Überall auf der Welt lodern die Krisenherde. Bei der Lösung der Probleme spielt Russland eine zentrale Rolle. Doch das Treffen von Frank-Walter Steinmeier und Sergej Lawrow hat gezeigt, dass Russland eine ganz eigene Sicht auf die Dinge hat. In einem Kommentar fasst die Lage Gesine Dornblüth für den Deutschlandfunk sehr gut zusammen. Sie schreibt:
Die Hand ausgestreckt
„Frank-Walter Steinmeier hat den Russen in Jekaterinburg wieder mal die Hand entgegengestreckt. Es sei nötig, einander zu lesen, Signale des anderen richtig zu verstehen. Verlorenes Vertrauen müsse Anlass sein, mehr miteinander zu reden, nicht weniger. Und die Deutschen müssten sich auch fragen, welche Fehler sie gemacht hätten. Schöne Worte waren das. Kritik brachte Steinmeier sehr schonend vor. Bei seinem letzten Auftritt Ende 2014 hatte er angesichts von Russlands Völkerrechtsbruch in der Ukraine klar gesagt: „So dürfen wir nicht miteinander umgehen“. Heute fragte er vorsichtig: „Bekennen wir uns zu den Regeln einer Friedensordnung, die wir uns selbst gegeben haben? Achten und schützen wir die Souveränität anderer Staaten? Ich möchte diese Fragen mit Ja beantworten“, so der Minister, „und ich wünsche mir, dass Russland sie auch mit Ja beantworten möchte.“
Sergey Lavrov and Frank-Walter Steinmeier visited Yekaterinburg: main events https://t.co/TcpSIsebF5 pic.twitter.com/WS3VSYeTPN
— MFA Russia (@mfa_russia) 16. August 2016
So funktioniert Dialog nicht
Behutsamer geht es kaum, und doch: Russland, in Gestalt von Außenminister Sergej Lawrow, schlug die ausgestreckte Hand weg. Auf die Fragen des Gastes reagierte er mit Anschuldigungen, sprach von „hochnäsiger NATO-Zentriertheit“. Die NATO habe sich über die Helsinki-Schlussakte hinweggesetzt. Dann folgte der ganze Rattenschwanz altbekannter Vorwürfe über die Schuld des Westens an der Ukraine-Krise.
So funktioniert Dialog nicht. Auf der russischen Seite existiert derzeit nicht nur kein Fünkchen Bereitschaft zur Selbstkritik. Es gibt nicht mal mehr die Fähigkeit, dem anderen zuzuhören. Dazu gab es heute eine erschreckend anschauliche Szene. Eine Studentin aus Berlin wollte von den Außenministern „als Menschen“ wissen, welche Eindrücke aus dem jeweils anderen Land die beiden in ihrer Laufbahn am spannendsten fanden. Steinmeier antwortete vermutlich ehrlich: Es seien die Begegnungen jenseits der Hauptstadt, die Vielfalt Russlands mit seinen Regionen. Dann war Lawrow dran. Ja, er teile die Ansicht Steinmeiers: Er fahre auch gern in die russischen Regionen. Ist das Unhöflichkeit oder Ignoranz?
Die Krisen sind weder ohne noch mit Russland lösbar
Die Krisen der Welt sind nicht ohne Russland zu lösen. Das ist eine Binsenweisheit. Leider sind sie mit Russland derzeit auch nicht zu lösen. Und das liegt nicht nur an unterschiedlichen Interessen, sondern auch daran, dass man mit der russischen Elite nicht mehr reden kann. Wie man aus dieser diplomatischen Sackgasse wieder herauskommt, steht in den Sternen. Auch weiter die Hand auszustrecken, dürfte zumindest erst mal nicht schaden.“
Hier ist der Link zu dem Beitrag im Deutschlandfunk