott in Internet kennt angesichts der Geschichte allerdings keine Grenzen.

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Vorwurf der Schlepperei

Laut dem österreichischen „Kurier“ erklärte die Identitäre Bewegung, der Vorwurf der Schlepperei sei „absurd“. Die Tamilen seien zu Trainingszwecken an Bord gewesen, um eine Kapitänsausbildung zu absolvieren. Das sei ein ganz normaler Vorgang, sie hätten natürlich auch dafür bezahlt. Als sie an Land kamen, um einen Crewwechsel durchzuführen, seien sie von NGOs „massiv gedrängt“ worden, einen Asylantrag zu stellen.

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Martin Sellner, Kopf der Identitären Bewegung Österreich, bestätigte gegenüber „Buzzfeed“, dass das Schiff in Zypern gestoppt wurde: „Es ist das gleiche wie im Suezkanal“, so der Aktivist. „Falsche Vorwürfe, die zu Repressalien führen, um uns Zeit zu stehlen. Das Unternehmen wird dagegen vor Gericht ziehen“.

Es ist offensichtlich nicht das erste Mal, dass das Schiff Probleme hat, seine Mission fortzusetzen. Die C-Star war bereits vergangene Woche im Suezkanal gestoppt worden, weil es dem Kapitän nicht gelungen war, eine zufriedenstellende Crew-List vorzulegen, berichtete der britische „Independent“.

Auf dem Twitter-Account „Defend Europe“ werden inzwischen die meisten der Angaben indirekt bestätigt. Natürlich sieht die Identititäre Bewegung dahinter eine Verschwörung und Intrigen von Menschenrechtsgruppen.

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Offensichtlich sitzen nun Mitglieder der Identitären Bewegung auf Sizilien fest. Sie wollten in Catania die C-Star besteigen und von dort aus in See stechen, um Flüchtlinge an der Überfahrt über das Mittelmeer zu hindern.

Hinter der Aktion der Gruppe „Defend Europe“ stehen deutsche, französische und italienische Mitglieder der Identitären Bewegung, die in Deutschland wegen ihrer völkischen Ideologie vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Die Rechtsextremisten hatten Mitte Mai eine Kampagne im Internet gestartet und 76 000 Euro für die Anmietung eines Schiffs eingesammelt.

Von Libyen aus brechen die meisten Menschen in seeuntüchtigen Booten auf. Auf dem Seeweg erreichten seit Jahresbeginn schon mehr als 112 000 Menschen die Küsten Europas. Die Aktion „Defend Europe“ richtet sich nicht nur gezielt gegen diese Migranten, sondern auch gegen Hilfsorganisationen, die die Menschen im Mittelmeer aus Seenot retten und an Land bringen.

Die „Identitäre Bewegung“ inszeniert sich jung und modern. Deutsche Verfassungsschützer haben sie seit 2016 im Visier. In Deutschland ist die Gruppierung mit französischen Wurzeln seit 2012 aktiv und macht immer wieder mit Aktionen von sich reden. Im vergangenen Sommer besetzte sie das Brandenburger Tor und enthüllte am Wahrzeichen der Hauptstadt Banner mit der Aufschrift: „Sichere Grenzen – Sichere Zukunft“. Im Mai wollten Aktivisten ins Bundesjustizministerium eindringen.

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Info: Wer ist die Identitäre Bewegung?

Die Identitäre Bewegung ist gegen „unkontrollierte Massenzuwanderung“. Der Verfassungsschutz erkennt bei der Gruppierung „Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung“.

Die Wuzeln der Identitären Bewegung liegen in Frankreich, wo sie im Jahr 2004 als Teil des „Bloc identitaire“ entstand. Von dort aus hat sie sich in weiteren Ländern verbreitet. Experten sehen in der Gruppe eine Spielart des Rechtsextremismus. Die Bewegung wendet sich gegen „Multikulti-Wahn“, „unkontrollierte Massenzuwanderung“ und den „Verlust der eigenen Identität“. Sie fordert eine „Festung Europa“ und den Verbleib jeder Ethnie „auf ihrem geschichtlich gewachsenen Gebiet“. Dem Verfassungsschutz zufolge lassen die „Identitären“ „Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung“ erkennen. Im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise habe sich die Bewegung zunehmend radikalisiert.

