Massenprotest gegen Telegram-Sperrung

Die Menschen in Russland wollen die Zensur nicht hinnehmen. Tausende habenin Moskau gegen die Sperrung des beliebten Messenger-Dienstes Telegram protestiert.

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Parolen gegen die Regierung

Polizei und Veranstalter gaben die Zahl der Teilnehmer an der Kundgebung im Zentrum der russischen Hauptstadt mit etwa 8000 an. Unter den Demonstranten war auch der Oppositionspolitiker Alexej Nawalny. Die Menschen hielten Schilder mit Parolen gegen die Regierung hoch, schwenkten russische Fahnen und ließen Papierflugzeuge fliegen, das Emblem von Telegram.
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Putin als „Dieb“ beschimpft

In Sprechchören wurde der russische Präsident Wladimir Putin als „Dieb“ beschimpft und ein freier Zugang zum Internet gefordert. Nawalny dankte Pawel Durow, zusammen mit seinem Bruder Nikolai Mitgründer von Telegram, in einer Rede an die Menge für seine Unterstützung des Protests. Nawalnys Frage „Seid ihr bereit, Widerstand zu leisten?“ beantworteten die überwiegend jugendlichen Demonstranten mit einem lauten „Ja“, bevor sie die auf Putin gemünzte Parole „Nieder mit dem Zaren!“ riefen.

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Der 33-jährige Durow bezeichnete die Kundgebung im Internet als „beispiellos“ und fügte hinzu: „Mit eurer Energie seid ihr dabei, die Welt zu verändern.“

Sperrung von Telegram

Richter hatten die Blockade von Telegram angeordnet, nachdem der Online-Dienst den russischen Geheimdiensten die Entschlüsselung privater Chats verweigert hatte. Die zuständige Behörde Roskomnadsor sperrte Millionen IP-Adressen, die zur Nutzung von Telegram verwendet wurden. Dadurch wurde auch die Tätigkeit vieler Unternehmen, einschließlich des Autobauers Volvo, beschränkt.

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Die Sperrung wurde aber häufig umgangen – unter anderem durch verschlüsselte VPN-Verbindungen oder sogenannte Proxys. Putin-Gegner benutzen Telegram gerne für Mitteilungen oder um Protestaktionen zu koordinieren. Die Brüder Durow gründeten Telegram im Jahr 2013. Seitdem wuchs die Zahl der Nutzer weltweit auf mehr als 200 Millionen.

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Russlands Zugriff auf das Internet

Das Internet ist totalitären Regierungen ein Dorn im Auge. Regimekritiker können sich leicht vernetzen und erreichen ein großes Publikum. Der Arabische Frühling wäre ohne die Sozialen Medien wohl nicht möglich gewesen. Das weiß natürlich auch Wladimir Putin und reagiert deswegen auf diese „Bedrohung“ aus dem Volk.

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Das Gesetz Nr. 276-FZ

Am 1. November tritt in Russland das Gesetz Nr. 276-FZ in Kraft. Hinter dieser Ziffer verbirgt sich ein tiefer Eingriff in die Freiheit, denn der Staat will die Nutzung und Bereitstellung von Software und speziellen Services von in Russland blockierten Internetressourcen verbietet. Dazu zählen Soft- und Hardware, Services und Techniken zur sicheren Datenübertragung, also auch VPN-Netzwerke und Proxy-Server.

Zum Wohle des Volkes

Natürlich dient das Gesetz dem Wohle des Volkes. Nach offiziellen Angaben soll die  Verbreitung von unsicheren, kriminellen, jugendgefährdenden, gewaltverherrlichenden, pornografischen oder die Persönlichkeit verletzenden Inhalten unterbunden werden. In der Liste der gesperrten Webseiten (https://reestr.rublacklist.net/) finden sich zahllose Angebote für Online-Spiele, Online-Wetten, Online-Casinos, Drogen und pornografischen Inhaltes.

Auch in demokratischen Staaten wird natürlich überwacht, wer im Internet verbrecherische Dienste anbietet. Doch in Staaten wie etwa China oder Russland besteht der Verdacht, dass diese Technik vor allem dazu genutzt werden soll, das Internet, die sozialen Medien und diejenigen, die solche Formen der freien Meinungsäußerung nutzen, zu kontrollieren, mundtot zu machen und bestrafen zu können. Deshalb etwa die Kontrolle der VPN-Netzwerke.

Die Vorteile von VPN

Mittels VPN-Kommunikation (Virtual Personal Network) können Nutzer abhör- und zensursichere Verbindungen zwischen dem eigenen Computer oder mobilen Endgerät und anderen Netzwerken herstellen. Ergänzt um SSL-Verschlüsselungen sind sie eine sichere Methode, um in einem begrenzten Raum zu arbeiten, z.B. sich von Hause aus im Netzwerk der Firma anzumelden oder Zugriff auf gemeinsam genutzte Ressourcen zu erhalten.
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Die Einhaltung des Gesetzes Nr. 276-FZ wird in erster Linie von Roskomnadzor überwacht. Die Behörde will in einem ersten Schritt alle Nutzer von VPN-Technologien identifizieren. Diese müssen sich dann in einem eigens dafür eingerichteten Netzwerk anmelden und alle Seiten sperren, die in Russland blockiert sind.

