Beim Champions-League-Spiel Paris gegen Dortmund sitzen wegen des Coronavirus keine Fans auf der Tribüne, doch die feiern einfach vor dem Stadion eine rauschendes Fest. Es stellt sich die Frage: Wie sinnvoll sind unter diesen Umständen solche Spiele – und sollte man sie nicht ganz absagen?
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Die Fans von PSG feiern den Sieg ihrer Mannschaft vor dem Stadion Parc des Princes
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Pyrotechnik vorm Feinsten vor dem Stadion
Drinnen im Stadion Parc des Princes mag Geisteratmosphäre herrschen, doch vor der grauen Betonschüssel ist die Hölle los. Silvesterraketen starten laut pfeifend aus der johlenden Menge und explodieren krachend am klaren Nachthimmel von Paris, PSG-Fans zünden Bengalos und tauchen die Szenerie in gleißend rotes Licht, riesige Fahnen werden geschwenkt, der Alkohol fließt in Strömen. Als das 2:0 für ihre Mannschaft fällt, kennt der Jubel aus vielen Tausend Kehlen keine Grenzen, die Anhänger liegen sich in den Armen, küssen sich, die Bierdusche aus halb ausgetrunkenen Flaschen ist inklusive. So sieht Fan-Kultur in Zeiten des Coronavirus aus.
Wegen der seit Wochen grassierenden Epidemie wird das Champions-League-Spiel zwischen PSG und Borussia Dortmund am Mittwoch in Paris ohne Zuschauer ausgetragen. Zur Sicherheit, wie die Verantwortlichen bei der Uefa betonen, damit sich das Virus nicht weiter ungehindert ausbreiten könne. Warnungen und gute Ratschläge gibt es viele, doch die werden alle in den Wind geschlagen, denn die Funktionäre haben die Rechnung ohne die Hardcore-Fans gemacht. Die haben sich zu Tausenden vor dem Stadion in Paris versammelt, verfolgen dort das Spiel am Radio oder am Smartphone via Internet und feiern eine riesige Party.
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Die PSG-Ultras stehen zu ihrem Verein
„Ich scheiße auf Corona“, grölt ein Fan und reckt dem Virus, das vielleicht auch in dieser Menschenmasse irgendwo sein Unwesen treibt, den ausgestreckten Mittelfinger entgegen. „Wir sind Ultras, wir stehen auch in schwierigen Zeiten hinter unserer Mannschaft,“ lautet sein unerschütterliches Credo. Das Konzept „Geisterspiele“ halten an diesem Abend vor dem Parc des Prince alle für kompletten Unsinn, erdacht von „Funktionären und anderen Feiglingen“. Die Frage nach der völligen Absage der Fußballspiele angesichts der Pandemie erübrigt sich angesichts dieser aufgeheizten Atmosphäre.
Weil auch ein „Geisterspiel“ irgendwie abgesichert werden muss, sind rund ums das Stadion mehrere Hundert Polizisten positioniert. Schon Stunden vor dem Anpfiff haben sie die Zufahrtstraßen abgeriegelt und kontrollieren vor allem den kurzen Weg von der Métro-Station Porte de Saint-Cloud zum Haupteingang des Parc des Princes. „Das ist eigentlich ein Einsatz wie bei einem normalen Spiel“, erklärt einer der Beamten. Es sei klar gewesen, dass trotz dieser „besonderen Umstände“ viele Fans kommen würden und man müsse darauf vorbereitet sein.
Die Polizei drückt beide Augen zu
In Frankreich sind Versammlungen mit mehr als 1000 Menschen wegen der Coronavirus-Epidemie untersagt, in diesem Fall wird zum Wohl des öffentlichen Friedens angesichts der krawallerprobten Ultra-Fans offensichtlich eine großzügige Ausnahme gemacht. Und so sitzen viele der Sicherheitskräfte gelangweilt in den wartenden Mannschaftsbussen in den Seitenstraßen – auch das ein idealer Tummelplatz für einen hinterhältigen Virus. Etwas ruhiger als vor dem Haupteingang bei den Hardcore-Anhängern geht es in den Bistros rund um das Stadion zu. Doch auch dort sitzen die PSG-Fans dicht gedrängt vor Großbildschirmen und bejubeln ihre Mannschaft. Die Kneipen sind restlos überfüllt und so bilden sich große Menschentrauben vor den Türen und Fenstern, denn jeder will einen Blick auf das TV-Geschehen im Innern erhaschen. Die Frage nach dem Virus wird auch in diesem Kreis mit einem Kopfschütteln beantwortet und wieder fällt der Satz von den „weltfremden Funktionären“, denen die Fans und der Fußball eigentlich egal seien. .
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Nach dem Match wird richtig gefeiert
Nach der gewonnenen Begegnung wird es vor dem Stadion noch einmal richtig kuschelig. Die Kicker von PSG zeigen sich auf einem Balkon den Fans, die sofort mit Macht gegen das Absperrgitter drängen und mit lauten Schlachtgesängen ihre siegreichen Idole huldigen und den lang ersehnten Einzug der Mannschaft ins Viertelfinale der Champions League feiern. Einige der Stars werfen ihre verschwitzten Trikots in die Menge, die dort von Hand zu Hand gereicht werden.

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Der Starstürmer Kylian Mbappé setzt sich schließlich in Buddha-Pose auf die breite Balustrade und schmäht unter dem Gejohle der Anhänger den Dortmunder Gegner. Der Grund: BVB-Stürmer Erling Haaland hatte im Hinspiel seine Tore mit dieser Geste gefeiert. Erst spät ziehen dann die Fans in Richtung Métro und fahren siegestrunken in den völlig überfüllten Zügen nach Hause. Zum Abschied gibt es dann wie immer – typisch französisch und gegen jede Coronavirus-Empfehlung – Küsschen links, Küsschen rechts.