In Deutschland soll die Bewegung rund 400 aktive Anhänger haben und ist 2012 aktiv. Nachzuweisen sind Kontakte zu anderen Gruppierungen am rechten Rand, etwa mit der Studentenverbindungen besonders des deutsch-österreichischen Dachverbandes Deutsche Burschenschaft. Eine Studie der Berliner Senatsverwaltung für Inneres kam 2015 zu dem Schluss, es gebe eine Aktionseinheit gegen Flüchtlinge von „Bürgerbewegung Pro Deutschland“, HoGeSa-Berlin, Identitärer Bewegung und Berliner NPD.

Die Identitäre Bewegung inszeniert sich jung und modern. Deutsche Verfassungsschützer haben sie seit 2016 im Visier. Zuletzt versuchte die Gruppe, mit verschiedenen Aktionen Aufmerksamkeit zu erregen. Im vergangenen Sommer besetzte sie das Brandenburger Tor und enthüllte am Wahrzeichen der Hauptstadt Banner mit der Aufschrift: „Sichere Grenzen – Sichere Zukunft“. Im Mai wollten Aktivisten ins Bundesjustizministerium eindringen.

Hinter der aktuellen Aktion der Gruppe „Defend Europe“ stehen deutsche, französische und italienische Mitglieder der Identitären Bewegung. Sie versuchen, mit einem eigenen Schiff, Migranten auf dem Mittelmeer zu stoppen.

Das Symbol der Identitären Bewegung Deutschlands ist das Lambda, der elfte Buchstabe des griechischen Alphabets. Als sich spartanische Krieger um 480 vor Christus in der Schlacht bei den Thermopylen den anrückenden persischen Truppen entgegenstellten, sollen sie dieses Zeichen auf ihren Schilden getragen haben. In dieser Tradition sehen sich auch die Identitären.

Petry will das Asylrecht abschaffen

AfD-Chefin Frauke Petry will das im Grundgesetz verankerte Recht auf Asyl abschaffen. Stattdessen müsse es in ein „Gnadenrecht des Staates“ umgewandelt werden, sagte Petry der Wochenzeitung „Die Zeit“.

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Frauke Petry will das Grundgesetz ändern.

Gnadenrecht statt Asylrecht

Zur Begründung führte sie an, dass sich die Ansprüche an die Verantwortung Deutschlands geändert hätten. In Artikel 16a des Grundgesetzes heißt es „Politisch Verfolgte genießen Asylrecht“. Das Recht auf Asyl hat damit in Deutschland als Grundrecht Verfassungsrang. „Wir sind dafür, dass das Asylrecht nach Artikel 16a geändert wird und dass es in ein Gnadenrecht des Staates umgewandelt werden muss“, sagte Petry in einem Streitgespräch mit der Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt.

Veränderte Aufgaben für den Staat

Beim Abfassen des Grundgesetzes sei es „um eine sehr kleine Zahl an Personen“ gegangen, denen „aus Verantwortung für die Gräueltaten im Zweiten Weltkrieg im Nachkriegsdeutschland Aufnahme gewährt werden sollte.“ Heute hingegen besteht die historische Verantwortung nach Angaben von Petry darin, „vor allen Dingen einen freiheitlichen Rechtsstaat ohne diktatorische Anwandlungen zu erhalten“.

Göring-Eckardt verwies dagegen auf die weiterhin aktuelle Verantwortung Deutschlands: „Viele Fluchtbewegungen kommen deswegen zustande, weil wir so leben, wie wir leben. Menschen fliehen auch, weil kein Wasser da ist, weil es Dürren gibt, weil sie ihre eigenen Lebensmittel nicht mehr anbauen können“, sagte sie.

Hier einige Infos zum Asylrecht: (Quelle: bpb)

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Das Asylrecht in Deutschland: (Quelle: Auswärtiges Amt)

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„Innerhalb der Bundesregierung ist das Bundesministerium des Innern für das Asylrecht im Inland federführend zuständig. Nach den gesetzlichen Vorschriften entscheidet das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) über den Antrag eines Asylbewerbers. Gegen Entscheidungen des Bundesamts ist die Klage vor den Verwaltungsgerichten zulässig. Die Entscheidung über den Vollzug einer eventuellen Abschiebung und eine tatsächliche Rückführung obliegt der jeweils zuständigen Landesbehörde. Sowohl das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge als auch die Landesregierungen und die Verwaltungsgerichte erhalten vom Auswärtigen Amt im Wege der Amtshilfe die verfügbaren Informationen über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Herkunftsländern von Asylbewerbern. In Verwaltungsverfahren und gerichtlichen Verfahren wegen Asylrechts bzw. Abschiebungsschutz erteilt das Auswärtige Amt Auskünfte nur im Rahmen der Amtshilfe an Behörden und Gerichte.“ Stand 19.07.2016

