Eine 16-jährige Schülerin in Frankreich beschimpft die Muslime und muss nun zur eigenen Sicherheit untertauchen. Auch viele Politiker wollen an dem Fall ihr eigenes Profil schärfen – doch die Sache ist vertrackt.
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Mila ist zu ihrer eigenen Sicherheit untergetaucht. Angesichts unzähliger Morddrohungen geht die 16-jährige Französin nicht mehr zur Schule und hat alle ihre Accounts in den sozialen Medien gelöscht. Auslöser der Welle des Hasses ist ein kurzes Video, das sie auf Instagram hochgeladen hat. Darin zieht das Mädchen in derbsten Worten über den Islam her. „Der Koran ist voller Hass, der Islam ist reiner Mist,“ ist einer der wenigen zitierbaren Sätze. Die homosexuelle Schülerin aus dem Département Isère im Osten des Landes reagierte nach eigenen Worten damit auf den Kommentar eines muslimischen Mannes, der sie im Internet als „dreckige Lesbe“ beschimpft habe.
Die Schülerin bereut ihre „Vulgarität“
Inzwischen hat die junge Frau in einem TV-Interview erklärt, sie bereue die „Vulgarität“ ihrer Äußerungen. Sie habe nicht die Absicht gehabt, jemanden persönlich zu verletzen. Zu ihren Aussagen über den Islam stehe sie aber und beruft sich dabei auf das Recht auf Gotteslästerung. Tatsächlich wurde in Frankreich nach der Revolution von 1789 das Delikt der Blasphemie abgeschafft, Beleidigungen von Religionen sind durch die Meinungsfreiheit gedeckt. Aufrufe zum Hass gegen Einzelne oder eine Gruppe sind dagegen verboten.
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Affaire #Mila : un Français sur deux est défavorable au droit de critiquer une „une croyance, un symbole ou un dogme religieux“ (sondage @IfopOpinion pour @Charlie_Hebdo_) https://t.co/xH6Z5LwEEe
— L’Obs (@lobs) February 5, 2020
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Die Politik meldet sich zu Wort
Angesichts der Drohungen, mit denen die Schülerin überschüttet wird, sah sich nun sogar der französische Innenminister Christophe Castaner genötigt, in der Nationalversammlung das Wort zu ergreifen. Mila und ihre Eltern würden inzwischen von der Nationalpolizei geschützt. „Es ist keine ständige Bewachung, denn es gibt keine Hinweise, dass dies nötig wäre“, schränkte er ein.
Da im März in Frankreich die wichtigen Kommunalwahlen stattfinden, wird der Fall der 16-Jährigen selbstverständlich von vielen Politikern kommentiert. Doch die Lage ist vertrackt, denn die wütende Kanonade an Verbalinjurien kann nur mit viel Wohlwollen als Islamkritik gesehen werden. So erklärt die Sozialistin Ségolène Royal, dass es schwierig sei einen Teenager zu unterstützen, dem es offensichtlich an Respekt fehle und sich dabei auf das Recht auf Meinungsfreiheit berufe.
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Dans notre pays de libertés, ce n’est pas à #Mila de s’excuser : c’est à ceux qui la menacent de mort, la harcèlent, l’insultent, de rendre des comptes devant la justice.
Bravo à cette jeune lycéenne pour son courage. MLP pic.twitter.com/ZDDRPIdkHQ
— Marine Le Pen (@MLP_officiel) February 4, 2020
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Empörung über den Islamrat in Frankreich
Als sich Abdallah Zekri, der Vertreter des französischen Islamrates zu Wort meldete, kannte die Empörung vor allem im politisch rechtskonservativen Lager keine Grenzen mehr. Zekri sagte in einem Interview, dass die Drohungen gegen Mila zwar zu verurteilen seien, doch habe sie diese Reaktionen provoziert und müsse damit klarkommen. Marine Le Pen, Chefin des rechtsradikalen Rassemblement National, konterte auf Twitter, man könne die Äußerungen vulgär finden, aber sie würden keine Verurteilung zum Tod im Frankreich des 21. Jahrhunderts rechtfertigen.
Die Gesellschaft in Frankreich ist gespalten
Der Fall spaltet auch die französische Gesellschaft: Laut einer Umfrage für die Satirezeitung „Charlie Hebdo“ sind die Hälfte der Franzosen für die Freiheit zur Religionskritik, auch wenn sie mit Schmähungen einhergeht, die andere Hälfte lehnt dies ab. „Charlie Hebdo“ war 2015 Ziel eines islamistischen Anschlags mit zwölf Toten, nachdem die Zeitung mehrfach Mohammed-Karikaturen veröffentlicht hatte.