Die Macht von Roskomnadzor

Die Provider müssen drei Tage nach Erhalt einer Aufforderung durch Roskomnadzor alle von der Behörde geforderten Daten zur Verfügung stellen. Welche genau, wird – bisher – nicht definiert. Zur Identifizierung der Provider kann Roskomnadzor auch die Sicherheitsorgane mit einbeziehen. Es braucht nicht viel Phantasie, um sich vorzustellen, dass einmal in diesem Netzwerk registriert und die Daten des Providers übermittelt, der Schritt zu einer möglichen Überwachung klein ist. Wer ohne Registrierung VPN Verbindungen nutzt, wird nicht nur geblockt, sondern auch identifiziert.

Angesichts des neuen Gesetzes schlägt auch die eher russlandfreundliche deutsche Wirtschaft Alarm. Der Ostausschuss der Deutschen Wirtschaft warnt, das neue Gesetz könnte massive Auswirkungen auf ganze Geschäftsfelder haben. Firmen, deren Software Cloud basiert ist, würde durch die Sperrung bestimmter IP-Adressen oder Domänen ihr Geschäftsmodell entzogen.
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Gefahr für Unternehmen

Unternehmen, deren Asset gerade hochspezialisierte Softwarelösungen sind, und die auf unbedingte Datensicherheit angewiesen sind, setzen sich der Gefahr aus, ausgespäht zu werden, so der Ostausschuss. Waren bis jetzt schon zahlreiche, vor allem mittelständische Firmen von Wirtschaftsspionage betroffen, erhöht sich mit den vorgesehenen gesetzlichen Regeln diese Gefahr weiter.

Der Ostausschuss warnt

Jens Böhlmann, Leiter der Kontaktstelle Mittelstand im Ostausschuss, schreibt: „Ich möchte es noch einmal ganz klar und deutlich formulieren: Dort, wo der Staat seine Bürger vor schädlichen und kriminellen Inhalten schützt, ist das Teil seiner Aufgabe. Wenn allerdings ein Gesetz als Vehikel genutzt wird, um sensible Daten von Firmen zu erhalten, dann untergräbt das die Glaubwürdigkeit und das Vertrauen in einen Markt massiv.“ Das könnte die Geschäfte mit dem wichtigen Partner Russland doch gewaltig stören – zumal die deutsche Wirtschaft sich zuletzt sehr zufrieden über die steigenden Zahlen im Außenhandel mit den osteuropäischen Staaten gezeigt haben.

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Der zensierte Facebook-Neptun aus Bologna

Facebook hat erneut wegen einer unglücklichen Lösch-Aktion für Wirbel gesorgt. Das Netzwerk entfernte zunächst ein Foto von der Seite einer italienischen Nutzerin, das eine nackte Neptun-Statue aus dem Zentrum Bolognas zeigt.

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„Sexuell expliziter“ Inhalt

Wie der britische „Telegraph“ berichtete, begründete Facebook seine Entscheidung mit dem „sexuell expliziten“ Inhalt. Das Bild verstoße gegen die Werberichtlinien des US-Unternehmens, hieß es. Später bedauerte Facebook den Schritt. „Das war ein Versehen“, sagte ein Sprecher am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur. „Wir entschuldigen uns für den Fehler.“

Userin Elisa Barbari hatte das Foto der Renaissance-Figur aus dem 16. Jahrhundert gepostet, um damit ihre Facebook-Seite über Geschichten aus Bologna zu bebildern. „Ich wollte meine Seite bewerben, aber es scheint, dass die Statue für Facebook ein sexuell explizites Bild ist, das zuviel Fleisch zeigt. Wirklich, Neptun? Das ist verrückt“, sagte sie dem „Telegraph“.
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In einem Statement hatte Facebook ihr demnach erklärt, dass „die Verwendung von Bildern oder Videos mit nackten Körpern oder tiefen Ausschnitten“ nicht erlaubt sei, „selbst wenn die Verwendung einen künstlerischen oder erzieherischen Hintergrund hat“.

Erst vor wenigen Monaten musste Facebook scharfe Kritik einstecken, nachdem es ein berühmtes Foto aus dem Vietnamkrieg gelöscht hatte. Das Bild zeigt ein kleines Mädchen, das nach einer Napalm-Attacke nackt über eine Straße läuft. So hatte Facebook das historische Kriegsfoto der Kim Phuc aus Vietnam zuerst von der Plattform verbannt. Nach heftiger Kritik an der Entscheidung ging das berühmte Foto wieder online: Man erkenne die historische Bedeutung des Bildes an, teilte Facebook mit. Gepostet hatte es eine norwegische Zeitung.