Überraschende Niederlage für Orban

Das Parlament in Budapest lehnte am Dienstag einen von ihm vorgelegten Gesetzentwurf gegen die Flüchtlingsquote der Europäischen Union ab. Zu Fall gebracht haben den Vorstoß ausgerechnet die Ausländerfeinde in der Volksvertretung: die rechtsextreme Jobbik-Partei.

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Eine sehr knappe Niederlage

Nur zwei Stimmen fehlten dem erfolgsverwöhnten Victor Orban für die notwendige Zweidrittelmehrheit zur Änderung der Verfassung. Alle 131 Abgeordneten von Orbans rechtskonservativer Regierungskoalition stimmten für den Entwurf.

Die Zielrichtung des umstrittenen Gesetzentwurfes ist klar: er richtete sich gegen die EU-Pläne zur Umverteilung von Flüchtlingen unter den Mitgliedstaaten. Orban wollte mit der Änderung, ein Verbot der Ansiedlung „ausländischer Bevölkerungen“ in der Verfassung zu verankern. Ungarn müsste nach dem Verteilungsschlüssel rund 2300 von insgesamt 160.000 Flüchtlingen aufnehmen, deren Umverteilung 2015 in Brüssel beschlossen wurde.

Orbans zweiter Rückschlag

Es ist schon die  zweite Niederlage für Orban. Denn mit der vom Parlament abgesegneten Verfassungsänderung wollte Orban durchsetzen, was bei einer Volksabstimmung Anfang Oktober gescheitert war. Bei dem Referendum am 2. Oktober hatten sich zwar fast alle Teilnehmer gegen die Umverteilung von Flüchtlingen in der EU ausgesprochen – das Ergebnis war aber wegen zu geringer Beteiligung ungültig.

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Zeitenwende in Ungarns Politik?

Auch innenpolitisch kündigt die Niederlage Orbans eine Art Zeitenwende an. Bisher galt die rechtsextreme Jobbik-Partei als natürlicher Verbündeter Orbans in seinem Widerstand gegen die Flüchtlingspolitik der EU. Derzeit wetteifert Jobbik jedoch mit den Sozialisten um den Rang als zweitstärkste politische Kraft in Ungarn. Angesichts der Gelegenheit, bei der Abstimmung über die Verfassungsänderung Zünglein an der Waage zu sein, knüpfte Jobbik-Parteichef Gabor Vona eine Unterstützung seiner Fraktion an Bedingungen. Er forderte, die Regierung müsse eine umstrittene Regelung kassieren, die reichen Ausländern vor allem aus Russland, China und dem Nahen Osten ein Aufenthaltsrecht in Ungarn gegen Geldzahlungen ermöglichte.

Jobbik sucht die Macht

Nach dem Votum am Dienstag schwenkten Jobbik-Abgeordnete Plakate mit der Aufschrift: „Der Verräter ist derjenige, der Terroristen gegen Geld hereinlässt.“ Jobbik hatte die seit 2013 zumeist über sogenannte Offshorefirmen verkauften Aufenthaltsrechte schon länger als „dreckiges Geschäft“ kritisiert. Sie seien ein Risiko für die nationale Sicherheit und könnten auch von der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) missbraucht werden, kritisierte die Partei. „Weder arme noch reiche Migranten sollten sich in Ungarn niederlassen dürfen“, sagte Vona.

Ungarn stehen nun wahrscheinlich unruhige Zeiten ins Land. Dass die rechtsextreme Jobbik Orban nun eine Niederlage im Parlament bescherte, könnte Auftakt eines Machtkampfs zwischen dessen Fidesz-Partei und den Rechtsextremen vor den für 2018 angesetzten Parlamentswahlen sein.

Athen fordert Solidarität von der EU

In Griechenland wächst die Unzufriedenheit mit der EU-Flüchtlingspolitik. Ioannis Mouzalas, griechischer Minister für Migration, macht aus seinem Ärger längst keinen Hehl mehr. Er kritisiert vor allem die schleppende Verteilung der in Griechenland angekommenen Flüchtlinge auf andere EU-Staaten. 

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Auch Premier Alexis Tsipras fordert Solidarität von den EU-Staaten.

„Solidarität sieht anders aus“

„Die Umsiedlung läuft langsam, weil Länder wie Ungarn nicht mitmachen“, beklagt Mouzalas während eines Treffens mit Journalisten in Athen.  Er vermutet sogar eine Strategie dahinter. „Einige Länder zerstören auf diese Weise ein im Grunde gutes System, dann sagen sie, es funktioniert nicht und wollen das System wieder abschaffen.“ Nach Angaben des Ministers seien bislang nur 5.000 der versprochenen 30.000 Menschen von Griechenland in andere EU-Staaten gebracht worden. Sein Fazit: „Solidarität sieht anders aus.“

Er warnt davor, dass auf den griechischen Inseln, wo die meisten der Flüchtlinge ankommen, die Stimmung der Bewohner kippen könnte. Bis hätten die Griechen die Flüchtlinge positiv aufgenommen. „Langsam macht sich aber die Angst breit, unsere Inseln könnten das ‚Ellis Island‘ der Europäischen Union werden“, sagt Mouzalas. Ellis Island, eine kleinen Insel vor New York, war über Jahrzehnte die Sammelstelle für die Einwanderer in die USA.

Die Türkei erfüllt das Abkommen

Im selben Atemzug verteidigte der Minister das Flüchtlingsabkommen mit der EU mit der Türkei. Mouzalas: „Es ist nicht perfekt, aber es ist das beste Ergebnis, das wir unter diesen Bedingungen bekommen konnten.“ In dem Vertrag haben beide Seiten vereinbart, die irreguläre Migration aus der Türkei in die EU zu beenden und sie stattdessen mit legalen Wegen der Neuansiedlung von Flüchtlingen in der EU zu ersetzen.  So soll das Geschäftsmodell der Schleuser zerschlagen und den Migranten eine Alternative geboten werden, damit diese ihr Leben nichts aufs Spiel setzten. „Die Türkei erfülle ihren Teil des Vertrages“, sagt Mouzalas.

Nicht nur von Solidarität reden

Rückendeckung erhält der griechische Minister von Dimitris Avramopoulos, EU-Kommissar für Migration. „Jetzt müssen die EU-Staaten zeigen, was sie meinen, wenn sie von Solidarität reden“, sagt er, ohne allerdings die Länder beim Namen zu nennen, die die Aufnahme von Flüchtlingen verweigern. Angesichts der angespannten Lage fordert er ein gemeinsames EU-Asyl-System. Und Avramopoulos warnt, dass sich die Staaten im Norden des Kontinents  nicht aus der Verantwortung stellen könnten. „Dieses enorme Ausmaß der Migration ist eine Bedrohung für die gesamte EU.“

Das Ende des „Dschungels“

Es war noch einmal ein Akt der Würde und Trauer. Dutzende Flüchtlinge haben am letzten Gottesdienst in ihrer Behelfskirche im aufgelösten „Dschungel von Calais“ teilgenommen. Die kleine orthodoxe Kapelle ist eine der selbstgebauten Einrichtungen – darunter auch Moscheen, Schulen und Läden -, die Migranten in dem Lager errichtet hatten, als sie dort auf eine mögliche Überfahrt nach Großbritannien gewartet hatten.

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Das Endes des „Dschungels“

Die von der französischen Regierung angeordnete Räumung von 5000 Flüchtlingen aus dem Camp verlief weitgehend friedlich. 1500 unbegleitete Minderjährige wurden in Sondereinrichtungen in Calais gebracht. Viele von ihnen hoffen immer noch auf die Weiterreise nach Großbritannien, weil Familienangehörige bereits dort sind. Die Erwachsenen wurden auf Flüchtlingszentren in Frankreich verteilt.

Holland will keine neuen Camps

Nach der Räumung des Flüchtlingslagers von Calais hat der französische Präsident François Hollande solche Lager als inakzeptabel für Frankreich bezeichnet. „Wir werden keine Lager mehr hinnehmen“, sagte Hollande beim Besuch eines Aufnahmezentrums für Flüchtlinge im zentralfranzösischen Doué-la-Fontaine. Der sogenannte „Dschungel“ von Calais sei „nicht dessen würdig, was eine Aufnahme in Frankreich sein kann“, fügte Hollande hinzu.

 

Suche nach Lösungen

In der kommenden Woche will die französische Regierung eine Lösung für die rund 2000 Flüchtlinge finden, die in wenigen Tagen ihre Zelte auf einem Boulevard im Nordosten von Paris aufschlugen. Er habe mit der britischen Premierministerin Theresa May gesprochen, um eine Aufnahme für rund die 1500 Minderjährigen zu erreichen, die bei der Auflösung des „Dschungels“ von Calais angetroffen und in einem vorläufigen Aufnahmezentrum untergebracht wurden, sagte Hollande. Die britische Regierung erklärte, in den kommenden Wochen würden „mehrere hundert Kinder und Jugendliche“ von Calais aus nach Großbritannien gebracht.

Europas Schande!

Ein Tweet, der keinen Kommentar mehr benötigt!

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Since 21 April, when MSF’s search and rescue operations began for 2016, the Dignity I, Bourbon Argos and Aquarius have rescued a total of 14,547 people in more than 100 different rescue operations, while at least 3,930 people have died in what has become the most deadly migratory route in the world. MSF continues to stress that although search and rescue is lifesaving and essential, the only way to truly stop deaths at sea is to provide safe and legal alternatives to dangerous sea crossings.

Tspiras mahnt mehr Solidarität an

Die Zahl der Flüchtlinge nach Europa sinkt, doch die Krise ist nicht gelöst. In dieser Situation fordert Griechenlands Premier Alexis Tsipras mehr Solidarität von Europa.

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Alexis Tsipras fordert mehr Solidarität von Europa.

Ausschreitungen in den Lagern

Immer wieder kommt es in den Auffanglagern auf den griechischen Inseln zu Tumulten. Zuletzt mussten die Mitarbeiter von Hilfsorganisationen und Asyldiensten auf der Insel Chios wegen der aufflammenden Spannungen zurückziehen. Erst am Montag war es zu Aufständen im Hotspot der Insel Lesbos gekommen, wo Flüchtlinge und Migranten mehrere Büro-Container der EU-Asylbehörde EASO in Brand gesetzt hatten. Die Nerven liegen inzwischen nicht nur bei Flüchtlingen und Helfern blank.

Alexis Tsipras sieht sein Land angesichts der nicht enden wollenden Probleme von Europa im Stich gelassen. „In der Flüchtlingskrise hat Griechenland die größte Last auf sich genommen“, klagt der griechische Premierminister, „doch andere Länder haben zur gleichen Zeit die Grenzen geschlossen und  Zäune errichtet.“ Für ihn steht fest: „Griechenland hat das menschliche Antlitz Europas gezeigt.“ In anderen Ländern habe es hingegen fremdenfeindliche Ausschreitungen gegeben.

Klare Forderung von Tsipras

Der Premier formulierte bei einem Treffen mit Journalisten in Athen eine klare Forderung: „Die bestehenden Verträge in der Flüchtlingsfrage müssen von allen eingehalten werden.“ Er bezieht sich auf das Abkommen, das die EU mit der Türkei ausgehandelt hat. Der Deal sieht vor, die irreguläre Migration aus der Türkei in die EU zu beenden und sie stattdessen mit legalen Wegen der Neuansiedlung von Flüchtlingen in der EU zu ersetzen. So soll das Geschäftsmodell der Schleuser zerschlagen und den Migranten eine Alternative geboten werden, damit diese ihr Leben nicht aufs Spiel setzen.

Tsipras betont, dass die Flüchtlingszahlen tatsächlich gesunken sind. Kamen anfangs mehrere Tausend Menschen über das Meer in Griechenland an, sind es inzwischen im Schnitt um die 100 Personen. Doch es bleiben viele Probleme. Die Asylverfahren laufen nur schleppend, ebenso ist die Rückführung der Flüchtlinge von Griechenland in die Türkei sehr schwierig. Ein zentrales Problem für Premier Tsipras ist allerdings die Weigerung vieler EU-Staaten – etwa von Polen oder Ungarn -, Flüchtlinge aufzunehmen, die eigentlich bei ihnen angesiedelt werden sollten.

Klare Ziele im Abkommen

Ab Abkommen sei sehr klar formuliert, unterstreicht Tsipras. „Für Griechenland heißt es: 66.000 Tausend Flüchtlinge sind in andere EU-Staaten umzusiedeln, bis jetzt sind es aber nur 5200.“ Der griechische Regierungschef fordert: „Verträge müssen eingehalten  werden.“ Diese Feststellung ist im besonders wichtig, da er sich erinnert, dass die Staaten der EU genau diesen Grundsatz in der Schulden- und Eurokrise immer mit großem Nachdruck von Griechenland verlangt hätten.

Es gibt keine „flexible Solidarität“

Die Diskussion um eine „flexible Solidarität“ könne nicht ernst gemeint sein. Und Alexis Tsipras fordert, dass jene Mitglieder, die sich nicht an die Verträge halten, mit Druck dazu gebracht werden müssten. Als probates Mittel sieht er, dass Brüssel Druck über die Strukturfonds ausüben könnte. Wer sich in der Flüchtlingsfrage verweigere, müsse eben damit rechnen, weniger Geld aus den Kassen der EU zu bekommen.

Gebremste Barmherzigkeit in London

Die ersten 14 Flüchtlingskinder aus dem berüchtigten nordfranzösischen Flüchtlingscamp in Calais sind am Montag in Großbritannien eingetroffen. Die Teenager im Alter zwischen 14 und 17 Jahren wurden zunächst zu einer Einwanderungsbehörde gebracht, bevor sie von ihren Familien in die Arme geschlossen werden konnten. Einige dieser Wiedersehenstreffen waren in Kirchen geplant.

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Der Druck der Kirchen

Die britische Regierung hatte sich erst unter dem Druck Frankreichs, von Wohltätigkeitsorganisationen und ranghohen Kirchenvertretern bereit erklärt, unbegleiteten Minderjährigen aus Calais die Einreise zu erlauben. Auf diese warten dort meist bereits Familienangehörige.

Der Dschungel soll geräumt werden

Die französische Regierung will das auch als „Dschungel“ bekannte Camp, das die Dimension eines Elendsviertels angenommen hat, demnächst schließen. Der britische Labour-Abgeordnete Alf Dubs sagte, für alle Minderjährigen in dem Lager müsse eine Bleibe gefunden werden, bevor es abgerissen werde. Dubs, der 1939 mit dem „Kindertransport“ jüdischer Kinder aus der von Nazis besetzten Tschechoslowakei nach Großbritannien kam, sagte: „Kein Kind darf in dem Chaos des Abrisses zurückgelassen werden. Nach vorn schauend dürfen wir nie wieder eine Wiederholung von Calais zulassen.“

 

Keine Übereinkunft mit London

Es gebe aber keine Übereinkunft mit Großbritannien über ein umfassenderes Umsiedlungsprogramm, sagte ein Sprecher der Präfektur in Calais. Der französische Innenminister Bernard Cazeneuve hatte Großbritannien aufgerufen, seiner „moralischen Pflicht“ nachzukommen und unbegleitete minderjährige Flüchtlinge mit Verwandten im Vereinigten Königreich aufzunehmen.

 

 

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Nachtrag (19.10.2016):

Gericht bestätigt Räumung des Lagers

Ein französisches Gericht hat die geplante Räumung des Flüchtlingslagers im nordfranzösischen Calais gebilligt. Das Verwaltungsgericht der Stadt Lille lehnte am Dienstag einen Eilantrag von elf Hilfsorganisationen gegen die anstehende Auflösung des sogenannten Dschungels ab. Die Räumung des Lagers als solche sei kein Verstoß gegen das Verbot von „unmenschlicher und entwürdigender Behandlung“ von Menschen, argumentierte das Gericht. Vielmehr ziele die Auflösung des Lagers unter anderem darauf ab, eine solche Behandlung von Flüchtlingen zu beenden. Die französischen Behörden wollen das am Ärmelkanal gelegene Lager, in dem nach unterschiedlichen Angaben zwischen 6000 und 10.000 Flüchtlinge ausharren, bald räumen. Die Flüchtlinge sollen in Unterkünfte im ganzen Land verteilt werden.

Das Problem der CSU mit den Senegalesen

War es ein verbaler Aussetzer? Oder steckt dahinter doch ein eher einfacher Geist? Fakt ist: Mit einer Äußerung über abgelehnte Asylbewerber hat CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer ziemlich daneben gegriffen. „Das Schlimmste ist ein fußballspielender, ministrierender Senegalese. Der ist drei Jahre hier – als Wirtschaftsflüchtling. Den kriegen wir nie wieder los“, hatte Scheuer im Regensburger Presseclub gesagt.


Harsche Reaktion der Kirche

Die Reaktionen kamen prompt. Der Generalvikar des Bistums RegensburgMichael Fuchs kommentierte  nach Scheuers Aussage auf Facebook: „Na dann, liebe Pfarreien und Sportvereine, lasst das mal mit eurer Integrationsarbeit. Herr Scheuer übernimmt. Künftig übt er mit ihnen Querpässe und Kniebeugen. Er fährt aufs Zeltlager und kauft ihnen die Trikots. Er feiert mit ihnen Geburtstag und hört sich nächtelang ihre Fluchtgeschichten an. Vielleicht betet er sogar mit ihnen.“

 

Mäßig originelle Erkläung des CSU-Mannes

Aber natürlich hat Scheuer eine Erklärung für sein Statement parat. Seine Aussage sei eine bewusste Zuspitzung gewesen. „Im Zusammenhang ging es um die Schwierigkeit, abgelehnte Bewerber nach einem abgeschlossenen, rechtsstaatlichen Verfahren wieder zurückzuführen, wenn diese sich über einen längeren Zeitraum hier aufhalten.“ Damit hat der CSU-Mann durchaus Recht, das hätte er allerdings auch anders ausdrücken können.

Spiel mit den Schmuddelkindern

Scheurer betreibt ein gefährliches Spiel – ähnlich wie sein Chef, Ministerpräsident Horst Seehofer. Auf der einen Seite wird der Rechtspopulismus der AfD verteufelt, auf der anderen Seite werden deren Positionen – gerade von der CSU –  immer wieder übernommen. Dieses Doppelspiel kann nicht aufgehen. Auf genau dieser Art und Weise hat man auch schon in Österreich die Rechtspopulisten stark gemacht.

Wichtig ist Sachpolitik

Es ist schwer in dieser aufgeheizten Stimmung sachliche Politik zu machen. Aber es hilft nichts, die Gesellschaft muss dagegenhalten und dabei auch Ruhe bewahren. Falsch wäre es aber – wie gerade in Bautzen passiert – den falschen Leuten Dialogangebote zu machen. Und: Man muss auch als Politiker nicht für alles und jeden Verständnis haben. Man darf kein Verständnis haben, wenn Frauke Petry sagt, „völkisch“ sei ein unbelasteter Begriff.

Wird die Uhr zurückgedreht?

Die große Gefahr ist, dass es heute „nur“ gegen Flüchtlinge geht, dass Rassismus wieder gesellschaftsfähig wird. Die Gefahr ist, dass die gesellschaftliche Uhr zurück gedreht wird, dass eine massive konservative Regression auf uns zurollt. Dann werden auch alternative Lebensentwürfe, Gleichberechtigung und freiheitliches Denken in Frage gestellt. Das würde das Ende der freien Gesellschaft bedeuten.

Nachtrag Eins:

Inzwischen kommt die Kritik auch von höchster Kirchenstelle. Zum Auftakt der Herbstvollversammlung der katholischen Bischöfe in Fulda distanzierte sich der Münchner Erzbischof und Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, von Forderungen und Sprache der Christsozialen. Marx fand deutliche Worte für die Aussage von Scheurer: Er sei „erschrocken und verärgert“ über Äußerungen, die nur darauf abzielten, wie Deutschland Flüchtlinge loswerden könne. „Diese Tonlage ist nicht hilfreich.“ Der Kardinal warnte davor, Ressentiments gegen andere Kulturen und Religionen zu schüren. Die vielen in Deutschland lebenden Migranten brauchten das Gefühl, willkommen zu sein.

Nachtrag Zwei:

 

Scheuers Äußerungen sind allerdings nicht der einzige Anlass zur Zwietracht: Es geht auch um das CSU-Papier zu Flüchtlingen, das die Forderung nach einer Obergrenze bei der Aufnahme festschreibt. Und um die Forderung, bevorzugt Zuwanderer aus dem christlich-abendländischen Kulturraum in Deutschland aufzunehmen. Deutliche Worte gegenüber der CSU fand bislang insbesondere der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki. Mit ihrer Flüchtlingspolitik betreibe die Partei „das Geschäft mit den Rechtspopulisten von der AfD“, sagte er. „Wenn die CSU das Grundgesetz ernst nimmt, kann sie keine Obergrenze verlangen.“ Das lasse das Asylrecht gar nicht zu.